Ungarns Opposition schmiedet eine „Anti-Orbán-Front“

(c) AP (Geert Vanden Wijngaert)
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Linksliberale Kräfte wollen 2014 die konservative Regierungt von Premier Victor Orbán verdrängen. Das Verfassungsgericht hob das soeben erst eingeführte und höchst umstrittene Wählerregistrierungsgesetz auf.

Budapest. Für Ungarns konservativen Premier Victor Orbán kamen die schlechten Nachrichten Ende der Woche gleich im Doppelpack: Am Freitag setzte das Verfassungsgericht die soeben erst eingeführte und höchst umstrittene Wähler-Registrierungspflicht außer Kraft. Das Parlament habe seine Befugnisse überschritten, hieß es in dem Entscheid der Richter. Die Opposition hatte den Verdacht geäußert, die Regierung Orbán wolle damit die Wahlbeteiligung drücken, was ihr mutmaßlich nützen würde.

Die verschiedenen Kräfte der Opposition – und das ist die zweite schlechte Nachricht für Orbán – schließen sich derweil immer stärker zusammen: Am zweiten Jänner soll der Startschuss für eine sogenannte „Anti-Orbán-Front“ fallen, ein geeintes Bündnis für die nächste Parlamentswahl 2014. Die derzeit stärksten Kräfte im linksliberalen Lager sind die Sozialisten (MSZP) und die von Ex-Premier Gordon Bajnai (2009–2010) Ende Oktober mitbegründete Wählerbewegung „Gemeinsam für 2014“.

„Rechtsstaat wiederherstellen“

Auch andere politische Kräfte und NGOs sollen an den Gesprächen teilnehmen. Bajnai hat das Ziel einer linksliberalen Wahlallianz unmissverständlich klargestellt: Nachdem das „Regime“ von Viktor Orbán, wie er es nennt, bei der Parlamentswahl 2014 niedergerungen sein werde, müsse eine „Zeitenwende“ eingeleitet werden. Diese bestehe zum einen aus der „Wiederherstellung des Rechtsstaates“, der in den Augen der Linken von der Regierung Orbán ausgehöhlt worden sei, zum anderen aus einer glaubwürdigen und nachhaltigen Wirtschaftspolitik.

Nicht nur die Opposition, sondern auch ein Gros der ungarischen Wirtschaftsexperten kritisiert die „unorthodoxe Wirtschaftspolitik“ der Regierung Orbán. „Konzeptlosigkeit“ gehört noch zu den freundlicheren Wörtern, die man darüber liest. Es wird einerseits darauf verwiesen, dass die ungarische Volkswirtschaft seit langer Zeit in einer Rezession stecke, andererseits darauf, dass die Investoren wegen der Rechtsunsicherheit, die die Regierung dem Land eingebrockt habe, einen weiten Bogen um Ungarn machten.

Die Opposition sah sich nicht zuletzt auch durch das neue Wahlgesetz – die Registrierung ist nur ein Teil davon – zur Kooperation genötigt, denn das Gesetz dürfte Orbáns Partei Fidesz große Vorteile verschaffen.

An den Gesprächen beteiligen soll sich auch die von Ex-Regierungschef Ferenc Gyurcsány (2004–2009) angeführte Partei Demokratische Koalition (DK). Ob sie dann tatsächlich am Wahlbündnis teilnimmt, ist noch offen. Während Bajnai ein freundschaftliches Verhältnis zu Gyurcsány pflegt, ist der Ex-Premier für viele andere ein rotes Tuch, verkörpert er doch jene sozialliberale Politik, die das Land 2008 an den Rand des Staatsbankrotts manövrierte. Auch Gyurcsánys berüchtigte „Lügenrede“ aus dem Jahr 2006 ist noch in negativer Erinnerung, als er eingestand, die Wähler jahrelang belogen zu haben. Zugunsten von Gyurcsány spricht hingegen, dass er dank seines Charismas viele Wähler mobilisieren kann.

Orbán: Schlechte Umfragewerte

Ein linksliberales Wahlbündnis hätte aus heutiger Sicht gute Chancen, Fidesz 2014 zu besiegen. Laut Umfragen der maßgeblichen Meinungsforschungsinstitute liegen diese Parteien zusammen etwa gleichauf mit der jetzigen Regierungspartei. Es kommt der Opposition auch entgegen, dass die Wähler mit der bisherigen Leistung der Regierung Orbán unzufrieden sind. Laut einer Erhebung ist Viktor Orbán für die Mehrheit der ungarischen Wählerschaft sogar der schlechteste Ministerpräsident seit der Wende 1989/90. Selbst Orbáns Intimfeind Ferenc Gyurcsány schneidet in dieser Umfrage besser ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2012)

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