EU-Lateinamerika-Gipfel: Auf Tuchfühlung mit dem Diktator

(c) EPA (MARIO RUIZ)
  • Drucken

Die Spitzen von 27 EU-Ländern und 33 Staaten Lateinamerikas treffen einander in Santiago. Die Latinos werden von Kubas Raúl Castro angeführt. Kuba wird ein Jahr lang den Vorsitz über den Staatenbund übernehmen.

Das wird das Foto des Gipfels von Santiago: Am Montag wird Chiles Präsident Sebastián Piñera den Vorsitz der „Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten“ (CELAC) an den einzigen anwesenden Diktator weiterreichen. Im Beisein von hohen Vertretern aus 27 EU-Ländern und 33 Staaten Lateinamerikas und der Karibik wird Raúl Castro die höchste internationale Funktion übernehmen, die Kubas Kommunisten je übertragen bekamen. Die Regierung, die in 54 Jahren nicht eine freie Wahl abhielt und nicht ein freies Medium zuließ, soll also ein Jahr lang den Vorsitz über jenen Staatenbund übernehmen, den Hugo Chávez 2011 ins Leben rief.

Venezuelas „Comandante“, der seit Dezember in einer Klinik in Kuba mit den Folgen seiner vierten Krebs-OP kämpft, wird nicht dabei sein, wenn der Bruder und Erbe seines Mentors Fidel Castro endlich groß auf die Weltbühne treten darf. Aber Angela Merkel, François Hollande, Mario Monti, Mariano Rajoy und Werner Faymann dürfen zusehen und das Gipfelfoto mit dem Diktator aufwerten.

Das am Wochenende beginnende Treffen ist bereits das siebte große Stelldichein zwischen Europa und Lateinamerika, das mitten in den chilenischen Sommerferien die Kapitale füllt. 31 Grad und viel Sonne bieten den klimatischen Kontrast zu den Schneemassen in den Schweizer Alpen, wo die Europäer vor den Augen der höchsten Wirtschaftskreise gerade eine Demonstration der frostigen Betriebstemperaturen innerhalb der EU abgegeben haben.

Heterogene Staatenbünde

Sie können sich trösten, denn auch unter den Latinos ist die Einigkeit vor allem auf die Gipfelrhetorik beschränkt. Da sind die Länder des „bloque pacífico“, Mexiko, Kolumbien, Peru und Chile, die mit ihren offenen Wirtschaftssystemen Milliardeninvestitionen anlocken. Da ist das interventionistische Brasilien, dessen riesiger Inlandsmarkt die Europäer anzieht, aber dessen Bürokratie und Handelsschranken Probleme bereiten. Da ist Argentinien, das seine Schulden beim „Pariser Club“, dem viele EU-Länder angehören, bis heute nicht zahlt und das Importbeschränkungen erlässt, die die Regeln des freien Welthandels verletzen – was auch Bundespräsident Heinz Fischer bei seinem Besuch in Buenos Aires im Dezember offen kritisiert hat. Und da sind die Länder der sozialistischen „ALBA“-Gruppe (Bolivien, Ecuador, Venezuela, Nicaragua, einige karibische Kleinstaaten und Kuba) die mit absurden Gesetzen und Verstaatlichungen Investoren verschrecken. Venezuela, das die CELAC vor zwei Jahren als Gegenmodell zur US-dominierten „Organisation amerikanischer Staaten“ OAS ins Leben rief, wird in Santiago von Vizepräsident Nicolás Maduro vertreten, der vor der Abreise kurz nach Havanna flog, um Weisungen einzuholen. Wer die gab  – Chávez, die Gebrüder Castro oder alle drei – wird sich kaum klären lassen.

Paraguay muss draußen bleiben

Die einzige Regierung, die nicht ihre Ferien unterbrechen muss, ist die Paraguays. Das Land wurde nach der Express-Amtsenthebung von Präsident Fernando Lugo bis zur Wahl im Oktober suspendiert, wegen „demokratischer Defizite“. Schließlich ist eines der Ziele der CELAC, die Demokratie zu fördern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.