Großbritannien manövriert sich ins EU-Abseits

Janusz Lewandowski
Janusz Lewandowski(c) AP (Elisa Day)
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Budgetkommissar Lewandowski fordert von Großbritannien Klarheit über Verbleib in der EU. Nun steht Cameron bei den Budgetverhandlungen stark unter Erfolgsdruck.

London/Brüssel/Ag./Aga. Der Kommission platzt angesichts des britischen EU-Kurses langsam der Kragen: Budgetkommissar Janusz Lewandowski forderte gestern in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ Klarheit über Großbritanniens Verbleib in der EU. Das Land müsse zeigen, wohin es langfristig gehören wolle: „Entweder es sieht für längere Zeit seine Zukunft in der EU oder nicht“, so Lewandowski. „Das Spiel heißt Kompromiss.“

Ausgelöst hat die deutlichen Worte des Kommissars eine Drohung von Premierminister David Cameron, bei den Verhandlungen zum EU-Budget für die Jahre 2014–2020 notfalls ein Veto einzulegen, sollte es nicht zu einer Einigung im Interesse Großbritanniens kommen.

Er schlägt sich damit auf die Seite der europaskeptischen Hardliner in seiner Partei, die ihm diese Woche eine empfindliche Niederlage im Parlament beschert haben: Die Rebellen schlossen sich mit der oppositionellen Labour Party zusammen und forderten Kürzungen im EU-Haushalt. Eine knappe Mehrheit stimmte daraufhin gegen den Vorschlag der Regierung, die Ausweitung der EU-Ausgaben auf die jeweilige Inflationsgrenze festzuschreiben. Nun steht Cameron bei den Budgetverhandlungen stark unter Erfolgsdruck, kündigte aber bereits an, genau auf das Parlament hören zu wollen – auch wenn der Beschluss für ihn rechtlich nicht bindend ist.

Vetoabsicht „absolut irrsinnig“

Dies bringt dem Premier koalitionsintern starke Kritik ein. Der Chef der europafreundlicheren Liberaldemokraten, Vizepremier Nick Clegg, warnte, es gebe „absolut keine Hoffnung“, eine Kürzung durchzusetzen. Der frühere konservative Justizminister Kenneth Clarke bezeichnete es gar als „absolut irrsinnig“, würde Cameron schon mit der Absicht zum Gipfel fahren, von seinem Vetorecht Gebrauch zu machen.

Nun versucht Angela Merkel, die Wogen zu glätten: Die deutsche Kanzlerin will kommende Woche nach London reisen und mit Cameron sprechen. Seine Vetodrohung spielte sie herunter: Es gehöre dazu, dass vor einem Gipfel Positionen abgesteckt werden. Doch bei den britischen Konservativen macht sich schon seit längerer Zeit eine europakritische Haltung breit: Teile der Partei fordern ein Referendum, bei dem die Bevölkerung über den Verbleib Großbritanniens in der EU abstimmen soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2012)

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