Budget-Krimi in Brüssel: Österreich zittert um Rabatt

EUGipfel oesterreich zittert Rabatt
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Die Stimmung war zum Start des EU-Gipfels frostig. Entgegen den Ankündigungen von Ratspräsident Van Rompuy wurde vorerst kein Kompromissvorschlag für das Budget bis 2020 vorgelegt.

Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben Donnerstagabend mit fünf Stunden Verspätung ihre Verhandlungen über den künftigen EU-Finanzrahmen begonnen. Die Vorzeichen standen zu Beginn alles andere als günstig. Entgegen den Ankündigungen von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy wurde vorerst kein konkreter neuer Vorschlag mit Zahlen für den Finanzrahmen 2014-2020 vorgelegt. Diplomaten sagten, es habe dafür keinen ausreichenden Konsens unter den Delegationen gegeben.

Die Stimmung war sichtbar frostig. Der französische Staatspräsident Francois etwa würdigte den britischen Premier David Cameron beim obligatorischen Handshake kaum eines Blickes. Es ist mit Sicherheit auch einer der schwierigsten Verhandlungspoker in der Karriere von Werner Fayman, der um einen Rabatt für Österreich feilscht.

Angeblich soll sich zuvor eine "Elefantenrunde" zu Beratungen zurückgezogen haben, der zumindest EU-Ratspräsident Herman van Rompuy, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und ihr britischer Amtskollege David Cameron sowie Frankreichs Präsident Francois Hollande angehören sollen.

Kompromissvorschlag durchgesickert

Der Kompromissvorschlag Van Rompuys, der entgegen der Ankündigungen dann doch nicht vorgelegt wurde, ist bereits vorher durchgesickert: Der nächste mehrjährige EU-Finanzrahmen 2014-2020 soll maximal 995 Milliarden Euro ausmachen. Das Papier würde damit unter der magischen 1000-Milliarden-Grenze liegen.

Ob die 27 Staats- und Regierungschefs diesem jüngsten Kompromiss zustimmen, ist allerdings fraglich. London und Berlin etwa fordern drastische Ausgabenkürzungen. Die Einsparungen gegenüber dem jüngsten Vorschlag Van Rompuys vom November vergangenen Jahres würden derzeit aber "nur" ein Minus von 15 Milliarden bei den Verpflichtungen (von 972 auf 957 Milliarden) ausmachen, bei den Zahlungen würde es eine Reduktion um 30 Milliarden von 935 auf 905 Milliarden Euro geben. Die Verpflichtungen sind beim letzten Entwurf jedoch unter Einschluss von den außerhalb des Budgets liegenden Posten Solidaritätsfonds und Entwicklungsfonds insgesamt bei 1010,77 Milliarden gelegen, wobei bei Abzug von 15 Milliarden eben die gut 995 Milliarden Euro übrig blieben.

Diskussionen dürfte es vor allem noch im Agrarbereich gehen. Nach dem letzten Van-Rompuy-Papier hätte Österreich bei der ländlichen Entwicklung gegenüber dem Kommissionsvorschlag statt einer Kürzung von 4,1 Milliarden auf 2,9 Milliarden lediglich Einbußen auf 3,6 Milliarden hinnehmen müssen. Bei den Agrar-Direktzahlungen verliert Österreich nur ein Prozent - von 715 Millionen Euro jährlich auf 707 Millionen Euro - das heißt über sieben Jahre von 5,0 auf 4,95 Milliarden Euro. VP-Umweltminister Niki Berlakovich hatte bekanntlich im Falle drastischer Kürzungen für die heimischen Bauern bereits die Vetokeule gefordert.

Faymann: "Dann werden wir das auch tun"

Für Österreich geht es in Brüssel jedenfalls um viel (Geld). Die Alpenrepublik droht bei dem EU-Gipfel nämlich auch einen Teil ihres EU-Rabatts zu verlieren. Kanzler Faymann will notfalls zur Gänze auf den Österreich-Rabatt  bestehen. Sollte es eine Einigung auf ein neues System geben, wäre Österreich dabei, aber "wenn die einen verlangen, dass alles bestehen bleibt, werden wir Österreicher das auch tun", so Faymann Donnerstagabend in Brüssel.

Die Gefahr eines Scheiterns des Gipfels sei "immer gegeben, wenn die Regierungschefs nicht das Wichtigste im Auge haben, nämlich, dass wir ein gemeinsames Ergebnis wollen". Natürlich vertrete auch jeder seine Interessen, dies gelte auch für Österreich. "Das kann man niemand übel nehmen. Aber bei so vielen Arbeitslosen, vor allem jungen Arbeitslosen in Europa wäre es eine Niederlage, nichts zustande zu bringen".

Darauf angesprochen, wo Österreich bereit sei, nachzugeben, sagte Faymann, "wir habe immer gesagt, von Anfang an, dass wir im Unterschied zu anderen nicht verlangen, einfach weniger zu zahlen, weil wir wissen, bei uns ist Wohlstand, das Prokopf-Einkommen ist so, dass wir 0,32 oder 0,33 oder 0,34 Prozent (der Wirtschaftsleistung) für den europäischen Haushalt beitragen". Der Kanzler meinte: "Da habe ich von vornherein auf große Sprüche verzichtet, im Interesse der Gemeinsamkeit".

27 Länder kämpfen um eine Billion Euro

Vor Beginn des Gipfels waren die zu Wochenbeginn noch relativ hohen Erwartungen für eine Einigung jedenfalls gedämpft.Cameron drohte neuerlich mit einem Veto, sollte nicht weiter gekürzt werden, Merkel sah die Positionen noch weit auseinander. Die EU-Staats- und Regierungschefs werden von Donnerstag an bei ihrem Gipfel um Brüsseler Budget-Milliarden bis zum Ende des Jahrzehnts feilschen. Weitere Einschnitte beim Haushaltplan scheinen unvermeidlich. Die EU-Finanzplanung setzt Obergrenzen für die Ausgaben der Europäischen Union in den Jahren 2014 bis 2020. Der bisher letzte Vorschlag des EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy für sogenannte Verpflichtungsermächtigungen von maximal 1009 Milliarden Euro ist noch umstritten. Dieser Betrag liegt um rund 82,8 Milliarden Euro unter einem Vorschlag der EU-Kommission. Lässt man - so die EU-Kommission - mehrere "Schattenhaushalte", vor allem Entwicklungshilfe, außer Betracht, so liegt das Volumen der Finanzplanung bei 971,9 Milliarden Euro.

Bei den Verpflichtungsermächtigungen geht es darum, welche Finanzzusagen die EU machen darf, auch für mehrjährige Vorhaben. In dem Betrag von 1009 Milliarden Euro sind auch verschiedene Fonds enthalten, die offiziell außerhalb des "mehrjährigen Finanzrahmens" geführt werden. Vom EU-Haushalt werden nur etwa 6 Prozent für Verwaltung und Personal ausgegeben. Mehr als 90 Prozent fließen wieder in die EU-Staaten zurück.

Größter Ausgabenblock ist das Segment "Nachhaltiges Wachstum" mit einem Anteil von 45,5 Prozent an den Gesamtausgaben. Van Rompuy schlug zuletzt eine Obergrenze von 459,7 Milliarden Euro vor, 43,6 Milliarden Euro oder 6,6 Prozent weniger als die Kommission. Dazu zählen auch die Strukturfonds, mit denen ärmere Regionen vor allem im Osten und Süden des Kontinents gefördert werden. Die Kommission hatte dafür rund 339 Milliarden Euro vorgeschlagen, Van Rompuy kürzte auf 320 Milliarden Euro (fast 32 Prozent des Gesamtvolumens). Gut 139 Milliarden Euro sollen für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum ausgegeben werden, knapp 25 Milliarden Euro weniger als die Kommission vorschlug.

Zweitgrößter Ausgabenblock ist die Agrarpolitik. Die von Van Rompuy vorgeschlagenen Ausgaben liegen bei 372 Milliarden Euro. Das wären 36,8 Prozent des Gesamtbetrages und 17,7 Milliarden Euro weniger als im Vorschlag der Kommission. Von den 372 Milliarden Euro sind 277,8 Milliarden Euro als Direktzahlungen an Landwirte und Marktausgaben vorgesehen.

Für die Sparte Unionsbürgerschaft, Freiheit, Sicherheit und Recht schlägt Van Rompuy 16,7 Milliarden Euro vor. Die EU in der Welt (Außenpolitik) ist mit 60,7 Milliarden Euro in der Planung präsent. Die Verwaltungsausgaben sind mit 62,6 Milliarden Euro (6,1 Prozent des Gesamtvolumens) veranschlagt.

(APA/Red.)

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