Bei der Terroraktion in der Gasanlage In Amenas sind letzten Schätzungen zufolge 48 Geiseln getötet worden - knapp 800 Menschen konnten befreit werden.
Algier/Apa/Dpa/Afp. Angesichts der militärischen Mittel, die von den algerischen Sicherheitskräften bei der Erstürmung des Gasfelds In Amenas eingesetzt wurden, war es naheliegend, dass die ursprünglichen Opferzahlen nach oben revidiert werden würden. Am Sonntag hat sich diese Befürchtung bewahrheitet: Bei der Untersuchung der Förderanlage entdeckten algerische Spezialeinheiten die Leichen von weiteren 25 Geiseln.
Nach der neuen Bilanz starben bei der Geiselnahme und anschließenden Befreiungsaktion 48 Geiseln und 32 Terroristen. Befreit wurden während des mehrtägigen Geiseldramas 685 algerische Beschäftigte und 107 ausländische Mitarbeiter. Allerdings ist das Schicksal von drei britischen und fünf norwegischen Geiseln nach wie vor ungeklärt – die Opferzahl könnte also noch weiter steigen.
Am Mittwoch hatten islamistische Terroristen vom Kommando „Die mit Blut unterzeichnen“ des Gotteskriegers Mokhtar Belmokhtar die Anlage im Westen Algeriens nahe der Grenze zu Libyen unter ihre Kontrolle gebracht. Die Entführer, eine Splittergruppe der „al-Qaida im Islamischen Maghreb“, forderten das Ende der französischen Militärintervention in Mali sowie freies Geleit.
Die algerische Regierung wollte sich allerdings auf keine Verhandlungen einlassen und ordnete am Donnerstag eine Befreiungsaktion an, bei der auch Kampfhubschrauber eingesetzt wurden. Der Angriff der Sicherheitskräfte löste ein Chaos aus, bei dem der Mehrzahl der Geiseln die Flucht gelang. Unter den Überlebenden ist auch ein 36-jähriger Niederösterreicher, der in Algerien für den britischen Ölkonzern BP tätig war.
Demonstrativer Schulterschluss
Nach der anfänglichen Kritik an der Härte und Unerbittlichkeit des Vorgehens der Befreier stellen sich westliche Regierungsvertreter nun demonstrativ hinter die algerische Regierung. US-Präsident Barack Obama machte die Geiselnehmer für das Blutvergießen verantwortlich. „Die Schuld an dieser Tragödie liegt bei den Terroristen, die sie verursacht haben“, hieß es in einer schriftlichen Erklärung. Auch der britische Regierungschef David Cameron sieht die Verantwortung für die Taten allein bei den Terroristen. Mit Hinweis auf Kritik am Eingreifen des algerischen Militärs sagte er: „Es ist sehr schwierig, auf solche Situationen zu reagieren und alles richtig zu machen.“
Ebenfalls verteidigt wurde die blutige Befreiungsaktion in Paris. Bei einem Geiseldrama mit so kaltblütigen Terroristen, die zum Töten bereit seien, habe ein Land wie Algerien keine andere Wahl gehabt, sagte Hollande.
Auch die norwegische Regierung stellte sich ausdrücklich hinter die letzte Militäraktion – der norwegische Konzern Statoil betreibt gemeinsam mit BP und dem algerischen Staatsunternehmen Sonatrach die Gasförderung von In Amenas.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2013)