Ende des Burgfriedens in Paris

Ende Burgfriedens Paris
Ende Burgfriedens Paris(c) AP (Jerome Delay)
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Die bürgerliche Opposition äußert Zweifel am französischen Alleingang in Westafrika. Die Sorge: Einem langen Konflikt wäre Frankreich nicht gewachsen.

Paris. Der französische Staatspräsident François Hollande muss damit rechnen, dass sich im Konflikt um die Wiederherstellung einer demokratischen Ordnung in Mali eine zweite, diesmal politische Front zu Hause eröffnet. Die feierliche politische Eintracht, die beim Kriegsbeginn von links bis rechts herrschte, hat die ersten Tage nicht überdauert.

Als vor einer Woche die Intervention auf Anordnung des Staatschefs begann, stellte sich auch die bürgerliche Opposition patriotisch geschlossen hinter ihn und seinen Beschluss, in der ehemaligen westafrikanischen Kolonie einzugreifen, um den Vormarsch der Islamisten zu stoppen. Es ging nicht nur um die drohende Destabilisierung einer ganzen frankofonen Region, die als französische Einflusszone gilt, sondern auch um die Glaubwürdigkeit Frankreichs in Afrika. Die Ehre des Landes hat keine Parteicouleur.

Trotzdem hat diese „Union sacrée“ keine Woche überdauert. Die Tatsache, dass Frankreich nach seinem ziemlich überstürzten Vorpreschen allein blieb, hat vielen zu denken gegeben. In der Bevölkerung kann sich Hollande weiterhin auf eine mehrheitliche Zustimmung berufen, die seit dem Beginn der Intervention sogar noch gewachsen ist: Je nach Umfragen sprechen sich zwei Drittel bis drei Viertel der Befragten für die militärische Aktion aus.

Wachsende Skepsis

Bei den politischen Wortführern und einigen Strategen dagegen wächst die Skepsis. Gegen ihre Kritik ist der Oberbefehlshaber Hollande nicht länger gefeit. Schon zu Beginn hatte der frühere gaullistische Premierminister Dominique de Villepin als einer der ganz wenigen bürgerlichen Politiker den Auslandseinsatz kritisiert. Der ehemalige Staatspräsident Valéry Giscard d'Estaing warnte vor einer unheilvollen Eskalation. Die Sprecher der oppositionellen UMP hielten sich anfänglich zurück. Sie wussten, dass es ihnen die Franzosen übel nehmen würden, wenn sie das Vorgehen des sozialistischen Präsidenten im Voraus verurteilen.

Diese Anstandsfrist ist vorbei. Jetzt äußern mehrere Oppositionspolitiker öffentlich ihre Bedenken. Der frühere Außenminister Alain Juppé befürchtet, dass Frankreich in eine schwer zu kontrollierende Spirale der Gewalt geraten sei. UMP-Generalsekretär Jean-François Copé bezeichnet es am Mittwoch vor der Nationalversammlung als „äußerst beunruhigend, Frankreich (dermaßen isoliert, Anm.) zu sehen“. Einer der beiden UMP-Vizepräsidenten, der frühere Europaminister Laurent Wauquiez, meint, hinter dem militärischen Gehabe des Staatspräsidenten sei „keine klare Strategie“ zur Intervention auszumachen. Jetzt versuche die Regierung, im Nachhinein „den Waggon der europäischen Diplomatie“ an einen bereits abgefahrenen Zug anzukoppeln. Er vergleicht die Mali-Intervention mit dem seiner Meinung nach sehr viel besser vorbereiteten und international abgestützten Libyenkrieg von Hollandes Vorgänger Nicolas Sarkozy.

Ein Sprecher der sozialistischen Regierungspartei, Jean-Christophe Cambadélis, verwarf diese kritischen Anmerkungen pauschal als „kleinkariert“ und „verantwortungslos“. Bedenken haben aber auch die grünen Koalitionspartner der Sozialisten. Ex-Präsidentschaftskandidatin Eva Joly meint, Paris riskiere in einen „langen und kostspieligen Krieg hineingezogen“ zu werden. Es gelte, „endlich aufzuhören mit der Rolle des Gendarmen in Afrika und mit einer Antiterror-Rhetorik, die vom Irak bis Afghanistan nur den Jihadismus gestärkt und vor Ort überhaupt nichts gelöst hat“.

Auf einen Blick

Frankreichs militärischer Einsatz in Mali kommt bei der französischen Bevölkerung gut an. Gemäß einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifop befürworten 65 Prozent der Franzosen die Intervention. Politisch kommt Staatschef François Hollande aber zusehends unter Beschuss. Immer mehr Politiker aus dem bürgerlichen Lager werfen ihm vor, den Feldzug übereilt und ohne diplomatische Rückendeckung angeordnet zu haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2013)

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