Faymann: „Es wird teurer, nicht billiger“

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Werner Faymann im Interview mit der "Presse am Sonntag": Der Bundeskanzler bereitet die Österreicher auf höhere EU-Zahlungen vor und will das letzte Regierungsjahr für eine Reform des Bildungssystems nutzen.

Sie haben sich 2010 gemeinsam mit dem britischen Regierungschef David Cameron dafür eingesetzt, das EU-Budget de facto zu kürzen. Jetzt werfen Sie Cameron vor, dass er mit Beharren auf Londons Rabatt und seinen Sparvorschlägen die Union erpresst. Wie kommt es zu diesem Sinneswandel?

Werner Faymann: Ich habe gesagt: „Wir lassen uns nicht erpressen.“ Da ist eben Großbritannien nicht mehr wert als Österreich. Es sollte beim EU-Budget niemand eine Sonderstellung haben. Natürlich ist unser Ansinnen, einzusparen, was man einsparen kann. Zuletzt wurde von der Ratspräsidentschaft ein Einsparungspotenzial von 50 Milliarden Euro vorgeschlagen. Das geht in die richtige Richtung. Dieser Vorschlag ist allerdings für uns in einem Punkt unangenehm: in der Infrastruktur. Das trifft unsere Bahnstrecken. Wir haben vorgeschlagen, es soll bei EU-Agenturen oder bei ausgelagerten Fonds wie dem Globalisierungsfonds gespart werden.

Trotz Einsparungen soll Österreich mehr als bisher an die EU zahlen?

Unter dem Strich werden die reichsten Länder mehr zahlen müssen, dazu gehört auch Österreich. Man kann nicht die geringste Arbeitslosigkeit und hervorragende Wirtschaftsdaten haben, ohne dass dies Folgen für die Zahlungen hat. Wir müssen damit rechnen, dass das teurer und nicht billiger wird. Wir kämpfen dafür, dass wir weiterhin einen Rabatt bekommen, im letzten Jahr waren das 170 Millionen Euro. Wir sind dafür, dass die für uns wichtige Förderung des ländlichen Raums gesichert bleibt. Ich sage, worum ich kämpfe, aber ich streue niemandem Sand in die Augen.

Strategisch ist das ein Jahr vor der Wahl ambitioniert, den Österreichern zu erklären, dass sie mehr an die EU zahlen müssen.

Das ist den Menschen lieber, als dass da ein Politiker steht, der ihnen Dinge erzählt, an die er selbst nicht glaubt.

Ihr Koalitionspartner glaubt das offenbar nicht. Staatssekretär Reinhold Lopatka hält solche Aussagen nicht für klug und hilfreich.

Wenn mein Ansprechpartner der Herr Lopatka wäre, würde ich mir überhaupt größere Sorgen machen. Vizekanzler Michael Spindelegger ist neben mir gestanden, als ich nach einer Regierungssitzung von unserer Haltung zum EU-Budget berichtet habe. Schon damals habe ich gesagt, dass wir nicht versprechen können, dass es weniger wird.

Wohin soll denn das Geld fließen, das Österreich nun mehr an die EU zahlt?

Es gibt Regionen in Südeuropa, die von der Wirtschaftskrise ganz besonders getroffen wurden.

Soll das Budget also als Wachstumsimpuls für Krisenländer umfunktioniert werden?

Es wäre schön, käme das heraus. Ablesbar ist das aber noch nicht. Die derzeitigen Vorschläge für mehr Beschäftigung sind nicht sehr stark ausgeprägt. Es gibt aber einen österreichischen Vorschlag: Wir wollen einen Fonds für die Ausbildung von Fachkräften schaffen. Wenn alle bisherigen Rabatte dort hineinfließen, könnte man eine Million junger Menschen von der Straße holen und ihnen eine Ausbildung finanzieren.

Dann würde aber auch Österreich seinen Rabatt verlieren?

Ja. Wenn alle Rabatte dort hineinfließen, sind das etwa sieben Milliarden Euro pro Jahr, damit könnten wir einen entscheidenden Schlag gegen die Jugendarbeitslosigkeit zustande bringen.

Ein Budget ist in Zahlen gegossene Politik. Heißt das nun, dass Sie Kompetenzen im sozialen Bereich auf EU-Ebene verlagern möchten?

Würde das Geld in Jugendausbildung investiert, müssten wir keine Kompetenzen verlagern. Es wäre zum Beispiel sinnvoll, dass dieses Geld jene erhalten, die im Gegenzug ein duales Ausbildungssystem (Lehre in Betrieben plus Berufsschule, Anm.) aufbauen oder eine Ausbildungsgarantie für junge Menschen schaffen. Eine Kompetenzverschiebung wäre auch für Österreich ein hartes, umstrittenes Thema.

Sie treten für Belastung von Vermögenswerten ein. Damit machen Sie auch Stimmung gegen Besserverdienende und Vermögende, die den viel zitierten sozialen Frieden gefährden könnten.

Die Schere zwischen Reich und Arm, zwischen sehr Vermögenden und Mittelschicht ist auseinandergegangen. Arbeitnehmer werden derzeit sehr genau vom Steuersystem erfasst. Sie haben keine Chance auszuweichen. Es gibt aber Immobilienbesitzer, denen es gelingt, ein großes Vermögen anzuhäufen und dem Steuersystem zu entkommen.

Mit einem Haus, Grund und Auto ist man in Österreich bei den Vermögenden.

Die erste Million an Vermögen sollte nicht besteuert werden. Es geht um die Besteuerung ab der zweiten Million. Da ist man nicht so schnell dabei.

Eine Bauernfamilie siebenter Generation mit Grundbesitz kann es aber etwa treffen.

Von 160.000 bäuerlichen Familienbetrieben sind fast 60 Prozent Nebenerwerbsbauern. Ich werde jetzt gefragt, warum ich so für die Landwirte eintrete. Aber die sind ja genauso zu unterstützen wie andere Arbeitnehmer im Land. Es ist andererseits eine Tatsache, dass viele Erben nichts zahlen. Die Grundlage, der Einheitswert eines Grundstücks, ist in kaum einem Nachbarland so jenseits der Realität wie in Österreich. Ich will nicht, dass der Bürger mit seinem Einfamilienhaus betroffen ist, sondern es geht um jene, die zum Beispiel im Immobiliengeschäft tätig sind und die das Steuersystem nicht ausreichend erfasst.

Sie treten für eine Schuldentilgung ein. Was halten Sie vom Vorschlag der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ein Durchgriffsrecht der EU auf Länder mit ausuferndem Haushalt fordert?

Ich habe mich für die Schuldenbremse eingesetzt, habe da erheblichen Diskussionsbedarf auch in eigenen Reihen, weil besonders gesellschaftskritische Menschen befürchten, wenn man keine zusätzlichen Schulden machen kann, dann trifft das die Ärmsten. Dem halte ich entgegen: Zusätzliche Schulden bedeuten, dass wir mehr Geld für Zinsen zahlen müssen, Geld, das uns dann zum Beispiel für Bildung, Gesundheit und unser soziales System fehlt. Das bringt uns in eine Spirale, in der die Verteilung noch schwieriger wird. Deshalb bin ich ja für zusätzliche Einnahmen, etwa für eine Vermögenssteuer ab einer Million Euro.

Die Frage war ja: Soll die EU-Kommission in einem Land intervenieren dürfen?

Ich bin dafür, dass sich alle Länder zu einer Schuldenbremse verpflichten. Wenn man uns in Österreich Empfehlungen für unser Budget gibt, bin ich auch dafür. Wenn jemand aber zu uns kommt und sagt, wie das Pensionsalter ausschauen soll, dann bin ich dagegen.

Ist Stronach für Sie ein denkbarer Regierungspartner?

Wer nach der nächsten Wahl regiert, entscheidet nur der Wähler. Ich habe jene ausgeschlossen, die sich die Hetze auf die Fahnen geschrieben haben, das ist die FPÖ, da bleibe ich dabei.

Das Team Stronach finden Sie demnach besser als die FPÖ?

Ich mache keine Abstufungen. Man wird sehen, ob dieses nach dem Wahltag noch da ist.

In der Regierungsklausur wurden die Studiengebühren repariert. Warum gelingt in der Bildungspolitik kein großer Wurf?

Wir haben zwei Gegner in der Bildungspolitik: Der eine Gegner ist die Meinungsverschiedenheit in der Koalition. Die beste Schule wäre eine ganztägige Schule für die Pflichtschule mit einem verschränkten Unterricht. Das andere Problem sind die Meinungsverschiedenheiten mit der Lehrerschaft. Der eine sagt mehr Stunden, der andere sagt, die Arbeitsbedingungen sind schlecht. Wir brauchen in beiden Dingen eine Bewegung in die richtige Richtung. Wenn wir uns da nicht annähern, geht nichts weiter. Ich würde gern das letzte Jahr dieser Regierung noch dafür nutzen, bei der Bildung einen Fortschritt zu erzielen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2012)

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