Es zeichnet sich eine hohe Beteiligung ab, was eher dem Mitte-Links-Lager zugute kommen könnte. Insgesamt wird aber ein Rechtsruck erwartet.
Bei der Parlamentswahl in Israel hat sich am Dienstag eine hohe Wahlbeteiligung abgezeichnet. Bis 16 Uhr hatten bereits 46,6 Prozent der insgesamt 5,6 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Bei den letzten Wahlen 2009 waren es bis dahin nur 41,9 Prozent.
Die Führungsspitze der regierenden Likud-Partei sorgte sich am Nachmittag über die Beteiligung im eigenen Lager: "Es gibt Berichte aus klassischen Hochburgen des Likud, dass dort die Wahlbeteiligung niedriger ist als im Landesdurchschnitt", sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach einem Bericht der Nachrichtenseite Ynet. "Daher rufe ich Likud-Wähler aller Generationen dazu auf, alles stehen und liegen zu lassen und wählen zu gehen."
Es wird davon ausgegangen, dass eine hohe Wahlbeteiligung eher dem Mitte-Links-Lager zugute kommen könnte. "Plötzlich kommen die Leute aus ihren Häusern heraus. Vielleicht wird es eine Revolution geben", sagte Ex-Außenministerin Tzipi Livni, die laut letzten Umfragen mit ihrer neu gegründeten Partei Hatnua auf acht bis zehn Mandate in der 120 Sitze umfassenden Knesset kommen könnte.
Umfragen sagten Rechtsruck voraus Insgesamt wird aber mit einem deutlichen Stimmenzuwachs für das rechte Lager gerechnet. Zwar dürfte die rechtskonservative Liste Netanjahus (Likud-Beitenu, Zusammenschluss mit der Partei von Ex-Außenminister Avigdor Lieberman) leicht verlieren. Gemeinsam mit der ultrarechten Partei "Jüdisches Heim" (HaBayit HaYehudi) von Naftali Bennett und der ultraorthodoxen Shas-Partei dürfte das Rechts-Lager auf 63 Sitze kommen.
Die israelische Zeitung Haaretz berichtete am Dienstagnachmittag in ihrer Online-Ausgabe von rund 350 Zwischenfällen - darunter kleinere Raufereien - während des Urnengangs.
Die Wahllokale sind bis 21 Uhr MEZ geöffnet, dann soll es erste Prognosen geben.
Am Dienstag wählt Israel ein neues Parlament. Der rechte Block um Premier Benjamin Netanjahu dürfte einen deutlichen Sieg einfahren, sein Vorsprung schmolz zuletzt aber. Konkurrenz kommt vor allem auch von Rechtsaußen: Netanjahus einst enger Mitarbeiter, Multimillionär Naftali Bennett, punktet mit extremen Positionen zur Palästina-Frage. Ein Überblick über die Parteien, Themen und den Ablauf der 19. Knesset-Wahl. (c) REUTERS (RONEN ZVULUN) 2013 gilt als Entscheidungsjahr im Nahen Osten, vor allem im Atomstreit mit dem Iran. Sollte es keine diplomatische Einigung mit Teheran geben, dürfte Israel weiter auf einen militärischen Schlag gegen die iranischen Atomanlagen drängen. Auch die Zukunft der Friedensgespräche mit Palästina hängt mit vom Ausgang des Urnengangs ab – die Verhandlungen liegen seit September 2010 auf Eis. (Am Bild: Explosion in Gaza Stadt im November 2012) (c) AP (Hatem Moussa) Eigentlich hätte erst im Oktober gewählt werden sollen. Dann aber beantragte Netanjahu die vorzeitige Auflösung des Parlaments. Der Grund: In seiner Koalition aus rechten und rechtsnationalen Parteien fand sich kein Kompromiss für einen Haushaltsentwurf für 2013. Beobachter werfen Netanjahu politisches Kalkül vor: Derzeit kann er recht gute Popularitätswerte vorweisen, bei einem späteren Wahltermin hätte ihm der erwartete Rückgang des Wirtschaftswachstums schaden können (derzeit schwache 3,3 Prozent). (c) EPA (ABIR SULTAN) Die mit 28 Mandaten bisher stärkste Partei Kadima („Vorwärts“) dürfte die stärksten Verluste hinnehmen müssen. Umfragen prognostizieren ihr aktuell nur mehr zwei Sitze. Politisch steht Kadima in der Mitte. Parteivorsitzende war von 2008 bis Ende März 2012 die Ex-Außenminsiterin Tzipi Livni, die dann ihre eigene Partei gründete. Ihr Nachfolger und Kadima-Spitzenkandidat ist Shaul Mofaz (Bild), ehemaliger Generalstabschef der israelischen Streitkräfte und Ex-Verteidigungsminister. (c) AP (David Silverman) Die konservative Likud von Regierungschef Benjamin Netanjahu ist die zweitgrößte Fraktion in der Knesset. Die Vereinigung mit der ultranationalistischen Yisrael Beitenu („Unser Haus Israel“), der Partei von Ex-Außenminister Avigdor Lieberman, könnte Netanjahu jedoch einige Stimmen kosten. In Umfragen kommt die Liste derzeit dennoch auf 34 Sitze - und wäre damit stärkste Kraft. Netanjahu und Lieberman sind Verfechter des Siedlungsbaus im Westjordanland und Ost-Jerusalem. (c) EPA (ABIR SULTAN) Klare Nummer zwei in den Umfragen ist die zionistische Partei der linken Mitte, die sozialdemokratische Awoda („Arbeitspartei“). Zwar traten 2011 fünf Abgeordnete der Partei aus – darunter ihr damaliger Vorsitzender und Verteidigungsminister Ehud Barak. Sie könnte ihre acht Sitze auf 16 verdoppeln. Den Vorsitz hat Shelly Yacimovich inne.Barak rief indes die HaAtzma’ut („Unabhängigkeit“) ins Leben. Sie ist mit fünf Sitzen in der Regierung vertreten. (c) AP (Ariel Schalit) Naftali Bennett, Spitzenkandidat der nationalreligiösen, ultrarechten Habayit Hayehudi („Jüdisches Heim“), geht als Senkrechtstarter in die Wahl. Bennett, der gemeinsam auf einer Liste mit der Nationalen Union kandidiert, werden 14 Sitze vorausgesagt. Derzeit hat der 40-jährige Software-Tycoon nur zwei Mandate. Er ist gegen einen unabhängigen palästinensischen Staat und für die Annexion von 60 Prozent des Westjordanlands. Den Gazastreifen will er Ägypten zuschieben. (c) EPA (JIM HOLLANDER) Ursprünglich ist die Shas eine rechte, ultraorthodoxe, „soziale“ Partei. In der Vergangenheit aber war sie bereits in links, rechts oder von Zentrumsparteien dominierten Regierungen vertreten. Grundsätzlich vertritt sie konservative Juden. Aktuell haben Shas-Mitglieder vier Ministerposten inne. Politisch wird die Partei von Eli Yishaai, Aryeh Deri und Ariel Atias dominiert. Umfragen zufolge kommt sie auf elf Mandate. (c) REUTERS (AMIR COHEN) Die zwei jüngsten Parteien, die sich der Wahl stellen sind die Hatnua („Bewegung“) und die Yesh Atid („Es gibt eine Zukunft“). Die Hatnua wurde 2012 von Ex-Außenministerin Zipora Livni gegründet und könnte auf zehn Mandate kommen, die Yesh Atid des Journalisten Yair Lapid (Bild) auf neun Mandate.Der mit fünf Sitzen in der Knesset vertretenen YaHadut HaTorah HaMeukhedet („Vereinigtes Thora-Judentum“) wird ein Zugewinn von ein bis zwei Mandaten vorausgesagt. (c) EPA (Abir Sultan) Die Offensive im Gaza-Streifen im November rückte das Thema Sicherheit ins Zentrum des Wahlkampfes. Auch der Konflikt um das iranische Atomprogramm, gegen das Netanjahu notfalls mit Gewalt vorgehen will, spielt eine Rolle. Eine Mehrheit der Israelis lehnt einen Alleingang ohne die USA strikt ab. (c) REUTERS (LUCAS JACKSON) In der Palästina- Frage und der Siedlungspolitik gehen die Meinungen stark auseinander. Auf der rechten Seite des Parteispektrums will Bennett rund 60 Prozent der besetzten Gebiete annektieren und lehnt eine Zweistaatenlösung ab. Netanjahus Likud ist zumindest formell weiter zu Verhandlungen mit den Palästinensern bereit. Die politische Mitte und das linke Lager versprechen einen neuen Anlauf für Verhandlungen. (c) AP (Tsafrir Abayov) Vor allem die Parteien der Mitte und im linken Spektrum setzen auf Sozialreformen. Das Thema hat durch die größten Sozialproteste in der Geschichte des Landes im Sommer 2011 an Bedeutung gewonnen. Der Aufstand richtete sich gegen die Benachteiligung der Mittelklasse: Die Lebenshaltungskosten sind sehr hoch, die Einkommen vergleichsweise gering. Auch die konservativen Parteien versprechen Reformen. (c) REUTERS (NIR ELIAS) Das israelische Parlament hat 120 Sitze, 34 Parteien oder Parteienbündnisse sind zu der Wahl zugelassen. Vergeben werden die Mandate nach dem Verhältniswahlrecht, also proportional zum Anteil der jeweiligen Liste. Es gilt eine Zwei-Prozent-Hürde. Eine Briefwahl gibt es nicht. Nur diejenigen Israelis, die vom Staat ins Ausland entsandt wurden, können in Botschaften und Konsulaten abstimmen. Die Wahllokale sind am 22. Jänner von 8 bis 23 Uhr MEZ geöffnet. (c) EPA (JIM HOLLANDER) Rechtes Lager auf dem Vormarsch (APA/AFP/dpa)
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