Deutschland: Keine Alternative zur Großen Koalition?

Keine Alternative Grossen Koalition
Keine Alternative Grossen Koalition(c) REUTERS (RALPH ORLOWSKI)
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CDU im Aufwind, liberaler Partner schwächelt. Realistischstes Szenario im Herbst: Regierung mit stagnierender SPD. Vielleicht gelingt der FDP durch die Ablöse ihres glücklosen Parteichefs Philipp Rösler eine Trendwende.

Berlin. Es war ein Herbst des Aufbruchs, in einen deutschen Wahlkampf, der spannend zu werden versprach. Als die SPD Anfang Oktober Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten kürte, schien Angela Merkel einen ebenbürtigen Herausforderer für die Bundestagswahl im Herbst 2013 gefunden zu haben. Der schnoddrige Klartextsprecher, so die Erwartung, würde der präsidialen Kanzlerin ihre diplomatischen Floskeln austreiben. Es würde um Themen gehen, die ganz Europa bewegen: Eurokrise, Bankenregulierung, Anreize zum Kinderkriegen.

Starke CDU, stagnierende SPD

Gut drei Monate später steckt der Wahlkampf in der Winterstarre fest. Jede Woche eine neue Umfrage, jede Woche das gleiche Bild: Die Union ist fast uneinholbar auf 40 Prozent einzementiert. Steinbrück hat den Sozialdemokraten nichts gebracht, im Gegenteil: Durch die Diskussion um seine Vortragshonorare und zuletzt seine Auslassungen über ein zu niedriges Kanzlergehalt hat sich der selbst ernannte Kämpfer für soziale Gerechtigkeit in die Defensive manövriert.

Derweil sonnt sich Merkel in der Wählergunst: 71 Prozent sind mit ihr zufrieden. Von Wechselstimmung keine Spur. Das Einzige, was sie vom Thron stürzen könnte, wäre eine Eskalation der Eurokrise vor dem Wahltermin im Herbst.

Einen Warnschuss gab es schon: Als Merkel eingestehen musste, dass die Deutschen entgegen allen Versprechungen doch für Griechenland zahlen müssen, brachen ihre Beliebtheitswerte kurz, aber kräftig ein. Doch die Gefahr scheint vorerst gebannt: Die Beruhigungspillen der EZB und der geglückte Anleihenrückkauf Athens lassen die Märkte optimistisch ins neue Jahr starten.

Damit reicht es, aus heutiger Sicht, für Rot-Grün nicht aus. Aber auch nicht für eine Neuauflage der denkbar unbeliebten schwarz-gelben Koalition. Denn die Liberalen, die sich beim traditionellen Dreikönigstreffen in Stuttgart Mut zugesprochen haben (siehe Seite 2), kämpfen ums Überleben: Die Fünfprozenthürde scheint für die FDP zu hoch. Wie auch für die Piraten, denen man im vergangenen Frühling sogar zugetraut hat, die Grünen zu überrunden – ein Strohfeuer, das im programmatischen Vakuum der Politneulinge zu erlöschen droht.

Feuerprobe Landtagswahlen

Ist das Rennen also schon gelaufen? Natürlich nicht. Am 20. Jänner wählt Niedersachsen. Auch dort regiert eine bärenstarke CDU mit einer moribunden FDP. Aber in Hannover stehen die Zeichen auf Wechsel: Rot-Grün könnte es schaffen, wovon sich die Wahlkämpfer in Berlin eine Signalwirkung erhoffen.

Vielleicht gelingt der FDP durch die Ablöse ihres glücklosen Parteichefs Philipp Rösler eine Trendwende. Und auch den Piraten ist noch ein Coup zuzutrauen, wenn der Wahlkampf sie erst wieder ins Rampenlicht rückt.

Dennoch: Das wahrscheinlichste Szenario ist eine Große Koalition unter schwarzer Führung. Das ist zwar leicht paradox, weil eine klare Mehrheit der Deutschen linke Parteien wählt. Aber es wäre dennoch im Sinne der Wähler, denen ein solches Bündnis in guter Erinnerung ist: Merkel und Steinbrück als Finanzminister manövrierten Deutschland souverän aus der Finanz- und Wirtschaftskrise.

Doch dieses Dream-Team wird es nicht mehr geben: Steinbrück schließt eine zweite Dienstzeit unter Merkel kategorisch aus. Somit müsste wohl wieder der erprobte Großkoalitionär Frank-Walter Steinmeier als Vize ran. Für die SPD ist das eine düstere Perspektive: Die Zweckehe mit der Union bescherte ihr 2009 eine historische Wahlniederlage. Umso mehr dürfte sich Merkel darauf freuen, wieder schwarz-rote Ringe zu tauschen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2013)

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