Litauen: Das Comeback des „Gurkenkönigs“ Viktor Uspaskich

(c) REUTERS (INTS KALNINS)
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Die „Arbeitspartei“ des gebürtigen Russen entschied die litauischen Parlamentswahlen für sich. Der Unternehmer mischt schon länger in der Politik mit – und floh einmal vor der Justiz nach Russland.

Vilnius/Wien. Räumlichkeiten von Wahlsiegern stellt man sich anders vor. Das Büro in einer Seitenstraße des herausgeputzten Vilniuser Gedimino-Prospekts strahlt nur eines aus: Funktionalität. Hellbraune Büromöbel vom Diskonter, Aktenordner in Bücherregalen, kahle Wände, Ausblick in den Hinterhof.

Dennoch hatten die Aktivisten der Arbeitspartei und ihr Chef Viktor Uspaskich am Sonntagabend hier eine Menge zu feiern. Die Oppositionspartei hat die Parlamentswahlen in Litauen gewonnen. Nach vorläufigen Auszählungen kommt die „Darbo Partija“ auf mehr als ein Fünftel der Stimmen, knapp gefolgt von den Sozialdemokraten (19 Prozent). Die Vaterlandsunion des konservativen Regierungschefs Andrius Kubilius erreichte Platz drei.

Die Wahlbeteiligung betrug mehr als 50 Prozent, was bedeutet, dass auch das notwendige Quorum für das Referendum über das geplante Atomkraftwerk erreicht wurde: Die Litauer stimmten gegen das Projekt. Mit skeptischer Haltung gegenüber dem Milliardenprojekt, das dem Kleinstaat Unabhängigkeit von russischen Gaslieferungen bringen soll, hatte auch die Opposition bei den Wählern gepunktet.

Der Wahlsieger Uspaskich verkörpert den unkonventionellen Macher, er gilt als „Mann aus dem Volk“, erklärt die Wahlforscherin Ainė Ramonitė. Er spreche eine „verständliche Sprache“ und habe Erfahrung im echten Leben, sagt der pausbäckige Wahlkampfleiter Vytautas Gapšys: „Er weiß, wie man Jobs schafft.“

Tatsächlich beruht Uspaskichs Erfolg vor allem auf seinem Unternehmertum: Der gebürtige Russe kam 1985 nach Litauen, wo er Gasleitungen verlegte. 1990 eröffnete er seine erste Firma, heute leitet er von der Provinzstadt Gedainiai aus den Mischkonzern „Vikonda“ mit mehreren tausend Angestellten: Da er auch eine Essiggurkenproduktion sein Eigen nennt, trägt er den Spitznamen „Gurkenkönig“.

Illegale Parteikassen?

Uspaskich ist aber auch ein Stehaufmännchen der litauischen Politik: Schon 2004 errang er mit seiner Arbeitspartei einen Wahlsieg – weil ihn aber alle Parteien schnitten, musste er schließlich den Sozialdemokraten den Premiersposten überlassen. Als Wirtschaftsminister werkte er nur neun Monate. Als Ermittlungen wegen illegaler Parteikassen aufgenommen wurden, setzte er sich im Mai 2006 nach Russland ab. Seit 2009 sitzt er als er EU-Abgeordneter in Straßburg. Da ein Gerichtsverfahren anhängig ist, gilt Uspaskich jetzt als ungeeignet für einen hohen Posten. Im Wahlkampf scheint ihm der Rechtsstreit nicht geschadet zu haben. „Es ist ein politischer Fall“, erklärt Gapšys die Sicht der „Darbo Partija“.

Die Arbeitspartei verspricht eine Anhebung des Mindestlohns von 850 Litas auf 1509 Litas (430 Euro). „Unser Lohnniveau muss an das der Umgebung angeglichen werden“, fordert Gapšys. Zudem will die Partei Heizkosten reduzieren und mehr Jobs schaffen. Kritiker sprechen von Linkspopulismus, von einem Wahlverein verbandelter Geschäftsleute und von Stimmenfang bei den Reformverlierern. Der wahrscheinlich nächste Ministerpräsident Algirdas Butkevičius von den Sozialdemokraten versicherte indes, es werde nur vorsichtige Abstriche von Kubilius' Politik geben: „Erst müssen wir das Geld für höhere Ausgaben verdienen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2012)

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