Ägypten: Islamisten verkünden Mehrheit für Verfassung

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Die Zustimmung zu dem umstrittenen Verfassungsentwurf beträgt inoffiziellen Zahlen zufolge etwa 64 Prozent. Die Opposition kündigt Widerstand an.

Zwei Jahre nach dem Sturz des Langzeitpräsidenten Husni Mubarak wird Ägypten auf eine religiösere Basis gestellt. Nach inoffiziellen Ergebnissen hat eine klare Mehrheit von fast zwei Dritteln der Wähler die von den Islamisten geschriebene Verfassung gebilligt. Damit werden künftig die Islamgelehrten an Macht gewinnen und in vielen Lebensbereichen mitbestimmen können.

Das wichtigste Oppositionsbündnis, die Nationale Heilsfront, will das Ergebnis der Volksabstimmung anfechten. Die Heilsfront begründete ihr Vorhaben am Sonntag mit angeblichen Regelverstößen und Betrügereien bei dem Referendum. Gleichzeitig kündigte sie ihre Kandidatur bei der Parlamentswahl an, die binnen zwei Monaten nach dem Referendum stattfinden sollte. Die Muslimbruderschaft bedankte sich dagegen in einer Erklärung beim ägyptischen Wahlvolk.

64 Prozent stimmen für Verfassungsentwurf

Wie arabische Medien und die Muslimbruderschaft am Sonntag meldeten, sprachen sich bei dem Referendum insgesamt 64 Prozent der Wähler für den Verfassungsentwurf aus. Am zweiten und letzten Abstimmungstag am Samstag war die Zustimmung erwartungsgemäß noch größer als eine Woche zuvor, weil vermehrt in konservativen ländlichen Gebieten abgestimmt wurde. Dort haben die Religiösen starken Rückhalt, die Präsident Mohammed Mursi zur Macht verholfen hatten, und die Bürger erhoffen sich von einer strengeren Auslegung der Scharia mehr Stabilität.

Trauer um Mubarak

In der ersten Runde war auch in den Großstädten Alexandria und Kairo gewählt worden, wo Mursis Kritiker ihre Hochburgen haben. Damals lag der Anteil der Befürworter bei 56 Prozent. Diesmal stimmten gut 71 Prozent der Verfassung zu. Nur knapp 29 Prozent hätten mit Nein gestimmt, hieß es unter Berufung auf eine Auswertung der Ergebnisse fast aller Wahllokale. Von 17 Provinzen votierte in der zweiten Runde demnach nur eine, Menufija im Nildelta, mehrheitlich mit Nein. Dort trauern viele Mubarak nach.

Friedliche Protestaktionen

Erneut stieß der Ablauf der Volksabstimmung auf Kritik. Viele Wähler seien wieder von Islamisten beeinflusst oder eingeschüchtert worden, berichteten Beobachter und ägyptische Medien. Zudem sollen Liberale, Linke und Christen in manchen Gebieten an der Stimmabgabe gehindert worden sein. Die Nationale Heilsfront will daher weiter die Bürger mobilisieren. Friedliche Protestaktionen sollten solange fortgesetzt werden, bis die neue Verfassung wieder falle, hieß es. In den vergangenen Wochen hatte es immer wieder Massenproteste und auch tödliche Krawalle in Ägypten gegeben.

Vizepräsident tritt zurück

Wenige Stunden vor dem Ende der Abstimmung hatte Vizepräsident Mahmud Mekki seinen Rücktritt erklärt. Er wies darauf hin, dass in dem Entwurf zur neuen Verfassung das Amt des stellvertretenden Staatsoberhauptes nicht vorgesehen sei. Eine konkrete Begründung für seine Entscheidung jetzt lieferte er nicht.

Offizielle Ergebnisse des Referendums sollen am Montag verkündet werden. Die Wahlbeteiligung wird insgesamt auf etwas mehr als 30 Prozent geschätzt. Die Ägypter müssen sich nun auf eine weitere Abstimmung vorbereiten. Innerhalb von zwei Monaten müssen sie ein neues Parlament bestimmen. Beobachter rechnen damit, dass die Islamisten nach eine Reihe von Wahlerfolgen dann erstmals einen Dämpfer bekommen.

Darauf setzt auch die Opposition. Der linke Oppositionsführer Hamdien Sabahi betonte am Sonntag: "Wir sind bereit, alle demokratischen Kämpfe zu führen". Die Beteiligung an den Parlamentswahlen werde dabei die Nagelprobe sein.

(APA/dpa/AFP/Reuters)

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