Nordkorea: Neujahrsgrüße aus Pjöngjang

Kim Jong-un
Kim Jong-un(c) REUTERS (KCNA)
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Nachwuchsdiktator Kim Jong-un kündigt bessere Beziehungen zu Südkorea an und verspricht eine Modernisierung des stalinistischen Landes – mit der Armee als Fundament.

Peking/Pjöngjang. Nach dem erfolgreichen Raketentest vor zwei Wochen war Nordkoreas Jungdiktator Kim Jong-un noch der Schrecken der Weltgemeinschaft. Wandelt er sich nun vielleicht doch zum Hoffnungsträger? Der erst seit einem Jahr herrschende Diktator hat die Öffentlichkeit am Dienstag mit einer Neujahrsansprache überrascht – das erste Mal seit 19 Jahren. Sein Vorgänger und Vater Kim Jong-il hatte öffentliche Auftritte stets gemieden und seine Botschaften zum neuen Jahr lediglich schriftlich über die Staatszeitungen mitgeteilt.

Aber auch inhaltlich setzt sich der junge Kim von seinem Vater ab. Nichts Geringeres als eine „radikale Kehrtwende“ kündigt der offenbar nicht einmal 30-Jährige an (sein genaues Alter ist unbekannt). Er wolle die Konfrontation mit Südkorea beenden und die Wirtschaft des Landes weiterentwickeln. „Lasst uns einen wirtschaftlichen Giganten schaffen“ – und zwar „mit demselben Eifer und Willen, den wir schon bei der Eroberung des Weltraums gezeigt haben“, sagte Kim. An dieser Kontinuität will er auf alle Fälle festhalten: der weiteren Aufrüstung des Militärs.

„Militärmacht weiterentwickeln“

Nordkorea hat am 12. Dezember eine Langstreckenrakete abgeschossen, die angeblich einen Satelliten ins All gebracht haben soll. Bislang hat dieser Satellit noch keine Funksignale gesendet. Aber allein, dass das Land nun über eine solche Rakete verfügt, schreckte die Weltgemeinschaft auf. Denn diese Raketen könnten mit Atomsprengköpfen versehen werden, die sogar US-Territorium erreichen.

Doch über so konkrete Ziele sprach Kim in seiner Ansprache nicht, sondern plädierte lediglich für wirtschaftliche Impulse, die auch die Rüstungsindustrie liefern könnte. „Nur wenn wir unsere Militärmacht in jeder Hinsicht weiterentwickeln, wird das Land prosperieren und die Sicherheit und Zufriedenheit seiner Bürger steigen“, sagte Kim.

Besonders überraschend: Er plädiert zugleich für ein Ende der Konfrontation mit dem Nachbarn Südkorea. Die Teilung des Landes könne beendet und eine Wiedervereinigung erreicht werden. Der junge Kim wörtlich: „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Konfrontation zwischen den koreanischen Landsleuten zu nichts als Krieg geführt hat.“

Tatsächlich gibt es auch von südkoreanischer Seite das erste Mal seit Jahren Gesten der Annäherung. In Seoul wurde Mitte Dezember die konservative Politikerin Park Geun-hye zur neuen Präsidentin gewählt. Sie hat angekündigt, dass sie sich von der bislang harten Linie ihres Vorgängers gegenüber dem Regime in Pjöngjang verabschieden wolle und sich für mehr Kooperation einsetzen werde. Seit dem Korea-Krieg 1950 sind Nord- und Südkorea verfeindet. Bis heute lehnen beide Seiten einen Friedensvertrag ab.

Wirtschaftliche Selbstkritik

Wirtschaftlich übte der junge Kim in seiner Rede Selbstkritik – ebenfalls ein Novum für Nordkoreas Führung. Die Wirtschaft des Landes sei derzeit in keinem guten Zustand, räumte der Jungdiktator ein, der Lebensstandard sei ausbaufähig. Er wolle vor allem dem Forschungs- und Technologiesektor eine stärkere Rolle einräumen. Und auch Landwirtschaftsreformen versprach er.

Nordkorea leidet seit fast zwei Jahrzehnten immer wieder unter Hungerkatastrophen, die wahrscheinlich schon Hunderttausenden das Leben gekostet haben. Unter Kim Jong-il brach die Wirtschaft zuweilen ganz ein. Ohne Lebensmittelhilfen des großen Bruders China und auch des Erzfeindes Südkorea könnte die einzige noch stalinistisch regierte Diktatur seine Bevölkerung überhaupt nicht mehr ernähren.

Vom jungen Kim, der zeitweise in einem Schweizer Internat gelebt hat, war bis vor Kurzem nur wenig bekannt – vor allem nicht politisch. Seit er vor einem Jahr die Macht übernommen hat, gibt es jedoch ein paar Anzeichen, dass es in Nordkorea zu ersten politischen und wirtschaftlichen Reformen und sogar zu einer zaghaften Öffnung des bislang streng von der Außenwelt abgeschotteten Landes kommen könnte. Mit der Neujahrsansprache hat es Kim zumindest in Aussicht gestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2013)

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