FDP: Rösler sticht im Machtpoker

(c) REUTERS (THOMAS PETER)
  • Drucken

Der liberale Parteichef Philipp Rösler zieht den Kopf aus der Schlinge: Er bietet Rainer Brüderle sein Amt an, der Fraktionschef kneift und wird nur Spitzenkandidat. Die Linke tritt im Team an.

Berlin. Das hätten ihm wohl viele nicht zugetraut. Zu höflich, zu nett, zu führungsschwach: So wurde Philipp Rösler oft beschrieben. In den vergangenen Wochen schossen seine „Parteifreunde“ den FDP-Chef fast sturmreif. Auch der Termin für den Königsmord stand schon fest: Die Landtagswahl in Niedersachsen am Sonntag sollte Röslers politisches Ende einläuten.

Stattdessen hat es der 39-Jährige allen gezeigt: Der Wirtschaftsminister und Vizekanzler bewies kühlen Machtinstinkt und setzte der selbstmörderischen Personaldebatte der deutschen Liberalen ein vorläufiges Ende. Rösler bleibt Parteichef. Sein Rivale, der 67-jährige Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle, darf als Spitzenkandidat im Bundestagswahlkampf mit ihm ein Tandem bilden.

Rösler hat die Gunst der Stunde geschickt genutzt: Völlig überraschend schaffte die FDP, die in bundesweiten Umfragen in Tiefen von nur noch zwei Prozent versinkt, am Sonntag in Niedersachsen einen glänzenden Wahlerfolg.

Freilich ist der größte Teil der erzielten zehn Prozent nur geliehen: 100.000 Zweitstimmen von CDU-Anhängern, die damit die Neuauflage einer bürgerlichen Koalition absichern wollten – was knapp misslang (siehe unten). SPD-Chef Sigmar Gabriel höhnte denn auch in Richtung FDP: „Eigentlich gibt's die nur, wenn Sie Fremdblutzufuhr kriegt – die Partei existiert eigentlich nicht mehr.“

Parteitag schon im März

Für den Niedersachsen Rösler aber war der unerwartete Triumph in seiner Heimat ein Rettungsring, den er dankbar ergriff. Schon beim Dreikönigstreffen in Stuttgart hatte ihn sein schärfster parteiinterner Kritiker, Entwicklungsminister Dirk Niebel, vor der versammelten liberalen Elite frontal attackiert.

Die breite Front der Rösler-Gegner wünschte sich Brüderle als Ersatz, zumindest so lange, bis sich Nachwuchshoffnung Christian Lindner von seinen Verpflichtungen in Nordrhein-Westfalen freimachen kann. Just zwei Tage vor der Landtagswahl fielen diese beiden Rivalen dem Vorsitzenden in den Rücken: Sie forderten einen früheren Parteitag, um die Führungsfrage rasch zu klären.

Doch gestärkt durch den Wahlerfolg, stellte sich Rösler im Präsidium seinen Gegnern – und überrumpelte sie durch eine fingierte Kapitulation. Erst ging er beim Termin für den Parteitag in die Offensive, dann schlug er Brüderle als Spitzenkandidaten vor. Mehr noch: Er sei auch bereit, „zur Seite zu treten“, wenn Brüderle ihn als Parteichef beerben will. Große Verwirrung, mehrstündige Diskussion, ein Vieraugengespräch zwischen Rösler und Brüderle – und dann das Ergebnis: Brüderle kneift. Er verzichtet auf die Parteiführung und begnügt sich mit der Rolle des Spitzenkandidaten. Dieses „Tandem“ muss am Parteitag noch abgesegnet werden. Gut denkbar, dass im März dann doch noch Röslers Stunde schlägt – bei den deutschen Freidemokraten scheint derzeit fast alles möglich.

Kein Linke-Spitzenkandidat

Auch die Linke gab am Montag ihre Aufstellung bekannt: Die Postkommunisten werden statt mit einem Spitzenkandidaten mit einem achtköpfigen Team in die Wahlschlacht ziehen. Ihre Machtkämpfe hat die Partei hinter verschlossene Türen verlegt. Dennoch wird weiterhin intrigiert: Fraktionschef Gregor Gysi verhinderte bereits, dass ihm Sahra Wagenknecht gleichberechtigt zur Seite gestellt wird. Die Galionsfigur des linken Flügels spielte in Niedersachsen Feuerwehr. Dass die Partei dennoch aus dem Landtag flog, ließ erwarten, dass Gysi als alleiniger Spitzenkandidat übrig bleibt. Stattdessen gibt es nun das Team, in dem auch diese beiden kämpfen.

Auf einen Blick

FDP-Chef Philipp Rösler gelang mit der Landtagswahl in Niedersachsen ein überraschendes Comeback. Mit einem geschickten Schachzug konnte der Liberale seinen drohenden Sturz als Parteichef abwenden: Er bot seinem schärfsten Rivalen, Fraktionschef Rainer Brüderle, am Montag den Parteivorsitz an, Brüderle lehnte jedoch ab und wird nun nur Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl im Herbst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kommentare

Ein Menetekel für Merkel

Beliebt sein reicht nicht: Im deutschen Wahlkampf zählen nun Themen statt Köpfen.
Außenpolitik

Niedersachsen: Rot-Grün spürt Rückenwind von der Nordsee

Mit einem Vorsprung von einem Mandat wird Stephan Weil neuer Ministerpräsident. Der knappe Sieg verschafft den linken Parteien eine Mehrheit im Bundesrat, mit der sie die Arbeit der Regierung blockieren können.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.