Der neuen schwedischen Berufsarmee fehlen die Soldaten

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Die Regierung in Stockholm versucht mit neuen finanziellen Anreizen, die lichten Reihen der „Teilzeitsoldaten“ zu füllen.

Kopenhagen/Stockholm. Schweden tut sich offenbar schwer bei der Umsetzung seiner oft als Vorbild gepriesenen Militärreform. Die „Teilzeitsoldaten“, die nach der Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht das Rückgrat der Einsatztruppen bilden sollten, glänzen durch Abwesenheit. Auch die materiell hochmodern ausgerüsteten Luftwaffe- und Marineeinheiten sind wegen Personalmangels nur bedingt einsatzfähig.

Nach den Reformplänen soll der Grundstock des Militärs im Jahr 2018, wenn die Umwandlung voll durchgeführt ist, aus 6600 vertraglich gebundenen Berufssoldaten und 9500 Teilzeitsoldaten bestehen. Diese offiziell „zeitweilig diensthabende Soldaten“ genannte Gruppe ist das Kernstück der Umstrukturierung der früheren Wehrpflichtarmee. Dabei handelt es sich um Soldaten, die nach ihrer Grundausbildung in anderen Berufen tätig sind, aber sowohl zu Übungen wie auch zu längeren Einsätzen im In- und Ausland einberufen werden können. Nach den ursprünglichen Plänen sollten Ende dieses Jahres 4700 dieser Teilzeitsoldaten verpflichtet sein. Doch bisher hat man erst 873 gefunden, zeigt eine Aufstellung der Zeitung „Dagens Nyheter“.

Hingegen ist das Militär bei der Verpflichtung der Vollzeitsoldaten im Soll: 4144 der letztendlich 6600 benötigten Profis stehen unter Vertrag; allerdings liegt die Ausstiegsquote mit 19Prozent wesentlich höher als erwartet. Die Armee besteht daher zur Zeit aus einer großen Profitruppe und einem kleinen Teilzeitverband – ganz entgegen den Vorgaben. „Wir brauchen keine große, stehende Armee“, sagt der liberale Militärpolitiker Allan Widman, „wir bekommen eine effektivere Verteidigung mit vielen Teilzeitverpflichteten. Sie bringen auch die zivile Kompetenz mit ein, wie wir sie in der Zeit der Wehrpflicht hatten.“

Teure Werbekampagne

Doch selbst eine acht Millionen Euro teure Werbekampagne hat bisher wenig gefruchtet, weshalb die Mittel dafür im kommenden Jahr auf 20 Millionen aufgestockt werden sollen. Verteidigungsministerin Karin Enström verweist darauf, dass das Gesetz, das Arbeitgeber zur Freistellung der Teilzeitsoldaten verpflichtet, erst seit dem Sommer in Kraft ist. Außerdem ist die Regierung bereit, die Lohn-, Anstellungs- und Weiterbildungsbedingungen der zeitverpflichteten Soldaten zu überdenken, um den Job attraktiver zu machen. Auch bei Reserveoffizieren und Spezialisten herrscht Personalmangel, hingegen gibt es nach der Reform einen Überschuss an Zivilangestellten.

Auch Luftwaffe und Marine klagen über Unterbemannung. Die Hälfte der mit JAS-Gripen-Jägern bestückten Fliegereinheiten und eine Mehrzahl der Schiffe seien nicht unmittelbar einsatzbereit, heißt es in einem dieser Tage veröffentlichten Bericht des Rechnungshofs. Die Ursache: Jede vierte bis fünfte Stelle ist nicht besetzt. Nach den Ambitionen von Militärleitung und Regierung sollten die stehenden Flug- und Marineverbände der Akutverteidigung „teils unmittelbar, teils innerhalb weniger Tage“ einsetzbar sein. „Dies ist nicht der Fall“, kritisieren die Rechnungsprüfer, „den Verbänden fehlt die notwendige Bemannung.“ So bekommen nur zwei der vier JAS-Verbände ausreichend Flugstunden, und die Marinekorvetten sind nur 20 bis 30Prozent der Zeit auf See.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2012)

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