USA: Die Petraeus-Affäre zieht immer weitere Kreise

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„Unangemessener" E-Mail-Verkehr zwischen John Allen, Nato-Oberbefehlshaber in spe, und Jill Kelley, der Schlüsselfigur der Affäre, könnte ein zweites hochkarätiges Opfer fordern.

Washington. Eigentlich sollte der Oberbefehlshaber der Afghanistan-Truppen ja vollauf beschäftigt sein mit dem Krieg am Hindukusch und dem Kampf gegen die Taliban. John Allen fand indes noch Zeit für tausende „unangemessene" E-Mails, wie es in diplomatischer Diktion heißt, an die 37-jährige Tochter libanesischer Einwanderer in Tampa, die erst zum Auslöser wurde für den Rücktritt des Allen-Vorgängers, des CIA-Chefs David Petraeus. Im Zuge der Ermittlungen stieß das FBI nämlich auf bis zu 30.000 E-Mails zwischen John Allen und Jill Kelley im Zeitraum von 2010 bis 2012.

Die Affäre Petraeus zieht immer weitere Kreise. Sie enthüllt ein erstaunliches Sittenbild an der Spitze der US-Streitkräfte, und sie könnte mit John Allen ein weiteres hochrangiges Opfer fordern. Denn Verteidigungsminister Leon Panetta ordnete an, die geplante Beförderung des Vier-Sterne-Generals Allen zum Nato-Oberbefehlshaber vorerst auszusetzen. In der US-Armee gilt Ehebruch als Delikt.

US-Präsident Barack Obama hat John Allen indes den Rücken gestärkt. Obama habe „Vertrauen" in Allen, sagte ein Sprecher des Präsidenten am Dienstag.

Schlüsselfigur in Tampa

Jill Kelley rückt immer mehr zu einer Schlüsselfigur der Affäre auf. Als Adressatin der Schmäh-Mails der Petraeus-Geliebten Paula Broadwell setzte sie im Mai die Untersuchung in Gang, die letztlich zum Rücktritt von Petraeus führte. Sie schaltete einen befreundeten FBI-Agenten ein, der der Chirurgen-Gattin und Mutter dreier Kinder schon einmal Fotos mit nacktem Oberkörper schickte und selbst dann nicht von der „Schnüffelei" abließ, als ihn die FBI-Oberen aufforderten, die Finger von den Untersuchungen zu lassen. Besorgt über ein Vertuschungsmanöver im Wahlkampf-Finish, benachrichtigte der engagierte republikanische Parteigänger Ende Oktober schließlich Kongressabgeordnete - womit die privaten Ermittlungen gegen den CIA-Chefs vollends zum Politikum wurden. Hatte David Petraeus anfangs noch erwogen, die Affäre „auszusitzen", war dies ausgeschlossen, als das Gerücht in Washington die Runde machte.

„Pitbull" Holly

Als Freundin der Petraeus-Familie in Florida weckte Jill Kelley die Eifersucht Broadwells. Als „Ehrenbotschafterin" und Party-Organisatorin genoss die Brünette mit dem Faible für Minikleider unbeschränkt Zugang zur Militärbasis MacGill in Tampa - dem Hauptquartier des Centcom, der Kommandozentrale der US-Truppen im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika. Vor seiner Bestellung zum Afghanistan-Oberbefehlshaber und CIA-Chef führte David Petraeus hier das Kommando, und als sein Stellvertreter agierte John Allen.

Petraeus sei am Boden zerstört, seine Frau, Holly, mehr als wütend, sagte der ehemalige Petraeus-Sprecher Steven Boylan. Bei einer Ehrung würdigte Petraeus seine Frau, Holly, die 24 Umzüge in 37 Jahren organisiert hatte: „Sie ist klug, nett, klein und ein Pitbull - und jeder muss froh sein, sie in seiner Ecke zu haben." In Broadwells Haus in einem feinen Vorort von Charlotte (North Carolina) führte das FBI derweil in der Nacht auf Dienstag eine Hausdurchsuchung durch.

Das Drama nahm am 13. Juli seinen Ausgang. In einem anonymen Brief suchte Scott Broadwell mit seinen Eheproblemen Rat bei Chuck Klosterman, dem Ethik-Kolumnisten des „New York Times Magazine". Seine Frau habe eine Affäre mit einem hochrangigen Geheimdienstmann mit weltweitem Ansehen. Klosterman antwortete, ob er wolle, dass alles an die Öffentlichkeit gerate.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2012)

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