Sezession: Wenn Staaten zerfallen

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Nicht immer geht eine Trennung so friedlich vor sich wie im Fall der Tschechoslowakei. Dies zeigten vor allem die Jugoslawien-Kriege.

Wien/Hd. Wenn man als Österreicher in den 1980er-Jahren auf Krk billig Adria-Urlaub machte, dann war man in Jugoslawien. Dass es da Teilrepubliken gab und man sich eigentlich in Kroatien befand, war vielen nicht bewusst. Das änderte sich 1991 schlagartig. Bei den Plitvicer Seen wurde gekämpft, das malerische Dubrovnik von Land- und Seeseite beschossen, es gab immer mehr Tote und immer mehr Flüchtlinge. Slowenien und Kroatien waren die ersten Teilrepubliken, die sich seit 1990 in mehreren Schritten vom Bundesstaat lossagten: Dies wollte die serbische Führung um Slobodan Milošević nicht hinnehmen, und sie spannte die Bundesarmee, die längst keine solche mehr war, für ihre Ziele ein.

Der Zerfall Jugoslawiens, der 2008 mit der Abspaltung des Kosovo von Serbien sein vorläufiges Ende gefunden hat, kostete vermutlich mehr als 130.000 Menschen des Leben, die Opferzahlen sind Land für Land allerdings bis heute umstritten.

Doch der Kosovo ist nicht der jüngste Staat der Welt. Das ist der Südsudan, der sich vor eineinhalb Jahren in einem Referendum vom Sudan – damals noch der größte Staat Afrikas – lossagte. Die Trennung selbst im Juli 2010 verlief – unter den Augen der wachsamen Weltöffentlichkeit – friedlich. Doch zuvor hatten Jahrzehnte des Bürgerkriegs mehr als zwei Millionen Menschenleben gefordert. Und bald nach der Trennung ging der Streit um den bis heute unklaren Grenzverlauf und vor allem die wichtigste Ressource der Region – Öl – wieder los.

Nach der Abspaltung kam der Krieg

Ein Referendum leitete 1999 auch die Trennung Osttimors von Indonesien ein, das seit 1975 dort Besatzungsmacht war. Die Staatengemeinschaft hatte die blutige Niederschlagung der Unabhängigkeitsbewegung nicht länger hinnehmen wollen und starken Druck auf Jakarta ausgeübt. Nach einer Übergangszeit unter UN-Verwaltung wurde Osttimor schließlich 2002 ganz unabhängig. Seither gab es zwar soziale Unruhen, aber keinen Konflikt mit Indonesien. Hier hat die Trennung die Region befriedet.

Ganz im Gegensatz zum Fall Äthiopien/Eritrea. 1993 spaltete sich Letzteres zunächst friedlich vom gemeinsamen Staat ab, doch damit begannen die Streitereien erst, die in einen von 1998 bis 2000 dauernden Krieg mündeten. Die Region ist bis heute instabil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2013)

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