USA: UN-Botschafterin Rice als Bauernopfer?

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Republikaner haben sich auf die Obama-Favoritin und potenzielle Außenministerin Susan Rice eingeschossen. Im Verhandlungspoker zur Sparpolitik setzt Obama die Grand Old Party unter Druck.

Washington. Aus Susan Rice sprach der Frust, als sie den Siegern der Abstimmung die knallharte Wahrheit ins Gesicht schleuderte: „Wenn die Palästinenser morgen aufwachen, werden sie feststellen, dass sich für sie wenig verändert haben wird.“ Beim Votum über den Mitgliedstatus der Palästinenser bei den Vereinten Nationen hatten die UN-Botschafterin und mit ihr die USA eine blamable Niederlage erlitten.

Für Susan Rice endete die Woche im UN-Hauptquartier in New York so unerquicklich, wie sie in Washington begonnen hatte. Als Barack Obamas deklarierte Favoritin für die Nachfolge Hillary Clintons im Außenministerium trat sie den Canossa-Gang zum Kapitol an. Der Versuch schlug fehl: Die Zweifel an ihrer Qualifikation wuchsen nicht nur bei den außenpolitischen republikanischen Hardlinern John McCain und Lindsey Graham, die im Tandem als Don Quijote und Sancho Pansa durch die Welt und Washington ziehen, sondern auch bei der moderaten Senatorin Susan Collins.

Karrierediplomatin zwischen Parteifronten

Die Karrierediplomatin Rice hatte sich den geballten Unmut der Republikaner zugezogen, als sie wenige Tage nach dem Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi in Libyen am 11. September, dem Jahrestag des 9/11-Terrors, in fünf TV-Politshows die Linie der Obama-Regierung mit Feuereifer verteidigte. Indem sie sich auf CIA-Quellen stützte, negierte sie einen terroristischen Hintergrund und sprach stattdessen von spontanen Protestkundgebungen gegen das Mohammed-Video. Erst nach zehn Tagen revidierte das Weiße Haus seine Position.

„Wer kommt zu Demonstrationen mit Granatwerfern und schweren Waffen?“, argwöhnte McCain. Die Republikaner wittern hinter dem konzertierten TV-Auftritt von Rice eine Verschleierungstaktik auf dem Höhepunkt des Wahlkampfs, die Demokraten dagegen ein Machtspiel. Die Attacken gegen Rice, die quasi als Bauernopfer zwischen die Parteifronten geriet, erzürnten den Präsidenten. „Die Senatoren McCain und Graham sollten sich nicht mit Susan Rice anlegen, sondern mit mir“, empörte sich Barack Obama in der ersten Pressekonferenz nach seiner Wiederwahl. „Sie werden ein Problem mit mir bekommen.“ In der ersten Kabinettssitzung am Mittwoch pries er Rice als „außergewöhnlich“, und die Ministerrunde fiel in Ovationen für ihre Kabinettskollegin ein.

Die 48-jährige Absolventin der Elite-Universitäten Stanford und Oxford, die in der Ära Bill Clintons als Protegé der Ministerin Madeleine Albright die Afrika-Abteilung des Außenministeriums geleitet hatte, schwor sich, einen Genozid wie 1994 in Ruanda nie mehr zu dulden. Angesichts des Syrien-Kriegs und des Patts im UN-Sicherheitsrats steckt sie jetzt in einem ähnlichen moralischen Schlamassel. In der UN-Zentrale am New Yorker East River ist die beinharte Diplomatin als „Bulldozer“ verschrien, bekannt für ihre derben Flüche und ihre Ellbogentechnik. Sie agiere wie eine Schuldirektorin, monierte ein Sicherheitsratskollege. „Wir sind nicht die 14 Zwerge, und sie ist nicht Schneewittchen“, sagte Gerard Araud, der französische UN-Botschafter, in Anspielung auf das 15-köpfige Gremium.

John Kerry als Kompromisskandidat

Obendrein enthüllte die „Washington Post“ zuletzt noch, dass Rice und ihr Mann im Besitz namhafter Aktien von Energieunternehmen wie der kanadischen Keystone-Pipeline seien. Dies könnte einen Interessenkonflikt implizieren, weil das US-Außenamt im Frühjahr womöglich die Entscheidung über den Baustopp der Keystone XL-Pipeline zwischen Kanada und den USA revidiert. Die Republikaner, die im Senat über eine Sperrminorität verfügen, favorisieren ganz offen John Kerry als Kandidaten für den Prestigejob im State Department. Der ehemalige demokratische Präsidentschaftskandidat genießt als Vorsitzender des außenpolitischen Senatsausschusses auch bei seinen Kollegen McCain & Co. hohes Ansehen.

Die Frage ist nun, ob es Obama auf eine zweite Machtprobe mit den Republikanern ankommen lassen will. Denn im Budget- und Steuerstreit tobt der Konflikt schon längst. Am Donnerstag unterbreitete Finanzminister Timothy Geithner als Unterhändler der Regierung den Republikanern den ersten Vorschlag im Verhandlungspoker, der den Senatsführer Mitch McConnell dem Vernehmen nach höhnisch auflachen ließ. Steuererhöhungen von 1,6 Billionen Dollar für einen Zeitraum von zehn Jahren stehen Kürzungen beim Gesundheitsprogramm Medicare von 400 Mrd. Dollar gegenüber – bei zusätzlichen Ausgaben für ein Infrastrukturprogramm von 50 Mrd. Dollar. Ende des Jahres droht die sogenannte „Finanzklippe“, ein Rückfall in die Rezession: Das Ende der Steuererleichterungen aus der Ära George W. Bush fällt mit automatischen Budgetkürzungen zusammen. Der Wahlkampf ist prolongiert: In Kundgebungen übt Obama Druck auf die Grand Old Party aus.

Der Lunch des Präsidenten mit seinem Ex-Rivalen Mitt Romney im Weißen Haus, eine symbolische Versöhnungsgeste, war dagegen noch eine leichte Übung. Auf dem Menü standen Truthahn-Chili und Hühnersalat, und zum Abschied gab es noch ein gemeinsames Foto im Oval Office.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2012)

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