Algerien: Tödliches Finale des Geiseldramas

Algerien Toedliches Finale Geiseldramas
Algerien Toedliches Finale Geiseldramas(c) AP (Anis Belghoul)
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Nachdem am Donnerstag der erste Versuch nur teilweise erfolgreich war, starteten die Sicherheitskräfte am Sonntag einen finalen Angriff. Für Christoph Z. ist das Geiseldrama überstanden.

Das Geiseldrama auf dem algerischen Gasfeld in Amenas hat am Samstag mit einem Blutbad geendet. Der Niederösterreicher Christoph Z. hatte es schon am Freitag unversehrt überstanden. Der 36-jährige Zwettler befand sich am Samstag in der US-Militärbasis Ramstein in Westdeutschland und wurde vom österreichischen Konsul betreut, der aus Luxemburg ins benachbarte Rheinland-Pfalz gereist war.

Wann der Mitarbeiter des Ölkonzerns BP nach Österreich weiterreisen würde, war zunächst nicht klar. Auch zu den Details seiner Befreiung gab es keine Angaben. Nur soviel: Der Absolvent der Montanuniversität Leoben dürfte sich in der Förderanlage vor den islamistischen Entführern versteckt haben. „Man kann sich vorstellen, was das für eine Erleichterung war. Für mich ist das Wichtigste, dass er lebt", sagte sein Vater, der im Urlaub von der Geiselnahme in Algerien erfuhr, zur „Presse".

Z. hatte Glück - denn bei ihrem Versuch, die Geiseln in der knapp 100 Kilometer von der libyschen Grenze entfernten Industrieanlage zu befreien, ging die algerische Armee ohne Rücksicht auf Verluste vor. Nachdem am Donnerstag der erste Versuch, bei dem auch Kampfhubschrauber eingesetzt wurden, nur teilweise erfolgreich war, starteten die Sicherheitskräfte am Samstag einen finalen Angriff auf die verbliebenen Terroristen, die sich mit ihren Opfern in einem Teil der Gasanlage verschanzt und das Gelände vermint hatten.

Alle Terroristen starben. Nach Berichten der algerischen Nachrichtenagentur APS wurden dabei alle Islamisten getötet. Sie sollen zuvor sieben weitere Geiseln umgebracht haben. Insgesamt starben nach Regierungsangaben in den vergangenen vier Tagen 32 Entführer und 23 Geiseln. Den algerischen Sicherheitskräften sei es aber gelungen, 685 algerische Angestellte der Anlage zu befreien sowie 107 Ausländer.

Der Sturmangriff algerischer Soldaten vom Samstag habe dem Drama ein Ende gesetzt, sagte der britische Verteidigungsminister Philip Hammond bei einer Pressekonferenz mit seinem US-Kollegen Leon Panetta. Dass es Todesopfer gegeben habe, sei „entsetzlich und unannehmbar", liege aber in der „alleinigen Verantwortung der Terroristen". Frankreichs Präsident François Hollande verurteilte den Tod der Geiseln am Samstag als feigen Mord.

Die algerische Armee verteidigte ihr Vorgehen. „Der Einsatz ist die Antwort auf eine Entscheidung der Terroristen gewesen, alle Geiseln zu töten und ein wahres Massaker anzurichten", zitierte die Tageszeitung El-Khabar einen Armeesprecher.

Von langer Hand geplant. Hinter der Aktion, die offenbar von langer Hand geplant war, steht das Kommando „Die mit dem Blut unterschreiben" des Jihadisten Mokhtar Belmokhtar. Die Extremisten, die mit dem Terrornetzwerk al-Qaida in Verbindung stehen, haben sich nach eigenen Angaben monatelang auf ihren Einsatz vorbereitet. Am Mittwoch schlugen sie zu: Nachdem sie zuerst einen von Sicherheitskräften begleiteten Bus, der Richtung Flughafen unterwegs war, beschossen hatten, brachten die Angreifer die Gasanlage unter ihre Kontrolle. Sie durchsuchten den Wohnblock nach Ausländern und brachten ihre Gefangenen in das Freizeitgebäude des Werks. Doch offenbar hatten sie nicht mit einem Angriff der algerischen Streitkräfte gerechnet.

Der Hubschraubereinsatz am Donnerstag löste ein Chaos aus, bei dem hunderte Geiseln flüchten konnten.
Aber nicht nur Christoph Z. ist es gelungen, sich vor den Terroristen zu verstecken. Auch der Franzose Alexandre Berceaux konnte unentdeckt bleiben. „Ich habe mich fast 40 Stunden in meinem Zimmer unter dem Bett versteckt. Ich hatte etwas Verpflegung und wusste nicht, wie lange es dauern würde", sagte der Mitarbeiter der Cateringfirma CIS dem Sender Europe 1. Während der Geiselnahme sei „in Abständen viel geschossen worden". Dass die Terroristen in die Gasanlage eindringen konnten, sei für ihn ein Schock gewesen. „Niemand hat damit gerechnet. Die Anlage war geschützt, es waren Militärs vor Ort."

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2013)

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