Syrischer Vizepräsident: "Keine Seite kann gewinnen"

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Syrischer Vizepraesident Keine Seite(c) AP (BASSEM TELLAWI)
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Die syrische Regierung geht nicht mehr davon aus, den Bürgerkrieg im Land noch für sich entscheiden zu können. Es brauche eine "historische Regelung", sagt Vizepräsident Faruk al-Sharaa.

Es sind mehr als überraschende Worte, die der syrische Vizepräsident Faruk al-Sharaa am Sonntag aussprach. Die Situation im Land verschlechtere sich zunehmend, meinte er gegenüber der libanesischen Zeitung "Al-Achbar". Weder die Truppen von Staatschef Bashar al-Assad noch die Rebellen könnten in dem Konflikt siegen, meinte der Politiker. Mit jedem Tag, der verstreiche, "rücken die militärischen und politischen Lösungen weiter weg". 

Damit nahm erstmals ein Mitglied der syrischen Führung von dem Anspruch Abstand, den Bürgerkrieg noch zu gewinnen. Weiters betonte al-Sharaa: "Wir befinden uns nicht in einem Kampf, um das Überleben eines Einzelnen oder eines Regimes." Vielmehr gehe es darum, dass "wir die Existenz Syriens verteidigen." Um den Krieg zu beenden, müsse eine Waffenruhe vereinbart werden und sei die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit nötig. Konkret brauche es eine "historische Regelung", sagte al-Sharaa.

Walid al-Banni, ein Veteran der syrischen Opposition, sagte der Deutschen Presse-Agentur in Beirut am Montag, Sharaas Vorschlag komme zu spät. "Außerdem können wir nicht akzeptieren, dass Leute, die das syrische Volk töten, an der Macht bleiben."

Iran fordert Ende der Kämpfe

Zuvor hatte sich Syriens wichtigster Verbündeter, der Iran, für eine Verfassungsreform und Wahlen in dem umkämpften Land ausgesprochen. Teheran rief laut einer Meldung der iranischen "Press TV" alle Rebellengruppen und die Regierung auf, ein "Nationales Versöhnungskomitee" zu bilden, um die Bildung einer Übergangsregierung vorzubereiten. Diese könne Wahlen für ein Parlament und eine Verfassunggebende Versammlung organisieren und den Weg zu Präsidentenwahlen ebnen.

Zudem forderte der Iran die Einstellung aller Kampfhandlungen in bewohnten Gebieten und die Aufhebung aller Wirtschaftssanktionen.

Vor allem letztere Forderung dürfte vorerst aber unerhört bleiben. So meldeten Oppositionskreise am Montag, dass die Armee die südlichen Viertel von Damaskus mit Artillerie und Raketen unter Dauerbeschuss genommen hat. Heftige Gefechte wurden unter anderem aus der Provinz Deraa gemeldet.

Frankreich ortet Ende der Assad-Regierung

Der französische Außenminister Laurent Fabius sagte derweil dem Radiosender RFI, das Ende der Regierung Assad sei nahe. Frankreich ist einer der schärfsten Assad-Kritiker und hatte als erstes westliches Land die oppositionelle Nationalkoalition als legitime Vertretung Syriens anerkannt.

Die Rebellen haben in jüngster Zeit deutliche Geländegewinne verzeichnet. Die international weitgehend isolierte Führung in Damaskus versucht mit dem Einsatz der Luftwaffe, einen Sturz zu verhindern. In dem seit März 2011 anhaltenden Konflikt sind schätzungsweise 40.000 Menschen getötet worden.

(Red./APA/Reuters/dpa/AFP)

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