USA: "Hut ab vor dem Präsidenten"

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Praesidenten(c) EPA (PETE MAROVICH POOL)
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Obama kämpfte bis zuletzt verbissen um eine Lösung im Steuerstreit. Aus den Reihen der Republikaner kamen Signale des Einlenkens. Senator Graham streute dem Präsidenten am Sonntag Rosen.

Washington. Mit einem letzten öffentlichen Appell rief Barack Obama am Sonntag den Kongress zur Einigung im dramatischen Budgetstreit auf, um den Absturz der USA über die Fiskalklippe zu verhindern. In einem seltenen Auftritt in der Fernsehsendung „Meet the Press“ warnte der Präsident, dass die amerikanische Wirtschaft ohne einen Kompromiss „schwer beschädigt“ würde. Aus den Reihen der Republikaner kamen zeitgleich Signale des Einlenkens. Senator Lindsey Graham sagte dem Sender FoxNews, die Aussichten auf eine „kleine Lösung“ seien „überaus gut“. Er fügte hinzu: „Hut ab vor dem Präsidenten, er hat gewonnen.“ Ob die Stimmung in der republikanischen Fraktion im Repräsentantenhaus ähnlich war, blieb zunächst jedoch offen.

Obama warnte allerdings, wenn der Kongress keinen Kompromiss finde, würde als erstes Gesetz im neuen Jahr eine Steuerkürzung insbesondere für den Mittelstand auf den Weg gebracht. „Sollten die Republikaner das nicht wollen, können sie mit Nein stimmen“, sagte der Präsident. Es müsse „unabhängig von parteiischen Betrachtungen unsere oberste Priorität sein, sicherzustellen, dass die Steuern für Mittelklasse-Familien nicht steigen“, sagte Obama.

Für den Sonntagnachmittag hatten Senat und Repräsentantenhaus Sitzungen einberufen. Ob es abstimmungsreife Vorlagen mit Aussicht auf Mehrheiten in beiden Kongresskammern geben würde, blieb im Vorfeld unklar. Beide Kammern müssen einen Kompromiss absegnen.

Rechnerisch ginge dies im Repräsentantenhaus auch mit einer republikanischen Minderheit. Um das Gesicht zu wahren, könnten unzufriedene Republikaner vor der Abstimmung den Kongress verlassen.

540 Mrd. Dollar mehr Steuern

Ohne eine Einigung drohten zum 1. Jänner automatisch Steuererhöhungen im Volumen von 540 Milliarden Dollar, zudem Budgeteinschnitte in Höhe von 110 Milliarden Dollar, die je zur Hälfte das Pentagon und zivile Etats betreffen. Auch die bis zu 99 Wochen gewährte Hilfe für derzeit rund zwei Millionen Arbeitslose drohte auszulaufen. Experten befürchteten, dass die USA durch die Wucht und Plötzlichkeit dieses Gesamtpaketes zurück in eine Rezession stürzen und die Arbeitslosigkeit wieder deutlich steigen könnten.

Die Demokraten wollten das Haushaltsdefizit, das 2012 an die 1,6 Billionen Dollar betrug, vor allem durch höhere Steuern für Besserverdienende stopfen. Obama bot auch Etatkürzungen in Höhe von 800 Milliarden Dollar für die bevorstehende Dekade an. Doch viele Einzelheiten dazu waren umstritten. Insbesondere Strukturreformen an den kostenaufwendigen Sozialprogrammen Medicare, der Krankenversorgung für Menschen über 65 Jahre, und an der Rente wollte der Präsident erst im nächsten Jahr konkretisieren.

Die Republikaner forderten hingegen Etatkürzungen und lehnten Steuererhöhungen ab. Ihr Verhandlungsführer John Boehner, der Sprecher des Repräsentantenhauses, hatte in der eigenen Fraktion kurz vor Weihnachten nicht einmal eine Mehrheit für sein Kompromissangebot bekommen, zumindest Jahreseinkommen von mehr als einer Million Dollar höher zu besteuern.

Im Wahlkampf forderte Obama Steueraufschläge für Einkommen ab 250.000 Dollar. Inzwischen bot er an, diese Grenze auf 400.000 Dollar anzuheben, um die Republikaner zum Einlenken zu bewegen. Am Samstag hatte sich das Interesse auf die führenden Senats-Politiker konzentriert. Der demokratische Mehrheitsführer Harry M. Reid aus Nevada und der republikanische Minderheitenführer Mitch McConnell verhandelten in ihren eigenen Reihen.

Dass Graham von einem „politischen Sieg für den Präsidenten“ sprach, deutete auf ein mögliches Einlenken der republikanischen Senatoren hin. Allerdings fügte Graham hinzu, die Einigung betreffe nicht das Verschuldungsproblem, und er hoffe, auf diesem Feld würden die Republikaner „für unsere Überzeugungen kämpfen, wenn die Zeit kommt, um die Schuldenobergrenze anzuheben“.

Schuldenlimit erreicht

Diese Situation dürfte sehr bald kommen. Bereits am Montag erreichten die USA die Verschuldensobergrenze von 16,4 Billionen Dollar.

Spätestens im Februar müssten der Senat und das von den Republikanern dominierte Repräsentantenhaus zum vierten Mal in der Regierungszeit Obamas dieses Limit anheben, damit Washington seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.12.2012)

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