Obama verspürt Auftrieb im Endspurt

Obama verspuert Auftrieb Endspurt
Obama verspuert Auftrieb Endspurt(c) REUTERS (JASON REED)
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Im Wahlkampffinale hetzten die Kandidaten kreuz und quer durchs Land, um letzte Anhänger zu mobilisieren. Bei den Republikanern liegen die Nerven blank.

Bristow. Bill Clintons charakteristische Stimme, angekratzt vom rastlosen Wahlkampfeinsatz für den Präsidenten, hallt von Weitem aus der Naturarena von Bristow, eine knappe Autostunde von Washington entfernt. Das Jiffy Lube Live, ein begrüntes Amphitheater, ist randvoll gefüllt mit Obama-Anhängern. Wer zu spät kommt, findet keinen Einlass in der Arena, die 24.000 Zuschauer fasst.

Da hat der Secret Service kein Einsehen, selbst nicht am späten Samstagabend, als die Amerikaner zu Beginn ihrer Winterzeit die Uhren eine Stunde zurückstellten. Vizepräsident Joe Biden feixte derweil in Wisconsin, dies sei ganz nach dem Geschmack der Republikaner: „Mitt Romney will die Uhr ja auch zurückdrehen.“

Die Dave-Matthews-Band hat die Menge an einem kühlen Herbstabend aufgewärmt, und Clinton tut das Seine zur Aufheiterung der Anhänger. „Mitt Romney könnte als Schlangenmensch im Cirque du Soleil auftreten.“ Stich um Stich versetzt er dem ideologisch so wendigen republikanischen Kandidaten, ganz in der Nähe des Schlachtfelds von Manassas in Virginia, wo sich vor 151 Jahren die Truppen der Nord- und Südstaaten in der ersten blutigen Schlacht des Bürgerkriegs gegenüberstanden. Blut fließt nicht in Bristow, die giftigen Attacken zielen im Wahlkampf-Finish der letzten 48 Stunden auf beiden Seiten indes unter die Gürtellinie.

„Wahl aus Rache“

Im Überschwang der Emotionen schwor Barack Obama die Fans in seiner Tour de Force durch die Swing States zu einer „Wahl aus Rache“ ein, was Mitt Romney umgehend aufgriff. Er rief zu einer Wahl aus „Liebe um das Land“ auf. Trotz eines Dementis des Chrysler-Chefs Sergio Marchionne überflutet die Romney-Kampagne den entscheidenden „Battleground-State“ Ohio, der von der Autoindustrie abhängig ist, mit Angstpropaganda: Chrysler, behauptet ein TV-Spot dreist, werde die Jeep-Produktion nach China verlagern.

Mit einer Welle von TV-Spots lancieren die Republikaner eine Schlussoffensive. Junge Frauen, Obama-Wählerinnen von 2008, bekunden darin ihre Enttäuschung: „Werden die nächsten vier Jahre so aussehen wie die letzten vier?“ Um die Frauen, eine wichtige Obama-Klientel, ist ein harter Kampf entbrannt. Feministinnen wie Gloria Steinem warnen im Fall eines Machtwechsels raunend vor einem Rückfall in die „Steinzeit“.

Vor dem Amphitheater von Bristow hat die Vereinigung der Geschäftsleute Schilder in der Manier des Milliardärs und Reality-Show-Gastgebers Donald Trump affichiert: „Präsident Obama: Wir haben es aufgebaut, Sie haben es zugrunde gerichtet, wir werden es wieder richten. Sie sind gefeuert!“

Als der Präsident um dreiviertel elf Uhr abends, nach drei Auftritten im Mittleren Westen – in Dubuque in Iowa verfehlte er den Rivalen nur um Stunden – zu seiner Rede anhebt, verkneift er sich nicht eine Spitze gegen Romney. „Ihr kennt mich. Ihr wisst, dass ich sage, was ich meine. Und meine, was ich sage.“ „Four more years“, schallt es unter klarem Nachthimmel frenetisch aus der Menge.

Ann Romneys glasige Augen

Nach dem Krisenmanagement an der Seite des republikanischen Gouverneurs Chris Christie in New Jersey und einer Wahlempfehlung des New Yorker Bürgermeisters Michael Bloomberg verspürt das Obama-Lager Auftrieb in den Swing States. Bei den Republikaner liegen dagegen die Nerven blank. Enerviert vom Wahlmarathon, wischte sich Ann Romney die glasigen Augen. Wie ein Verzweiflungsakt mutet es an, wenn Romney im Endspurt in Pennsylvania, Wisconsin oder Minnesota angreift. Obama-Berater David Axelrod verwettete seinen Seehund-Schnauzer, sollte Obama auch nur einen der drei Staaten verlieren. Katy Perry und Bruce Springsteen werden das Obama-Finale in Madison orchestrieren.

Die vierjährige Abigael Evans aus Colorado kann das Ende indes nicht mehr erwarten. Heulend rief sie: „Ich habe genug von Bronco Obama und Mitt Rommey.“ Das Video wurde zum Instant-Hit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2012)

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