USA. Ex-CIA-Chef bekräftigt, keine Staatsgeheimnisse an seine Geliebte Paula Broadwell verraten zu haben. Seine Aussage drehte sich vor allem um die „Bengasi-Affäre“.
Washington. Beinahe wie ein Dieb stahl sich der ehemalige, in Unehren zurückgetretene Geheimdienstchef frühmorgens ins Kapitol. Unbemerkt von der Horde von Fotografen und Kameraleuten, die ihm um halb acht früh vor dem unterirdischen, abhörsicheren Saal des Untersuchungsausschusses des Kongresses auflauerten, begleitet nur von einem Kongressmitarbeiter, tauchte Ex-CIA-Chef David Petraeus zur Aussage vor den parlamentarischen Geheimdienstgremien auf.
Vor 15 Monaten hatte der Senat den hochdekorierten Vier-Sterne-General mit einem Votum von 94 Stimmen einhellig als Chef des US-Auslandsgeheimdienstes bestätigt – eine rare Demonstration der Einheit. Am Freitag sagte Petraeus nun hintereinander vor den Geheimdienstausschüssen beider Parlamentskammern aus, dem des Senats und des Repräsentantenhauses.
Routineermittlungen gegen Petraeus
Wie es dem konspirativen Charakter entspricht, fanden die Sitzungen in der geheimniskrämerischen Aura der Verschwiegenheit statt. Doch es wäre nicht Washington, wären nicht umgehend die Neuigkeiten aus dem Saal gesickert. Zudem stellten sich hinterher die Abgeordneten beider Parteien bereitwillig den Reporterfragen.
Im Vordergrund stand nicht so sehr die Affäre mit der Biografin Paula Broadwell, die ein peinliches Beziehungsgeflecht samt einem pikanten Eifersuchtsdrama um zwei hochrangige Militärs enthüllte. Die Causa scheint vorerst abgeschlossen. Die CIA leitete routinemäßig Ermittlungen gegen Petraeus ein, Verteidigungsminister Leon Panetta ordnete eine Untersuchung über das Ethos von Spitzenmilitärs an. Doch Petraeus bekräftigte, er habe keine Staatsgeheimnisse an Broadwell verraten.
Die Autorin und Geliebte wusste indes um die Details seiner Reisepläne Bescheid. In einem E-Mail im Mai warnte die Reserveoffizierin Broadwell überdies John Allen, den Befehlshaber der Isaf-Truppen in Afghanistan, vor einem Treffen mit Jill Kelley in Washington – ein Mail, das die Staatsaffäre überhaupt erst auslöste. Und bei einem Vortrag in Denver gab Broadwell im Oktober verschwörerisch vermeintliches Indsiderwissen um den Angriff gegen das US-Konsulat in Bengasi preis. Die Extremisten hätten das Konsulat gestürmt, um gefangene Milizionäre zu befreien – eine Version, die die CIA umgehend dementierte.
Am Donnerstag schilderten der interimistische CIA-Direktor Michael Morell sowie Geheimdienst-Koordinator James Clapper vor dem Ausschuss ihre Sicht der Dinge, im Dezember will Außenministerin Hillary Clinton in der „Bengasi-Affäre“ in den Zeugenstand treten. Nach seinem Rücktritt war Petraeus von seinen Pflichten entbunden, als „Ehrenmann“ erschien er indes freiwillig zur Aussage. Noch Ende Oktober hatte er Libyen besucht, und am Freitag wollte er zumindest einen Rest seiner Reputation retten.
Als CIA-Chef hatte Petraeus gleich den Verdacht gehegt, dass eine Terrorgruppe hinter dem Attentat am elften September steckte, das den Tod von Botschafter Chris Stephens und dreier CIA-Mitarbeiter zur Folge hatte. Später schwächte er seine Vermutung jedoch ab, als er in Washington vor führenden Regierungsmitgliedern über die Ermittlungen referierte.
Um den Wissensstand der US-Regierung ist noch im Wahlkampf eine scharfe Kontroverse entbrannt. „Entweder handelt es sich um eine kolossale Inkompetenz oder ein groß angelegtes Vertuschungsmanöver“, kritisierte der republikanische Senator John McCain. Der frühere Präsidentschaftskandidat und Vietnam-Veteran, ein Kriegsheld und Außenpolitik-Experte, kleidete seine Skepsis in die rhetorische Frage: „Wer kommt zu einer Demonstration schon mit Granatenwerfern und schweren Waffen?“
Ausschuss wie zu Watergate-Zeiten
McCain bezog sich damit auf die Argumentation des Weißen Hauses – namentlich insbesondere der UN-Botschafterin Susan Rice. Sie waren zunächst von einer spontanen Protestkundgebung infolge des Mohammed-Videos wie etwa in Kairo ausgegangen, erst nach mehr als einer Woche revidierten die CIA und die Obama-Regierung ihre offizielle Position und gestanden einen terroristischen Hintergrund ein. Wie andere Republikaner wittert John McCain eine Verschwörung aufseiten der Regierung. Er fordert deshalb einen Ausschuss wie zu Zeiten des Watergate-Skandals. Mit seinen Vorwürfen gegen die potenzielle neue Außenministerin Rice provozierte er Barack Obama zu einer heftigen Replik.
Auf einen Blick
Ex-CIA-Chef David Petraeus stand am Freitag den Geheimdienstausschüssen des Repräsentantenhauses und des Senats Rede und Antwort. Die Fragen der Abgeordneten in den nicht öffentlich zugänglichen Hearings drehten sich weniger um die Affäre mit seiner Biografin Paula Broadwell, sondern vielmehr um seinen Wissensstand in der „Bengasi-Affäre“. Die Republikaner glauben, dass die Obama-Regierung die Hintergründe des Angriffs auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi am 11. September vertuschen wollte. Diese negierte im Wahlkampf anfangs einen terroristischen Hintergrund. [Reuters]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2012)