Abschied von der "Enterprise"

Abschied Enterprise
Abschied Enterprise(c) REUTERS (HANDOUT)
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Der erste Nuklearflugzeugträger wird nach 51 Jahren ausgemustert. Eine Reise in die Vergangenheit und "Zukunft" der "Enterprise".

Der Unfall vom Jänner 1969
Der Unfall vom Jänner 1969Naval-Archive

Am Morgen des 14. Jänner 1969 zerreißen schwere Explosionen die Stille über dem Meer vor der Hawaii-Insel Oahu. Fette schwarze Rauchwolken steigen in den dunstigen graublauen Himmel. Auf dem Deck eines gewaltigen grauen Schiffes brennt es lichterloh. Es ist ein Flugzeugträger, auf ihm explodieren Bomben und Raketen und zerreißen Männer und Flugzeuge. Es ist wie im Krieg, dem Schiff droht der Untergang. Doch der Träger überlebt schwer beschädigt. Er heißt „Enterprise".


25 Besatzungsmitglieder kamen damals um. Düsenabgase eines startenden Flugzeugs hatten eine Luft-Boden-Rakete an einem parkenden Jet zur Explosion gebracht, worauf weitere Bomben und Flieger an Deck hochgingen. Die USS Enterprise wurde repariert. Doch nun ist es endgültig vorbei mit jenem Schiff, das den berühmtesten aller Schiffsnamen trägt, bei dessen Nennung sogar bei seemännischen Laien irgendetwas anklingt: Der atombetriebene Flugzeugträger, das älteste aktive Schiff der US-Marine und das längste Kriegsschiff der Welt, wird am Samstagnachmittag im Marinehafen von Norfolk (Virginia) nach 51 Jahren feierlich außer Dienst gestellt.

Mehr als 15.000 Menschen werden erwartet, man hat alle ehemaligen Crewmitglieder eingeladen. US-Präsident Barack Obama könnte vorbeischauen. Und noch jemand hat sich angekündigt: Captain James Tiberius Kirk, gemäß der „offiziellen" Dramaturgie der Science-Fiction-Saga „Star Trek" Commander des Raumschiffs „Enterprise" auf dessen historischer Fünfjahresmission von 2264 bis 2269.

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Die "Enterprise" von Captain Kirk anno 2264 bis 2269(c) Paramount

Okay, Kirk kommt natürlich in Form seines gegenwärtigen Darstellers, William Shatner. Der in Kanada geborene Schauspieler ist auch schon 81 und soll, so orakelte sein Agent, eine „kurze Ansprache" bei der Abschiedszeremonie halten. Gut möglich, dass es dabei nicht nur dem letzten Commander der jetzigen Enterprise, Captain William C. Hamilton, Jr., einem ausgebildeten Marinepiloten aus Alabama, eine Gänsehaut aufzieht.


Das 342 Meter lange Schiff mit seiner Verdrängung von rund 95.000 Tonnen und insgesamt rund 5500 Besatzungsmitgliedern und Flugpersonal kam Anfang November von seiner letzten Mission im Persischen Golf und Indischen Ozean zurück Es soll einige Monate zum Aufräumen in Norfolk bleiben und wird vermutlich im März von der Marineliste gestrichen, also ausgemustert. Danach wird es in eine Werft ins nahe Newport News überstellt, wo es in einem etwa vier Jahre währenden Prozess deaktiviert wird: Man leert alle Tanks, entfernt Schadstoffe, baut die acht (!) Kernreaktoren ab und schlachtet es weitgehend aus.

Danach schleppt man die Enterprise, die praktisch eine leere Hülle sein wird, nach Puget Sound, einen Schiffsfriedhof an der Pazifikküste im US-Staat Washington. Es gibt Pläne, zumindest die „Insel", so nennt man den großen Brückenturm auf dem Deck eines Trägers, irgendwo zu Museumszwecken auszustellen.


Als die Enterprise (offiziell: CVN-65, das steht für „Carrier Vessel Nuclear") im November 1961 nach dreieinhalb Jahren Bauzeit in Dienst gestellt wurde, war sie der erste nuklearbetriebene Träger. Heute haben die USA noch zehn Nuklear-Träger der „Nimitz"-Klasse, benannt nach Chester W. Nimitz (1885-1966), Oberbefehlshaber der US-Pazifikflotte im Zweiten Weltkrieg.

Die Entwicklung von Atomantrieben für Schiffe hatte in den USA in den 1940ern begonnen und wurde zuerst an U-Booten angewandt, beginnend 1954 mit der „Nautilus". Das erste atombetriebene Überwasserschiff war 1957 der sowjetische Eisbrecher „Lenin", 1961 folgten mit dem Raketenkreuzer „Long Beach" und eben der Enterprise die ersten Atom-Überwasserkriegsschiffe.

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Die "Enterprise" heute(c) US-Navy

Eigentlich hätte es sechs Schiffe der Enterprise-Klasse geben sollen, doch die Baukosten waren am Ende so hoch, dass man es bei einem beließ und den nächsten paar Trägern (etwa die „John F. Kennedy") vorerst wieder konventionelle Öl-Antriebe verpasste. Die Baukosten hatten etwa 450 Millionen Dollar betragen, unter Rücksicht auf die Inflation wären das heute 3,4 Milliarden Dollar.

Immerhin stattete man die Enterprise ja auch mit besagten gleich acht Reaktoren von Westinghouse aus (die Nimitz-Klasse hat zwei pro Schiff); die verliehen ihr bei 280.000 PS eine für so große Gefährte unerhörte Geschwindigkeit von 33,6 Knoten (etwa 62 km/h) bei praktisch unbegrenzter Reichweite, zuletzt etwa 800.000 Seemeilen bzw. rund 15 Jahre Laufzeit mit einer Füllung. Sie war so schnell, dass sie mitunter ihren Begleitschiffen (Kreuzer, Zerstörer) davonfahren konnte und deshalb auch „None Faster" (Keiner ist schneller) als Schiffs-Motto hat.

Mit ihren 80 bis 110 Flugzeugen und einigen Hubschraubern an Bord (Bild links) sah sie die ganze Welt und viele Konflikte. Schon Oktober 1962 kam sie während der Kubakrise zum Einsatz, als die US-Navy einen Sperrgürtel um die kommunistische Insel legte. 1963/64 formte sie mit der „Long Beach" und dem Zerstörer „Bainbridge" die erste gänzlich nukleargetriebene Kampfgruppe und umrundete die Welt. 1965 bis 1975 nahm sie meist bei Operationen vor Vietnam teil, zahllose Lufteinsätze wurden von ihr gegen Ziele dort geflogen. Als im April 1975 nordvietnamesische Truppen die Hauptstadt Südvietnams, Saigon, stürmten, nahmen Hubschrauber der Enterprise bei der spektakulären Evakuierungsaktion der US-Botschaft teil.

Die Nuklearschiffe
Die Nuklearschiffe "Enterprise", "Long Beach" und "Bainbridge" 1964; die aus Seeleuten gebildete Einsteinformel soll auf den Atomantrieb hinweisen(c) US-Navy
Größenvergleich
Größenvergleich(c) Grafik

Es folgten ruhige Jahre hauptsächlich im Pazifik, April 1986 passierte sie als erster Atom-Träger den Suezkanal und nahm an den Bombenangriffen auf Ziele in Libyen teil, mit denen sich die USA für Anschläge libyscher Terroristen in Deutschland rächten. April 1988 versenkten Bomber der Enterprise im Persischen Golf mehrere iranische Kriegsschiffe, als es wegen der Verminung des Golfs durch den Iran zu einer See-/Luftschlacht gekommen war.
In den 1990ern folgten Einsätze in der Adria zur Kontrolle der Flugverbotszonen über Bosnien während des Bürgerkriegs und Einsätze über dem Irak, und nach dem 11. September 2001 war die Enterprise eines der ersten Schiffe im Indischen Ozean, von dem aus der Krieg gegen das Talibanregime in Afghanistan geführt wurde, auch in den Folgejahren war diese Meeresregion sowie der Persische Golf das Hauptoperationsgebiet der bereits angejahrten Enterprise.

Als im April 2008 in Newport News eine Generalüberholung begann, zeigte sich, dass sie sehr teuer werden würde - am Ende waren es mehr als 660 Millionen Dollar, 42 Prozent mehr als veranschlagt. Das leitete ihr Ende ein, man beschloss, sie bis 2013 auszumustern. Bis sie dann Anfang November von ihrer letzten Fahrt zurückkam, hatte sie etwa noch an Aktionen gegen somalische Piraten sowie der internationalen Intervention im libyschen Bürgerkrieg 2011 teilgenommen.

Bei all diesen Einsätzen war sie im Grunde nie in Gefahr. Einem deutschen U-Boot indes war es laut offiziell nie bestätigten Berichten deutscher Medien aus dem Jahr 2007 einmal gelungen, sie „virtuell" zu versenken: Das Boot der Klasse 206 habe bei Manövern in der Karibik die Zerstörer-Eskorte der Enterprise unbemerkt durchbrochen und einen simulierten Torpedofächer auf den Träger abgefeuert; im Internet kursiert ein Foto, das angeblich durchs Periskop des U-Boots gemacht wurde.

Vieles an der Enterprise war mit Besonderem behaftet. Wie gesagt, sie war mit 342 Metern bei maximal 78 Meter Breite das längste Kriegsschiff, aber nicht das größte: Die Nimitz-Träger sind etwas kürzer, haben aber höhere Verdrängungswerte (100.000 bis 105.000 Tonnen gegenüber 95.000).


Manche Zivilschiffe sind freilich viel größer, etwa die Containerfrachter der dänischen Emma-Mærsk-Klasse (219.000 Tonnen bei 397 Meter Länge. Und gegen den 1979 in Japan gebauten Supertanker „Seawise Giant" war selbst die Enterprise fast ein Beiboot: Der Tanker, das größte Schiff der Geschichte, war 458 Meter lang und verdrängte bis zu 657.000 Tonnen; allerdings erwies sich diese Größe als derart unpraktisch, dass er 2010 verschrottet wurde. Historische Schlachtschiffe wie die japanische „Yamato" aus dem Zweiten Weltkrieg oder die deutsche „Bismarck" verdrängten 73.000 bzw. 53.300 Tonnen. Moderne US-Zerstörer wie jene der „Arleigh-Burke"-Klasse verdrängen etwa 8000 bis 10.000 Tonnen, soviel zum Größenvergleich.

US-Flotte vor dem Majuro-Atoll, 1944; ganz rechts die
US-Flotte vor dem Majuro-Atoll, 1944; ganz rechts die "Enterprise"


Die Enterprise war das achte Schiff der US-Marine mit diesem Namen, der mehrere Bedeutungen hat (etwa „Unternehmen"), in diesen Fällen aber als „Kühnheit" verstanden wird. Ihr direkter Vorgänger war ein Träger der „Yorktown"-Klasse, der im Zweiten Weltkrieg im Pazifik war und unter anderem bei der Schlacht von Midway (Juni 1942) und in der Philippinensee (Juni 1944) teilnahm; beim japanischen Angriff auf Pearl Harbour im Dezember 1941 war die Enterprise unentdeckt in der Nähe und startete Jäger. Sie wurde zum höchstdekorierten US-Kriegsschiff des Krieges und 1947 ausgemustert.

- Nahtreffer an der
- Nahtreffer an der "Enterprise" während der Schlacht bei den Santa-Cruz-Inseln, Südpazifik, Oktober 1942 US-Navy


Eine frühere Enterprise war ein Schoner mit zwölf Kanonen, der 1801 bis 1815 in den Militäraktionen der jungen USA gegen die „Barbareskenstaaten" teilnahm: Das waren islamische Fürstentümer im heutigen Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen, die den Seehandel durch Piraterie bedrohten; im August 1801 beschoss die Enterprise etwa Tripolis. Und das erste US-Kriegsschiff dieses Namens war eine Schaluppe mit Kanonen, die 1775-77 im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gegen Großbritannien auf dem Lake Champlain an der Grenze zwischen den Staaten New York und Vermont sowie Quebec in Kanada im Einsatz war. Die Amerikaner hatten sie freilich unter dem Namen „George" von den Briten erbeutet und umgetauft, im Juli 1777 mussten sie sie verbrennen, um ihre Rückereroberung zu verhindern.

Die erste
Die erste "Enterprise" der USA, 1775National Archives


Auch in der britischen Royal Navy gab und gibt es Schiffe namens Enterprise, sogar 15 Stück - darunter einen leichten Kreuzer (1919-46) und ein noch aktives, nur leicht bewaffnetes Forschungsschiff. Lustigerweise waren es indes just die Franzosen, die für diese legendäre Namenstradition im Grunde verantwortlich waren: Anfang des 18. Jahrhunderts gab es eine 80 Meter lange Fregatte mit 24 Kanonen, die „L'Entreprise" hieß; die Briten brachten sie im Mai 1705 im Mittelmeer auf und übernahmen einfach den Namen. Im Oktober 1707 lief sie auf ein Riff und sank.

In die Populärkultur fand die Enterprise ebenfalls Einzug, etwa in den Filmen „Top Gun" und „Jagd auf Roter Oktober", vor allem aber in den TV-Serien und Filmen von „Star Trek". Deren Schöpfer, der Amerikaner Gene Roddenberry (1921-1991), hatte 1964 als Namen für das Flaggschiff der künftigen „Vereinten Föderation der Planeten" eigentlich „Yorktown" geplant. Als die Serie 1966 in den USA anlief, hieß es plötzlich Enterprise, wohl, weil der Flugzeugträger eben so neu und berühmt war.

Im Kinofilm „Star Trek IV" von 1986, bei dem die Enterprise-Crew um Captain Kirk, Spock & Co. an Bord eines gekaperten klingonischen Raumschiffs (Bird of Prey) per Zeitreise ins Jahr 1986 fliegt, spielen mehrere Szenen an Bord der Enterprise: Die Zeitreisenden müssen nämlich deren Atomantrieb „anzapfen", um das Klingonenschinakel wieder flottzukriegen. Die Szenen wurden allerdings auf einem anderen Träger, der „Ranger", gedreht, weil die Enterprise im Mittelmeer war.

Größenvergleich zwischen den realen
Größenvergleich zwischen den realen "Enterprise"-Trägern, dem Shuttle und den "Enterprises" der Star-Trek-Zukunft
Die
Die "Enterprise" im Vergleich mit der französischen Charles de Gaulle(c) US-Navy


Die Verbindung zwischen dem Träger von heute und dem Raumschiff von morgen (auch ein Testmodell des Space Shuttles trug den Namen Enterprise) gehen bis ins Bizarre: Im April 1983 war George Takei (*1937) auf Besuch an Bord der Enterprise, er spielte den japanischstämmigen Navigator Hikaru Sulu an Bord des Raumschiffs Enterprise. Und was passiert? Der reale Navigator des Flugzeugträgers rammt das Schiff auf eine Sandbank. Es brauchte einige Zeit, um von dort wieder loszukommen.


Neben den USA besitzt derzeit nur Frankreich mit der „Charles de Gaulle" einen großen Atomflugzeugträger, aber auch der ist mit 42.000 Tonnen Verdrängung und 28 bis 40 Fluggeräten kaum halb so groß wie die Enterprise. Die US-Navy hat noch neun kleinere Träger; vergleichbare Kleinträger bzw. amphibische Angriffsschiffe mit vorwiegend Hubschraubern betreiben noch Frankreich (drei), Großbritannien, Italien und Spanien (je zwei), Russland, Brasilien, Indien, Südkorea, China und Thailand (je eines). Aber keines davon heißt Enterprise.

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