Malis Bevölkerung zweifelt an ihrer Armee

Malis Bevoelkerung zweifelt ihrer
Malis Bevoelkerung zweifelt ihrer(c) AP (Harouna Traore)
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Aus Angst vor den Rebellen hoffen die Einwohner der Stadt Niono auf Schutz durch französische Soldaten. Frankreichs Armee bereitet sich auf eine langwierige Kampagne vor.

Die Islamisten kamen über Nacht: Ein Teil aus dem legendären Timbuktu, das neun Monate lang in ihrer Hand gewesen war. Die anderen marschierten über die Grenze aus Mauretanien ein. Nach kurzen Kämpfen zog sich die malische Armee aus Diabaly zurück und überließ den Rebellen von Ansar Dine die Kontrolle über die Stadt in Zentralmali. Sie liegt nur 400 Kilometer von der Hauptstadt Bamako entfernt. So nah waren die Extremisten, die seit neun Monaten den gesamten Norden des Landes besetzt halten, noch nie in Richtung Hauptstadt vorgestoßen. „Die Terroristen suchten auf der Flucht in Diabaly Schutz“, sagte François Hollande, der Präsident Frankreichs. „Unser Ziel ist es jetzt, sie von dort zu vertreiben.“

Am Mittwoch sind französische Spezialeinheiten gegen Stellungen der Islamisten in Diabaly vorgerückt. Unter den Franzosen befinden sich Einheiten der berühmt-berüchtigten Fremdenlegion, die sich großteils aus Ausländern zusammensetzt. Insgesamt hat Frankreich bisher 1700 Soldaten nach Mali beordert. Sie waren auf Militärbasen im Tschad und Senegal stationiert, wurden aber auch aus dem Mutterland entsandt.

Es ist das erste Mal seit Beginn der Intervention am vergangenen Freitag, dass Bodentruppen eingesetzt werden. Bisher hatten Flugzeuge Stellungen der Islamisten landesweit bombardiert. Neben Diabaly ist die französische Infanterie ebenfalls in Konna aktiv. Das versicherte Generalstabschef Edouard Guillaud. Die Kleinstadt, rund 150 Kilometer weiter östlich gelegen, war letzte Woche in die Hände von Ansar Dine gefallen.

Noch ist die französische Armee in Mali noch nicht vollständig einsatzbereit. Sie ist damit beschäftigt, Infrastrukturen aufzubauen, erläuterte eine Armeesprecherin in Bamako. Medizinischer sowie militärischer Nachschub müssen abgeladen und untergebracht werden. Was vor allen Dingen fehle, sei eine schnelle Eingreiftruppe. Sie soll für Notfälle im ganzen Land einsatzbereit sein.

Islamisten errichteten Kontrollposten

In Diabaly konnten nur wenige Bewohner fliehen. Die Islamisten hatten Checkpoints an den Ausfahrten der Ortschaft errichtet. Niemand wurde aus der Stadt gelassen. Wer flüchten wollte, konnte das nur zu Fuß auf Schleichwegen, am besten bei Nacht machen. In den nächstgrößeren Ort, nach Niono, sind es über 60 Kilometer. Nur wenige nahmen das Risiko und die Strapazen dieses langen Marsches auf sich.

In Niono, einer Kleinstadt mit 50.000 Einwohnern, war Panik ausgebrochen: „Es kursierte plötzlich das Gerücht“, berichtete Bürgermeister Draman Toure, „dass eine Autokolonne der Rebellen nur 20 Kilometer vor der Stadt gesichtet worden sei.“ Der Bürgermeister habe nur mit Mühe wieder Ruhe und Ordnung herstellen können. Von Einbruch der Dunkelheit bis zum Morgengrauen besteht nun Ausgangsverbot.

Die Bewohner Nionos würden sich sicherer fühlen, wenn in ihrer Stadt französische Soldaten präsent wären. In die malische Armee, die vor der Stadt Positionen bezogen hat, besteht wenig Vertrauen. „Wir wissen nicht, ob unsere Soldaten ausreichen, die Islamisten abzuhalten“, meinte Bürgermeister Toure diplomatisch.

Das malische Militär wurde 2012 von den Tuareg vernichtend geschlagen. Kämpfer des Nomadenvolks, die aus dem libyschen Bürgerkrieg mit schweren Waffen zurückgekehrt waren, hatten im Jänner eine Rebellion gestartet. Innerhalb von nur drei Monaten eroberten sie den gesamten Norden Malis. Nachdem die Tuareg ihren unabhängigen Staat Azawad ausgerufen hatten, wurden sie von den Islamisten vertrieben. „Was sich die Armee damals geleistet hat, war eine Schande“, behauptet Ibrahim, ein junger Journalist aus Bamako. „Das Militär ist unorganisiert, schlecht ausgebildet und am Ende laufen sie immer davon.“

„Das hier wird schlimmer als Afghanistan“

Anders die Rebellen, die über Artillerie, Panzerabwehr- sowie mobile Boden-Luft-Raketen (sogenannte Manpads) verfügen sollen. „Selbst, wenn sie auf uns Atombomben werfen“, sagte Omar Hamaha, der Führer der Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (MUJAO), „werden wir unser Territorium verteidigen. Das hier wird schlimmer als Afghanistan.“

„Meinem Verständnis nach“, erklärte US-General Carter Ham, „wissen die Franzosen, dass das keine kurzfristige Operation wird.“ So schlagkräftig Luftangriffe sein mögen, damit sei es noch lange nicht getan, glaubt der Oberbefehlshaber des Afrika-Kommandos des Pentagon. Die USA haben sich bereit erklärt, den Franzosen Geheimdienstinformationen zur Verfügung zu stellen. Für Überwachungsaufgaben wurden Aufklärungsdrohnen bereitgestellt.

In Mali sind am Donnerstag auch die ersten Soldaten der westafrikanischen Eingreiftruppe eingetroffen. Die 40 Streitkräfte aus Togo wurden am Flughafen der Hauptstadt Bamako von französischen und malischen Soldaten begrüßt. Insgesamt will die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) im Rahmen der Internationalen Unterstützungsmission für Mali (Misma) 3000 Soldaten zur Bekämpfung der islamistischen Milizen im Norden des Landes entsenden.

Trainiert werden die Soldaten von französischen Ausbildnern. Der Trainingskurs soll zwei Wochen dauern. Dann soll der Einsatz der afrikanischen Kontingente beginnen. Unklar ist noch, wer die Kosten für die Mission übernimmt; außerdem, woher die schweren Waffen kommen, die nötig sind, um gegen die Islamisten schlagkräftig vorgehen zu können. Entschieden werden soll darüber in einer noch einzuberufenden Sponsorenkonferenz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2013)

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