Japan steuert zurück in die Zukunft

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Am Sonntag dürfte die oppositionelle LDP einen fulminanten Sieg erringen. Die regierenden „Demokraten“ haben die Hoffnungen auf einen Strukturwandel enttäuscht.

Tokio. Zurück in die Zukunft – das wollen offenbar die knapp 130 Millionen Japaner, weitermachen wie bisher wollen sie nicht. Aber genau das verspricht Premier Yoshihiko Noda vor der morgigen Parlamentswahl. Er wird auch in der Zielgeraden des Wahlkampfes nicht müde, seine Landsleute zu beschwören: „Ihr entscheidet, ob wir weitermachen können, oder ob Japan zurückkehrt zur alten Politik.“ Dabei ist die Entscheidung in den Köpfen der Wähler wahrscheinlich schon längst gefallen. In einer Art politischer Nostalgie sehnen sie sich nach der wirtschaftlich meist erfolgreicheren Herrschaft der Liberaldemokratischen Partei (LDP) zurück, die mehr als fünf Dekaden währte.

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Vergessen scheint, dass der alte Politadel bei der letzten Unterhauswahl verjagt wurde. Und niemand will sich mehr daran erinnern, dass deren heutiger Anführer Shinzo Abe 2007 als Partei- und Regierungschef über Nacht aufgab und sich mit akutem Durchfall ins Krankenhaus flüchtete. Erinnern wollen sich wohl auch die wenigsten daran, dass mit der LDP Milliarden für teils sinnlose Bauvorhaben verschwendet wurden, dass Korruption und Vetternwirtschaft Japan in die Krise gestürzt haben.

Drei Premiers verschlissen

Die Demokratische Partei (DPJ) muss schon eine Menge falsch gemacht haben, um jetzt abgestraft zu werden: Drei Ministerpräsidenten wurden in drei Jahren verschlissen. Die Hoffnung auf Strukturveränderungen, mit der die DPJ einst die Wähler verführte, ist Desillusion gewichen. „Diese Partei hat kaum etwas aus ihrem Programm verwirklicht, die Wähler fühlen sich hintergangen“, urteilt Politologe Minoru Morita.

Besonders übel nehmen die Japaner Premier Noda, dass er in einem Kuhhandel mit der Opposition die Mehrwertsteuer bis 2015 von derzeit fünf Prozent verdoppeln will. Das ergibt ökonomisch zwar Sinn, aber es stand nicht im Wahlprogramm. Es gibt nichts, was die Japaner übler nehmen, als den Bruch einer Vereinbarung. So sahen das auch Dutzende Parteifreunde und scherten aus der Fraktion aus. Mit jedem Tag schmolz die DPJ-Macht dahin und am Ende blieb nur noch die Flucht in vorgezogene Neuwahlen.

Die „Demokraten“ reklamieren dagegen, sie hätten auch besonders viel Pech gehabt: Sie kämpfen seit März 2011 mit den Folgen des schwersten Erdbebens in der Geschichte Japans und der Atomkatastrophe von Fukushima.

Bündnis mit Nationalisten?

Noch gehen die Meinungsumfragen über die Höhe des vermutlichen LDP-Sieges auseinander, weil 40 Prozent der Wähler bisher unentschieden sind. Es gibt sogar die Möglichkeit, dass Abe die absolute Mehrheit erringt. Die Nachrichtenagentur Kyodo rechnet für die LDP mit 295 von 480 Mandaten im Unterhaus. Für Nodas DPJ blieben dann bestenfalls 60 Sitze. Sollte es jedoch für die LDP nicht zur alleinigen Regierung reichen, muss sie den Nationalisten Shintaro Ishihara mit ins Boot nehmen. Dieser könnte in einer Koalition den als schwach geltenden Abe lenken. Ein solches Duo würde Japan scharf nach rechts steuern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2012)

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