Petraeus: Was wusste das Weiße Haus?

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Wann bekam US-Präsident Barack Obama Wind vom Rücktritt des CIA-Chefs David Petraeus? Die Frage rückt jetzt ins Zentrum von Spekulationen und Verschwörungstheorien in der Affäre.

Washington. Bei seinem letzten Auftritt in der Öffentlichkeit vor dem Platzen des Skandals ahnte David Petraeus angeblich noch nichts von dem Unheil, das sich über ihm zusammenbraute. Mitte Oktober besuchte der CIA-Chef mit seiner Frau Holly die Premiere des Thrillers „Argo“ in der kanadischen Botschaft in Washington. Ben Afflecks Film zeichnet die spektakuläre, mit Hollywood-mäßiger Chuzpe in Gang gesetzte Befreiungsaktion im Winter 1980 nach, bei der CIA-Agent Tony Mendez sechs US-Botschaftsmitarbeiter, die sich in der kanadischen Botschaft in Teheran verschanzt hielten, aus dem Iran schmuggelte.

Die Undercover-Mission war so geheim, dass Mendez die Ehrenmedaille, die ihm Präsident Jimmy Carter als Anerkennung für den Coup verliehen hatte, gleich beim Fundus wieder abgeben musste. Es ist die konspirative Welt, in der die Geheimdienste operieren und in der die Verschwörungstheorien wuchern. Um den Rücktritt von Petraeus und dessen Zeitpunkt ranken sich denn jetzt auch die wildesten Spekulationen und Verschwörungstheorien.

„Wie ein Blitz“

„Das passt alles nicht zusammen“, raunte der republikanische Kongressabgeordnete Peter King, Vorsitzender des Heimatschutzausschusses. Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein, die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, monierte: „Wir erhielten keine Vorwarnung, der Rücktritt schlug wie ein Blitz ein.“ Sie habe davon aus den Medien erfahren. Weil zumindest ein Sicherheitsrisiko bestanden habe, hätte der Ausschuss vorab informiert werden müssen.

Seit dem Watergate-Skandal, der Präsident Richard Nixon im August 1974 zum Rücktritt zwang, fokussieren die Fragen in derlei Fällen stets auf die Regierung: Was wusste das Weiße Haus, und wann wusste es was? Wollte Petraeus mit seiner Demissionierung unmittelbar nach den Wahlen die Obama-Regierung schützen und zugleich die Verwicklung in die sogenannte „Bengasi-Affäre“ vertuschen? Ein Rücktritt vor der Wahl, so die These, hätte Präsident Barack Obama in Verlegenheit gebracht. Petraeus wäre zudem am Donnerstag zu einem Hearing vor dem Geheimdienstausschuss des Senats vorgeladen gewesen. An seiner Stelle wird nun sein Stellvertreter und interimistischer CIA-Direktor Michael Morrell im Kongress Rede und Antwort stehen.

Seit Wochen behaupten die Republikaner mit wachsendem Eifer, geschürt von Talkshows des konservativen Senders Fox News, dass das Weiße Haus und das Außenministerium Sicherheitsbedenken der US-Botschaft in Libyen in den Wind geschlagen hätten. Mehr noch: Dass sie den terroristischen Hintergrund des Angriffs auf das US-Konsulat in Bengasi am 11.September wider besseres Wissens zunächst negiert hätten, um sich nicht vor der Wahl der Kritik auszusetzen und ihre Stärke in der Sicherheitspolitik aufs Spiel zu setzen – die Erfolge im Drohnenkrieg gegen die al-Qaida, allen voran den Tod Osama bin Ladens. Feinstein bestreitet indes jeglichen Zusammenhang. Petraeus habe sich keiner Preisgabe von Staatsgeheimnissen schuldig gemacht.

Das Justizministerium benachrichtigte den Geheimdienstkoordinator James Clapper vor einer Woche, am Wahlabend um fünf Uhr nachmittags, von der Staatsaffäre. Präsident Obama erlangte überhaupt erst am Donnerstag, nach seiner Rückkehr von der Siegesfeier in Chicago, Kenntnis von der brisanten Angelegenheit. Da schwirrte das Gerücht bereits durch die Hallen des Kongresses. Ein FBI-Mitarbeiter hatte republikanischen Abgeordneten den „Zund“ gegeben. Eric Cantor, die Nummer zwei der republikanischen Fraktion, informierte umgehend FBI-Chef Robert Mueller.

Obsessive Drohmails an „Rivalin“

Im Frühsommer hatte die 37-jährige Jill Kelley, eine Freundin der Petraeus-Familie aus Tampa in Florida, das FBI wegen obsessiver Drohmails eingeschaltet. Die Drohbotschaften an die vermeintliche „Rivalin“ stammten von Paula Broadwell, Autorin einer Petraeus-Biografie („All In“). Nach dessen Ernennung zum CIA-Chef begann sie im Herbst 2011 eine Affäre mit ihm, die angeblich vor vier Monaten endete.

Was bisher geschah

Einen Tag nach der Präsidentenwahl wurde die außereheliche Beziehung von CIA-Chef David Petraeus mit seiner Biografin Paula Broadwell bekannt. Ermittlungen sollen schon seit Monaten laufen. Petraeus reichte am vergangenen Donnerstag seinen Rücktritt ein, Präsident Obama nahm ihn einen Tag später an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2012)

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