USA: Der tiefe Fall des Vier-Sterne-Generals

(c) EPA (CHARLIE ARCHAMBAULT)
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CIA-Chef David Petraeus kam seiner Biografin zu nahe. Wegen der Affäre mit der Autorin und Reserve-Offizierin endete die Karriere des hochkarätigen Militärs, der stets für allerhöchste Ämter im Gespräch war.

Als Barack Obama nach seiner Siegesfeier in Chicago Donnerstagfrüh an seinen Schreibtisch im Oval Office des Weißen Hauses zurückkehrte, mag er zuerst seine Augen gerieben haben. Denn ganz obenauf auf dem Stapel der dringenden Aufgaben lag das Rücktrittsgesuch des CIA-Chefs David Petraeus, des untadeligen Karrieresoldaten und gefeierten „Helden“ des Umschwungs im Irak-Krieg.

Einen Tag nach seinem 60. Geburtstag bat der Vier-Sterne-General den Präsidenten in einem Vieraugengespräch am Nachmittag schließlich um seine Demissionierung wegen einer außerehelichen Affäre. Obama forderte Petraeus auf, die Entscheidung noch einmal zu überschlafen. Erst anderntags nahm er sie dann an.

In Washington platzte der Rücktritt unmittelbar vor Beginn des Wochenendes wie eine Bombe. Viele standen unter Schock. Demokraten wie Republikaner würdigten Petraeus als einen der größten Militärs der US-Geschichte – in einem Atemzug mit Dwight D. Eisenhower und George Marshall, zwei Top-Generälen an der Kreuzung zwischen Militär und Politik. Senator John McCain reihte ihn unter die Militärhelden der Nation. In einer Stadt, in der Schadenfreude und die Lust am Skandal ausgeprägt sind, schwang in den Reaktionen überall Bedauern mit.

Sogleich rankten sich jedoch Spekulationen um den völlig überraschenden Rückzug. Sollte er in Zusammenhang stehen mit dem Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi? Petraeus sollte in der kommenden Woche vor dem Geheimdienstausschuss des Kongresses über jenes Attentat vor zwei Monaten aussagen, bei dem Botschafter Chris Stevens und drei CIA-Leibwächter umkamen und das die Republikaner zu einer Politaffäre hochstilisieren wollen. Anfänglich leugneten sowohl die US-Regierung wie die CIA jeden terroristischen Hintergrund.


Liebesfalle? David Petraeus wischte freilich selbst die Gerüchte vom Tisch. „Nach mehr als 37-jähriger Ehe habe ich ein äußerst schlechtes Urteilsvermögen an den Tag gelegt, indem ich eine außereheliche Beziehung einging“, notierte er in einem Schreiben an seine CIA-Mitarbeiter im Hauptquartier in Langley in Virginia. „Ein solches Verhalten ist inakzeptabel, sowohl als Ehemann als auch als Führer einer Organisation wie der unseren.“ Als Absolvent der Militärakademie gilt für ihn ein strikter Kodex: „Das ist eine Frage der Ehre.“

Geheimdienste haben seit jeher panische Angst vor „Liebesfallen“ und Erpressung – sei es in Kriegszeiten durch Mata Haris oder im Kalten Krieg durch Ost-Spioninnen und „Romeos“. Im Zuge einer Routineüberprüfung war der Inlandsgeheimdienst FBI bereits vor Monaten auf die Autorin und Reserve-Offizierin Paula Broadwell gestoßen, die offenbar Zugang zum privaten E-Mail-Konto des CIA-Chefs erlangt hatte. Die 40-jährige Mutter zweier Kinder hatte zu Beginn des Jahres das Buch „All In: The Education of David Petraeus“ publiziert – mehr Hagiografie denn Biografie. In einem PR-Auftritt in Jon Stewarts „Daily Show“ scherzte sie denn auch: „Er kann Wasser in abgefülltes Wasser verwandeln.“

Wie sich herausstellte, hatte sie die Affäre mit Petraeus schon vor seiner Nominierung zum CIA-Chef beendet. In hunderten Liebesschwüren per E-Mail stellte Petraeus ihr hinterher aber noch nach. Begonnen hatte die Beziehung in Afghanistan. Broadwell quartierte sich im US-Hauptquartier in Kabul ein, um ihre Dissertation über Petraeus zu einem Buchprojekt auszuweiten. Während Fünfmeilen-Joggingrunden erwuchs mehr als eine professionelle Beziehung zwischen den beiden West-Point-Alumni. Petraeus verstand sich als Mentor Broadwells, die als dunkelhaariges Postergirl für ein Maschinengewehr geworben, aber auch eine Reihe von Eliteschmieden absolviert hatte. „Hinter der Maske des Oberkommandanten habe ich seine persönlichere Seite kennengelernt“, schreibt sie in „All In“. „Er trauert über die toten Soldaten in Afghanistan.“ In „Newsweek“ beschrieb sie neulich seine zwölf goldenen Führungsregeln.


„Betray us.“Ex-CIA-Agent Bob Baer sagte auf CNN, dass Affären zwischen Agenten des Hauses auf ausgedehnten Auslandseinsätzen an der Tagesordnung seien. Petraeus hätte die Beziehung zu einer Amerikanerin lediglich an offizieller Stelle melden müssen. Für Holly Petraeus, die Tochter eines Vier-Sterne-Generals in West Point mit biederem Hausmütterchen-Image und Helmfrisur, die sich im Rahmen der Konsumentenschutzbehörde für Soldatenfamilien einsetzt, bekommt indes der Slogan der liberalen Organisation „MoveOn“ eine neue Bedeutung. In einem ganzseitigen Inserat in der „New York Times“ höhnte sie 2007 über den damaligen Irak-Oberkommandanten und nannte ihn einen Betrüger: „Betray us.“

Über seine Präsidentschaftsambitionen wurde immer wieder gemunkelt, dabei wollte Petraeus angeblich „nur“ Generalstabschef werden. Der Karrieresoldat – Spitzname „Peaches“, Sohn eines holländischen Kapitäns – wird nun womöglich als Präsident der Elite-Uni Princeton eine akademische Karriere verfolgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2012)

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