Albanische Rebellen drohen mit Aufstand in Südserbien

(c) EPA (Valdrin Xhemaj)
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Schon 2000 tobte ein Guerillakampf zwischen der Befreiungsarmee Preševo, Medvedja und Bujanovac und Serbiens Sicherheitskräften. Nun sorgt ein Denkmal für getötete Rebellen in Preševo für Streit.

Preševo. Vom Minarett der Moschee ruft die klagende Stimme des Muezzins in Preševo die Gläubigen zum Gebet. Blökend künden die zum Verkauf in die Stadt getriebenen Schafherden vom nahen Neujahrsfest. Doch von einem friedvollen Jahresausklang kann in der 38.000 Einwohner zählenden Stadt im äußersten Südzipfel Serbiens beim Dreiländereck mit Mazedonien und dem Kosovo keine Rede sein. Im Verhältnis der verarmten Albaner-Hochburg zur Zentralregierung in Belgrad stehen die Zeichen dieser Tage auf Sturm.

2000/2001 hat die Befreiungsarmee Preševo, Medvedja und Bujanovac (UÇPMB) einen Guerillakampf gegen Serbiens Sicherheitskräfte geführt. Und nun drohen Veteranen dieser Untergrundgruppe aus dem Schweizer Exil mit einer Neuauflage des bewaffneten Konflikts: Man werde erneut „Stiefel und Tarnanzüge anziehen und die Waffen in die Hand nehmen“, so die düstere Ankündigung. In der westlichen Diaspora stünden 500 Kämpfer bereit.

Stein des Anstoßes ist ein Stein: Mitte November errichteten Veteranen der UÇPMB auf dem Rathaus-Vorplatz von Preševo ein Denkmal, das an ihre vor mehr als zehn Jahren gefallenen Mitstreiter erinnert. Seither patrouilliert die Militärpolizei wieder verstärkt in der Grenzregion. Die Regierung und erst recht die serbischen Gazetten malen die Gefahr neuer bewaffneter Konflikte an die Wand.

Zwar haben sich alle Parteien im Preševo-Tal von den als „völlig unseriös“ und „schädlich“ bezeichneten Drohungen der Exilrebellen distanziert. Dennoch schlagen diese in Belgrad gehörig Wellen. Von einer „Provokation“ spricht Premier Ivica Dačić, der die Gemeindeverwaltung in Preševo mehrmals vergeblich aufgefordert hat, das von ihr genehmigte Denkmal „für Leute, die Polizisten töteten“ zu schleifen – andernfalls werde Belgrad dies veranlassen.

Albaner fühlen sich als Fremde

Die Gemeinde stellt sich taub – und lässt verlauten, dass man die Geschichte jedes Volkes respektieren müsse. Die albanischen Veteranenverbände wiederum behaupten, dass von einer Provokation keine Rede sein könne, da in Preševo fast ausschließlich Albaner lebten und die UÇPMB-Veteranen bereits 2002 von Belgrad amnestiert worden seien.

Knapp 60.000 Menschen zählt Serbiens albanische Minderheit. Unmittelbar an der Ostgrenze lebend haben sich die Albaner in den Gemeinden des Preševo-Tals per Referendum schon 1992 für den Anschluss an einen unabhängigen Kosovo ausgesprochen. Eine Gruppe militanter Albaner suchte nach dem Ende des Kosovo-Kriegs 2000/2001 die Abspaltung von Serbien mit einem bewaffneten Aufstand zu erzwingen. Die bei dessen gewaltlosem Ende gemachten Zusagen verbesserter Minderheitenrechte sind weitgehend unerfüllt geblieben. Stattdessen fühlen sich die Albaner weiter als Fremdkörper in einem Staat, der ihnen misstrauisch bis feindselig begegnet.

Serbiens Politiker „Außerirdische“

Der Mann im Anzug ist Bürgermeister. Doch mit Serbiens Regierung hat Ragmi Mustafa laut eigener Aussage keinen Kontakt. Serbiens Politiker seien „immer Außerirdische“ für die Albaner im Preševo-Tal gewesen, sagt er bitter: „Sie haben noch nie etwas für uns getan.“ Belgrad gestehe der Minderheit weder das Recht auf Schulbücher in eigener Sprache noch eine eigene Hochschule noch volle Bewegungsfreiheit zu, sondern versuche mit der massierten Stationierung von Polizei ein „Gefühl der Verunsicherung“ zu verbreiten, klagt Mustafa: „Sie sind nicht an den Menschen, sondern nur am Land interessiert: Sie wollen, dass wir Albaner verschwinden.“

Tatsächlich sind die Sicherheitskräfte höchst präsent: Hoch über der Anhöhe an der Straße zwischen Preševo und Bujanovac flattert die serbische Flagge an einem überdimensionierten Fahnenmast. Ende 2009 wurde hier für 18 Millionen Euro Serbiens größte Militärbasis Jug (Süden) eröffnet.

„Die schicken nur Polizei und Militär – sonst nichts“, sagt der TV-Journalist Gazmen Idrizi. Für Auszüge aus dem Grundbuch müssten die Bewohner genauso ins 35 km entfernte Vranje reisen wie zum Gebären. Zum Studieren müssten sich die Jugendlichen entweder in die Kosovo-Hauptstadt Prishtina, ins mazedonische Tetovo oder ins albanische Tirana aufmachen: „Viele kommen nicht mehr zurück. Denn in Serbien haben sie Probleme, dass ihre Abschlüsse anerkannt werden. Und in Preševo gibt es ohnehin keine Arbeit.“

Auf einen Blick

Ein Denkmal für gefallene albanische Rebellen sorgt für Streit zwischen Belgrad und der starken albanischen Minderheit in Südserbien. Dort kämpften Rebellen 2000/2001 für die Abspaltung. [Roser]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2012)

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