Mali: „Die Terroristen sind bestens ausgerüstet“

(c) AP (Jerome Delay)
  • Drucken

Zumindest in der Hauptstadt Bamako sind Frankreich die Sympathien der Bevölkerung sicher. Doch der Kampf gegen die Islamisten gestaltet sich schwierig. Werden sie von Algerien und Katar unterstützt?

Bamako. „Die Islamisten sind völlig verrückt“, sagt ein Taxifahrer aus Bamako wütend. Einer von ihnen habe in Malis Hauptstadt versucht, einen Soldaten mit der Machete zu ermorden. „Hier“, sagt der Fahrer und deutet mit der Hand zum Straßenrand. „Weg mit ihnen!“, rufen Männer, die an einem Kiosk die Schlagzeilen der ausgestellten Tageszeitungen lesen. Auf dem Platz der Unabhängigkeit werden französische Nationalflaggen verkauft. In Bamako wird schnell deutlich, wo die Sympathien liegen.

Vor einem Jahr wäre dies noch undenkbar gewesen. Niemand hätte die ehemalige Kolonialmacht, von der man 1960 unabhängig wurde, bejubelt. Aber seit radikale Islamisten den Norden des Landes besetzt halten und letzte Woche versucht haben, Richtung Bamako vorzustoßen, ist alles anders. Nun ist sogar eine französische Intervention willkommen.

Am letzten Freitag begann Frankreich, Stellungen der Islamisten, die keinen Hehl aus ihrer Verbundenheit mit der al-Qaida machen, zu bombardieren. Nach tagelangen Luftangriffen werden nun Bodentruppen eingesetzt: Französische Spezialeinheiten und Islamisten lieferten sich am Mittwoch Straßenkämpfe in dem zentralmalischen Ort Diabaly, der am Montag von den Jihadisten eingenommen wurde.

Auf 2500 Mann aufgestockt

Nachdem die Gegenwehr der Glaubenskrieger offenbar stärker ist als in Paris erwartet, soll das französische Truppenkontingent von derzeit rund 750 auf 2500 aufgestockt werden. Und François Hollande rechnet mit baldiger Unterstützung in Mali. „Frankreich war das erste Land, wird aber nicht mehr lang allein sein“, sagte der Staatschef am Mittwoch.

Frankreichs Gegner nennen sich „Verteidiger des Glaubens“ (Ansar Dine), „Bewegung für Einheit und Jihad in Westafrika“ (Mujao) oder „al-Qaida im Maghreb“ (Aqim). Sie sprechen islamisches Recht in einer harschen und brutalen Weise. Zum Repertoire des Strafenkatalogs zählen Schläge, Handabhacken oder auch Steinigungen. „Wir hier in Mali sind normale Muslime“, meint Amadu Kulabali, der seit dreizehn Jahren als Busfahrer in Bamako arbeitet. „Mit so einem Horror wollen wir nichts zu tun haben.“ Die anderen Busfahrer an der Bosula-Busstation nicken zustimmend.

Viel zu tun haben sie seit mehreren Tagen nicht mehr. Ihre Tour führt normalerweise nach Niono. Aber nur wenige Kilometer entfernt davon liegt Diabaly. Kulabali hat dort Familie und ist offensichtlich sehr besorgt, nachdem er seit zwei Tagen kein Lebenszeichen mehr von ihnen gehört hat. „Die Stadt ist abgeriegelt“, meint der Busfahrer. „Das Militär lässt niemanden rein, und die Islamisten lassen niemanden raus.“ Bekannte von ihm seien zu Fuß geflüchtet. „Mitten in der Nacht, um von den Rebellen nicht entdeckt zu werden.“ Er hofft, dass mithilfe Frankreichs der Albtraum schnell zu Ende geht. „Wir müssen auch wieder Geld verdienen, denn jetzt will kein Mensch mehr in diese Gegend fahren.“

In Niono sammelt sich derzeit das malische Militär, um sich auf eine Offensive auf Diabaly vorzubereiten, das nur 400 Kilometer von der Hauptstadt Bamako entfernt ist. „Die Franzosen bombardieren dort seit Wochenbeginn“, versicherte ein malischer Kommandeur aus Niono. „Wir sind bald einsatzbereit, um vorzustoßen“, fügte der Offizier an, der unerkannt bleiben wollte.

Motorräder statt Pick-ups

Die Einnahme von Diabaly durch die Islamisten kam völlig überraschend. Nach dem Bombardement durch die französische Luftwaffe sollen sie nach offiziellen Angaben die Städte Gao und Timbuktu verlassen haben und sind völlig überraschend im Westen Malis aufgetaucht. In Gao berichteten Bewohner, dass zwei große Lager der Islamisten zerstört worden seien. „Die Führer sind verschwunden, aber einige junge Kämpfer sind in der Stadt geblieben“, berichtete ein Mann aus Gao per Telefon. „Die Islamisten haben sich in Dörfer in der Umgebung zurückgezogen.“ In Timbuktu soll die Lage nicht anders sein. Mittlerweile seien die Glaubenskämpfer aus Angst vor Luftangriffen nicht mehr mit ihren Pick-ups unterwegs. Man fährt jetzt Motorrad, dem in Mali wohl am weitesten verbreiteten Fortbewegungsmittel.

„Die Islamisten sind auf der Flucht“, erklärt Oberst Kone Diarra in seinem Büro auf dem befestigten Gelände des Verteidigungsministeriums in Bamako. „Auf der ganzen Linie“, fügt er zuversichtlich an. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir sie ganz aus dem Land vertrieben haben.“ Gegenüber seinem Schreibtisch steht ein Fernseher, in dem der Nachrichtensender France24 läuft, natürlich mit dem Krieg in Mali als Schwerpunkt.

„Wir kämpfen gegen Terroristen, die Guerillataktik anwenden“, erläutert Oberst Diarra. „Aber diese Terroristen sind bestens ausgerüstet.“ Seiner Überzeugung nach stammen alle Waffen aus Libyen. Während des Bürgerkriegs 2011 waren dort monatelang riesige Waffenlager völlig unbewacht. Tonnenweise wurden dort Waffen aller Art abtransportiert.

Für Oberst Diarra sind die Waffen nur eine Sache. „Damit allein kann man keinen Krieg gewinnen.“ Man brauche sehr viel Geld, ausreichend Benzin und modernes Kommunikationsgerät. Für ihn steht fest, ohne die Hilfe eines oder mehrerer Staaten wäre es mit den Rebellen sehr schnell vorbei. „Von wem bekommen sie denn ihre Satellitentelefone?“ Namen von Ländern will er unter keinen Umständen nennen und auch mit Spekulation nicht in Verbindung gebracht werden.

Logistische Hilfe für Rebellen

Aber die Antwort drängt sich auf. In Bamako ist sie fast schon Teil der öffentlichen Meinung. Algerien, so wird gemunkelt, soll die Islamisten unterstützen. Tatsächlich hatten alle Führer der drei Rebellengruppen in ihrer langjährigen Terroristenkarriere irgendwann Kontakte zum algerischen Geheimdienst. Ob sie das heute noch tun, ist allerdings ungewiss. Ohne die logistische Hilfe eines Staates hätten die Islamisten aber Probleme, das riesige Wüstengebiet zu kontrollieren. Allein das Benzin für mehrere hundert Geländewagen oder Generatoren auf geheime Weise zu besorgen erfordert eine organisatorische Meisterleistung. In Verdacht steht auch Katar. Das Golfemirat soll Kommunikationstechnik und finanzielle Unterstützung liefern. Direkte Beweise gibt es dafür aber nicht.

Auf einen Blick

Frankreich setzt in Mali nun auch Bodentruppen ein. Französische Spezialeinheiten und Islamisten lieferten sich am Mittwoch Straßenkämpfe in dem zentralmalischen Ort Diabaly, der am Montag von den Jihadisten eingenommen wurde. Das französische Truppenkontingent soll von derzeit rund 750 auf 2500 aufgestockt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Islamistengruppe plant nach Algerien
Außenpolitik

Islamistengruppe plant nach Algerien weitere Angriffe

"Al-Mulathamin" droht mit weiteren "Einsätzen". Indes wurde bekannt, dass der Großteil der Geiselnehmer aus dem Norden Malis stammte.
Opferzahl hoeher befuerchtet
Außenpolitik

Algerien: Opferzahl höher als befürchtet

Bei der Terroraktion in der Gasanlage In Amenas sind letzten Schätzungen zufolge 48 Geiseln getötet worden - knapp 800 Menschen konnten befreit werden.
File photo of the Statoil-run gas field in Amenas, Algeria
Außenpolitik

Geiseldrama in Algerien: Armee findet weitere Leichen

Algerien verteidigt seine umstrittene Militäraktion. Die Terroristen hätten vorgehabt, alle Geiseln zu töten.
Algerien Toedliches Finale Geiseldramas
Außenpolitik

Algerien: Tödliches Finale des Geiseldramas

Nachdem am Donnerstag der erste Versuch nur teilweise erfolgreich war, starteten die Sicherheitskräfte am Sonntag einen finalen Angriff. Für Christoph Z. ist das Geiseldrama überstanden.
Christoph Drama ueberlebte
Außenpolitik

Algerien: Wie Christoph Z. das Drama überlebte

Ein Zwettler entkam den al-Qaida-Terroristen. Er hatte sich auf dem weitläufigen Gelände der Gasanlage In Amenas vor ihnen versteckt. Noch immer befinden sich Menschen in Gefangenschaft.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.