Leila Shahid, palästinensische Botschafterin bei der EU, glaubt an neue Verhandlungen nach der Waffenruhe. Auch die Hamas sei bereit für Frieden.
Die Presse: Kann sich aus der Waffenruhe zwischen Israel und Hamas eine neue positive Dynamik ergeben?
Leila Shahid: Auf jeden Fall. Die geopolitische Lage hat sich durch den Arabischen Frühling verändert. Nur deshalb war es möglich, nach einer Woche eine Waffenruhe zu erreichen. Anders als sein Vorgänger Mubarak kann Ägyptens Präsident Mursi nicht gleichgültig gegenüber Gaza erscheinen.
US-Präsident Obama ist offenbar auch zurück im Spiel.
Allein hätte es Mursi nicht geschafft. Es ist kein Zufall, dass US-Außenministerin Clinton ihren Asien-Trip abgebrochen und die Waffenruhe verkündet hat. Die USA haben Netanjahu gesagt, dass er nicht mit dem Feuer spielen soll.
Ist Friede möglich mit der Hamas?
Ich bin kein Hamas-Fan, teile ihre islamistische Ideologie nicht. Doch die Hamas ist intelligent. Sie will wie Ägyptens Moslembruderschaft Teil des politischen Prozesses sein.
Wie können Sie das wissen?
Weil ich sie kenne. Die Hamas-Leute sind keine Schimpansen. Sie wären bereit, aber ich glaube nicht, dass Netanjahu bereit ist. Netanjahu ließ Militärchef Jabari töten.
Davor hatten Raketenangriffe auf Israel deutlich zugenommen.
Ja, aber wer hat die Waffenruhe in den vergangenen vier Jahren garantiert? Wer hat die Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Shalit organisiert? Jabari.
Und warum hat die Hamas das Ventil für Raketenangriffe wieder geöffnet?
Das war der Islamische Jihad. Diese Raketen kann man in Badezimmern herstellen.
Aber es flogen hunderte Raketen auf Israel, bevor Israel zurückschlug.
Unser Land ist besetzt, Gaza dazu noch belagert. Waren Sie schon belagert? Sie würden Atombomben werfen, nicht Raketen.
Befürchten Sie nicht, dass Ihr Präsident Abbas an den Rand gedrängt wird?
Abbas ist überzeugt von Gewaltlosigkeit. Wer keine Rückkehr zum Terror will, muss in der UNO für einen palästinensischen Staat stimmen. Abbas' Fatah kann wieder stärker werden, wenn sie Erfolge in Verhandlungen erzielt.
Glauben Sie an die Zweistaatenlösung?
Ja, die Palästinenser wollen nicht in einem binationalen Staat leben.
Und glaubt Hamas daran?
Natürlich. Hamas-Chef Meschaal hat es oft gesagt. Fatah war vor 20 Jahren so radikal wie Hamas.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2012)