Netanjahu in Berlin: Ein Treffen von enttäuschten Freunden

Netanjahu in Berlin
Netanjahu in BerlinAP
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Israels Siedlungspolitik und die deutsche Enthaltung bei der UN-Abstimmung zu Palästina sorgen für Verstimmung auf beiden Seiten. Deutschland sitzt nun zwischen allen Stühlen.

Berlin/Gau. Schneegestöber ums Kanzleramt, frostige Temperaturen in Berlin. Auch drinnen, bei den alljährlichen Regierungskonsultationen zwischen Israel und Deutschland, herrscht eine unterkühlte Atmosphäre. Das zeigte sich gerüchteweise schon im Vorfeld: Die Telefonate zwischen Kanzlerin Merkel und Israels Premier Netanjahu, heißt es, werden im Ton immer lauter. Auf Beraterebene, schreiben israelische Zeitungen, schreie man sich sogar schon an.

Das Treffen der Regierungschefs am Vorabend dauerte weit länger als vorgesehen. Deutschland kritisiert, wie fast alle Welt, den geplanten Bau von bis zu 4600 Wohnungen in sensiblen Zonen von Ostjerusalem und dem Westjordanland. Der Beschluss ist eine Reaktion auf die Anerkennung eines Beobachterstatus für die Palästinenser durch die UNO. Israel hatte erwartet, dass der enge Partner Deutschland dagegen stimmen würde. Stattdessen enthielt man sich der Stimme. Die Aussprache Mittwochnacht blieb ohne Ergebnis: „Wir sind uns einig, uneinig zu sein“, lautet die Formel des Scheiterns am Donnerstag. Ergänzt um ein Eingeständnis Netanjahus: Es brauche wohl „mehr als eine Nacht“, um gemeinsames Verständnis zu schaffen.

Merkel zwischen allen Stühlen

Deutschland sitzt mit seiner besonderen historischen Verantwortung und seiner kritischen Treue zu Israel nun zwischen allen Stühlen. Frankreich, Großbritannien und auch die EU-Kommission gingen in ihrem Protest weiter und bestellen ihre israelischen Botschafter ein. Selbst das böse Wort Sanktionen schwebt zumindest im medialen Raum. Daran will Merkel aber gar nicht denken: „Ich bin nicht jemand, der droht.“ Stattdessen wiederholt sie ihr umstrittenes, auch von Bundespräsident Gauck relativiertes Credo, die Sicherheit Israels sei „Teil der deutschen Staatsräson“. So bleibt es bei Unverständnis unter Freunden, die sich langsam entfremden.

Denn auch Netanjahu zeigt sich enttäuscht: Die deutsche Enthaltung in New York habe den Friedensprozess „zurückgeworfen“. Über Deutschland hinaus empört sich Netanjahu in dem Interview, es gebe „in manchen Teilen Europas Bereitschaft, immer das Schlechteste über Israel anzunehmen (...). Die Leute glauben unfassbare Dinge über die Juden, und manche über den jüdischen Staat.“

Vom Besuch in Berlin hatte sich Netanjahu vor den Verstimmungen viel erwartet: Mit Bildern von einem herzlichen Handshake mit Merkel wollte er zeigen, dass er sein Land nicht international isoliert habe. So etwas macht sich zu Hause gut, sechs Wochen vor der Knesset-Wahl. Die Konsultationen unter den Ministern sollen eigentlich die Zusammenarbeit vertiefen, heuer bei Forschung, Technologie und Jugendaustausch.

Zumindest Letzterer funktioniert auch ohne Förderung ganz prächtig. Freilich nicht so, wie sich Israels Regierung das wünscht: Viele junge, gut ausgebildete Israelis kehren ihrem Land, das keinen Frieden findet, den Rücken. Eines der beliebtesten Ziele ist Deutschland, vor allem Berlin. Zumindest auf dieser Ebene bleibt die Freundschaft ungebrochen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2012)

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