Israels neue diplomatische Gegenfront

Israels neue diplomatische Gegenfront
Israels neue diplomatische Gegenfront(c) REUTERS (ASMAA WAGUIH)
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Im Gaza-Konflikt warten selbstbewusste Regionalmächte wie Ägypten und die Türkei nicht mehr auf diplomatische Missionen des Westens. Sie wollen selbst Vermittler sein.

Kairo. Die Bilder heute aus Gaza mögen die gleichen wie beim Gaza-Krieg vor vier Jahren sein, doch anders als damals weht Israel heute ein heftiger regionaler Wind entgegen, der auch ein neues Selbstbewusstsein der Regionalmächte zeigt. Das zeigt sich nicht nur in der neuen arabischen Reisediplomatie, die nicht davor zurückscheut, dem Gazastreifen unter Beschuss Visiten abzustatten: Den Anfang machte der ägyptische Premier Hisham Kandil, gefolgt am Samstag vom tunesischen Außenminister Rafik Abdessalem, der ein weiteres Zeichen arabischer Einmischung setzte. „Die Israelis müssen begreifen, dass sich die arabische Welt verändert hat. Sie haben keine völlig freie Hand, sie sind nicht unangreifbar und stehen nicht über internationalem Recht“, erklärte er auf den Trümmern des bei einem Luftangriff zerstörten Amtssitzes von Hamas-Premier Ismail Hanijeh. Als nächstes wird eine Delegation der Arabischen Liga, angeführt von deren Chef, dem Ägypter Nabil El-Arabi, erwartet. Beschwerten sich die Einwohner Gazas vor vier Jahren noch, von ihren arabischen Brüdern im Stich gelassen worden zu sein, geben sich arabische Premiers, Außenminister und Ligachefs in Gaza jetzt die Klinke in die Hand.

Die Botschaft geht auch an Europa und die USA, nach dem Motto: „Wenn ihr ein neues Kapitel mit der neuen, sich wandelnden arabischen Welt aufschlagen wollt, dann reicht euer Bekenntnis zur legitimen Selbstverteidigung Israels mit der Bitte, nicht zu viele Zivilisten zu töten, in dem neusten Waffengang nicht mehr aus.“

Der diplomatischen Gegenfront, die sich in Kairo formiert, ist auch der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan beigetreten, der am vergangenen Samstag für einen Kurzbesuch nach Kairo kam. „Netanjahu nutzt das Schweigen der Welt, seine Verbrechen zu begehen“, erklärte er unmissverständlich in der Kairoer Universität. „Israel verwandelt die Region in einen Sumpf aus Blut. Ägypten und die Türkei werden das nicht akzeptieren“, sagte er.

Für Israel verschieben sich die regionalen Gewichte derzeit rasant zu seinen Ungunsten. Hatte sich vor vier Jahren nur Ankara aktiv für ein Ende der Gaza-Blockade und des Gaza-Krieges eingesetzt, hat sich nun die zweite Regionalmacht Ägypten dazugesellt.

Beide wollen keine Eskalation und setzen sich für einen Waffenstillstand ein. Hamas-Chef Khaled Maschaal und der Chef des palästinensischen islamischen Jihad trafen in Kairo mit Vertretern des ägyptischen Geheimdienstes zusammen, der schon zuvor einen Waffenstillstand zwischen Hamas und Israel vermittelt hatte. Dann traf sich die Gruppe mit dem Emir von Katar und dem türkischen Premier. Man wolle einen langfristigen Waffenstillstand aushandeln, heißt es. Der soll nicht nur einen Stopp der israelischen Angriffe auf Gaza und der palästinensischen Raketen in Richtung Israel beinhalten, sondern auch eine Öffnung des von der Außenwelt abgeschnittenen Streifens.

Neues Kräfteverhältnis

Neu ist: Die Region blickt nicht mehr untätig in Richtung USA und Europa und wartet auf eine diplomatische Intervention. Der Konflikt ist die Geburtsstunde einer neuen regionalen Diplomatie. Hier verschieben sich nicht nur die Gewichte zwischen Israel und den Regionalmächten, auch das Verhältnis zwischen einer selbstbewussteren Region auf der einen und Europa und den USA auf der anderen Seite wird gerade neu konfiguriert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2012)

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