Nahost: Syrien droht Israel mit Gegenschlag

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Der israelische Luftangriff auf syrisches Territorium hat die Spannungen in der Region weiter erhöht. Moskau protestiert, Jerusalem schweigt. In Israel rechnet man indes nicht mit einem Vergeltungsschlag.

Jerusalem. Einen Tag nach dem israelischen Luftangriff auf syrisches Territorium scheint nur eines sicher: dass es diesen Angriff tatsächlich gegeben hat. Ob es aber ein Waffenkonvoi war, der sich mit in Russland produzierten modernen Luftabwehrraketen des Modells SA-17 auf dem Weg zu den libanesischen Extremisten der Hisbollah (Partei Gottes) befand, oder ob das Ziel eine syrische Forschungsstation für Chemiewaffen war – oder beides – blieb auch am Donnerstag weiter unklar.

Syrien drohte am Donnerstag mit einer „überraschenden Antwort“. Man werde seine Souveränität und sein Territorium verteidigen. In Israel rechnet man indes nicht mit einem Vergeltungsschlag, weder seitens der Hisbollah noch aus Syrien. Assad hat vorläufig genug damit zu tun, die Rebellen im eigenen Land zu bekämpfen. Damaskus hielt auch still, als Israel im September 2007 einen Reaktor bombardierte.

Während der Vorfall in den USA und Europa zunächst gar nicht kommentiert wurde, äußerte Moskau „Besorgnis“. Israels Regierung bewahrte, wie in solchen Fällen üblich, Stillschweigen.

War Angriff erst der Anfang?

C-Waffen oder Luftabwehrraketen in den Händen der Hisbollah, die Israel in ihrem Parteiprogramm als „kleinen Satan“ bezeichnet, den es zu vernichten gelte, sind für Israel eine Schreckensvorstellung. Die Sicherheitskräfte würden „alles tun, um das zu verhindern“, meint Boas Ganor, Direktor des „International Policy Institute for Counter-Terrorism“ in Herzliya. Nach Ansicht Ganors waren die Angriffe diese Woche erst ein Anfang.

Israel und die USA beobachten besorgt den nahenden Sturz des syrischen Regimes. Die nicht konventionellen Waffenarsenale Syriens gehören zu den größten weltweit: „Die Hisbollah und andere Terrorgruppen werden versuchen, die gefährlichen Stoffe an sich zu bringen“, meint Ganor. Sollte es dazu kommen, werde nicht nur Israel in Gefahr sein, sondern es würde „der Terrorismus weltweit auf eine neue Stufe gehoben, wie wir es noch nicht gesehen haben“.

Syrien ist das Bindeglied zwischen dem Iran und der Hisbollah. Die libanesische Terrororganisation mit angeschlossener Partei, die von Irans Revolutionsgarden aufgebaut wurde, wird via Syrien mit iranischen Waffen versorgt. Damaskus half mitunter auch mit eigenen Rüstungsgeschenken an die schiitischen Extremisten aus, um sie für einen eventuellen neuen Krieg mit Israel vorzubereiten. Zum Dank schickte die Hisbollah nun Kämpfer nach Syrien, um dem Assad-Regime zu helfen.

Solange dieses noch entscheiden kann, wer die syrischen Waffen erbt, liegt die Hisbollah als Empfänger nahe. Im Gegensatz zu den offiziellen Befürchtungen, glaubt Brigadegeneral a.D. Schlomo Brom jedoch nicht, dass Syrien C-Waffen an die Hisbollah liefern wird. „Es gibt keinen Präzedenzfall für den Transfer chemischer Waffen aus Staatsbesitz an eine nicht staatliche Organisation.“ Außerdem hält Brom es für fraglich, dass die Hisbollah an Chemiewaffen, „die gegen eine mit Gasmasken gut geschützte Bevölkerung wie die israelische kaum etwas ausrichten könnten“, interessiert sei. Berichten der israelischen Zeitung „Haaretz“ zufolge meldeten sich in den vergangen Tagen tausende Israelis, um ihre alten Gasmasken gegen neue auszutauschen.

Israels Trumpf ist die Luftwaffe

Moderne Luftabwehrraketen in den Händen der Hisbollah wären für Israels Nachrichtendienste und Luftwaffe problematisch. Vorläufig kann die Hisbollah israelischen Aufklärungsflügen am Himmel von Beirut genauso wenig anhaben wie den Kampfflugzeugen und Hubschraubern. Die Luftwaffe war im letzten Krieg im Sommer 2006 für Israel der entscheidende militärische Vorteil. Beim Kampf zu Lande musste die Armee schon damals hohe Verluste einstecken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2013)

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