Tschechien: Nečas' Regierungsmehrheit wackelt

Petr Nečas
Petr Nečas(c) EPA (THIERRY ROGE)
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Weil Premier Petr Nečas die Verteidigungsministerin Karolina Peake wegen Insubordination entlassen hat, will ihm ihre Partei die Unterstützung entziehen.

Prag. Das war großes Kino, und dazu auch noch rekordverdächtig: Nach nur acht Tagen im Amt ist die tschechische Verteidigungsministerin Karolina Peake wieder abberufen worden. Donnerstagmittag war sie noch mit Blumen im Generalstab begrüßt worden, wo sie ihre Philosophie als Ministerin erklären wollte. Stunden später feuerte sie Premier Petr Nečas, kurz darauf wurde die 37-jährige Juristin von Präsident Václav Klaus offiziell entlassen.

Peake, Chefin von Lidem, der kleinsten der drei bürgerlichen Koalitionsparteien in Prag, hatte unlängst erst Nečas gerettet. Sie löste sich mit acht Abgeordneten von der skandalträchtigen Mutterpartei „Öffentliche Angelegenheiten“ ab und verhalf dem Premier und seiner Regierung zum Überleben. Nečas belohnte sie dafür mit dem Posten einer Vize-Regierungschefin, beauftragt mit dem Kampf gegen die Korruption.

Zum Wechsel von Peake ins Verteidigungsressort kam es, weil der bisherige Verteidigungsminister Alexandr Vondra aus Nečas' Bürgerpartei ODS nach einer Wahlniederlage bei den Senatswahlen zurückgetreten war. Nečas nutzte das, um die Aufgabenverteilung im Kabinett generell zu verändern: Er reklamierte für die ODS das wichtige Verkehrsressort und legte dafür jenes für Verteidigung in die Hand der Peake-Partei.

Stellvertreter ausgewechselt

Zuvor hatte ihm Peake hoch und heilig versprochen, die Linie ihres Vorgängers fortzusetzen und auch keinerlei personelle Erdbeben im Ministerium zu verursachen. Doch als der Premier vergangene Woche beim EU-Gipfel in Brüssel weilte, wechselte Peake hinter seinem Rücken gleich mehrere ihrer Stellvertreter aus. Auch ein äußerst ungehaltener Anruf von Nečas konnte die frisch gebackene, selbstbewusste und tatendurstige Ministerin nicht stoppen.

Der Wechsel sei ein normaler Vorgang, giftete sie zurück. Sie wolle keine Militärs in der Führung des Ministeriums haben, sondern ausschließlich Zivilisten. Da weder nachdrückliches noch gutes Zureden half, zückte Nečas nun die Rote Karte. Präsident Klaus war Peake von vornherein nicht geheuer: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Soldaten, mithin gestandene Männer, dieses Mädchen ernst nehmen werden.“

Nečas zufolge hat Peake bei ihm jegliches Vertrauen verspielt. Doch sein Vorgehen blieb dennoch herzlich inkonsequent. Er entließ die Ministerin zwar, bot ihr aber zugleich die Rückkehr auf den Sessel der Vize-Regierungschefin an.

Aber dann stellte sich die selbstbewusste Peake bockig und kündigte, zu allem entschlossen, den Auszug ihrer gesamten Partei aus der Regierung an. Nicht sofort, „um den Weihnachtsfrieden nicht zu stören“, aber zu Jahresbeginn. Damit wäre die Regierung ohne Mehrheit, vorzeitige Wahlen wären wohl unausweichlich.

Freilich, und das ist nun typisch tschechisch, hat sich Peake mit dem Termin eine Hintertür offengelassen. Bis dahin sind es ja noch ein paar Tage Zeit. Und die könnte man nutzen, um miteinander noch einen neuen Kuhhandel zu vereinbaren.

Budget verabschiedet

Sollte das scheitern, müsste Nečas auch nicht sofort Neuwahlen zustimmen. Er könnte auch eine Minderheitsregierung führen. Der Premier hat in der vergangenen Woche alle vor Jahresende wichtigen Gesetze durchs Parlament gebracht – mit der Partei der nun schon Ex-Verteidigungsministerin. Der Haushalt ist verabschiedet, auch eine neuerliche Erhöhung der beiden Mehrwertsteuersätze. Jedoch war Präsident Klaus gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer und könnte sein Veto dagegen einlegen.

Nečas wiederum kann darauf bauen, dass er dem Präsidenten mit der Abberufung der Verteidigungsministerin einen großen Gefallen getan hat. Womöglich zeigt dieser sich dafür erkenntlich und unterzeichnet das Gesetz über die Steuererhöhung, wird in tschechischen Medien spekuliert.

Auf einen Blick

Karolina Peake führt die kleinste Koalitionspartei Lidem. Als Reaktion auf ihre Abberufung hat der Parteivorstand alle Regierungsmitglieder von Lidem aufgefordert, bis zum 10. Jänner ihre Demission einzureichen. Ohne die acht Mandate von Lidem hat das Kabinett keine Mehrheit im tschechischen Parlament.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2012)

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