Deutschland: Bildungsministerin Schavan gibt auf

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Deutschland Schavan gibt(c) REUTERS (TOBIAS SCHWARZ)
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Mit dem Rücktritt der Ministerin verliert Merkel "sehr schweren Herzens" ihre treueste Verbündete. Die scheidende niedersächsische Wissenschaftsministerin Johanna Wanka übernimmt.

Das Ende kam schnell, korrekt und unter Wahrung der Würde. Als die Universität Düsseldorf Annette Schavan am Dienstagabend den Doktortitel entzog, weilte die deutsche Bundesministerin für Bildung und Forschung noch im Rahmen einer Dienstreise in Südafrika. Dreizehn Stunden dauerte am Freitag der Rückflug von Kapstadt. Zeit genug, um „gründlich über die politischen Konsequenzen“ der Plagiatsaffäre nachzudenken. In Berlin wartete schon das Blitzlichtgewitter der Fotografen auf die CDU-Ministerin. Sie flüchtete sich in ihren Dienstwagen, hielt sich schützend eine Jacke über den Kopf. Kurz darauf bot Schavan Kanzlerin Merkel den Rücktritt an.

Am frühen Samstagnachmittag traten beide vor die Presse. Noch einmal verteidigte sich die Bildungspolitikerin, die nun ohne akademischen Abschluss dasteht: „Ich habe weder abgeschrieben noch getäuscht.“ Das harte Urteil werde sie nicht akzeptieren. Aber „wenn eine Forschungsministerin gegen ihre eigene Universität klagt“, dann sei das eine „Belastung“ für das Amt, die Regierung und die CDU. „Das geht nicht, das Amt darf nicht beschädigt werden“ – deshalb trete sie zurück, so lautet die Sprachregelung, nicht wegen des aberkannten Titels.

Mehrheit forderte Rücktritt. Merkel betonte, dass sie den Rücktritt nur „sehr schweren Herzens“ angenommen habe. In diesem Fall darf man die höfliche Floskel wörtlich nehmen. Mit Schavan verliert die deutsche Kanzlerin ihre loyalste Verbündete. Eineinhalb Jahrzehnte lang kämpften sie Seite an Seite und pflegten das gleiche Image: ruhig, bescheiden, uneitel, aber resolut und durchsetzungsfähig. Für die protestantische Ostdeutsche Merkel baute die katholische Westdeutsche Schavan eine Brücke zu Heimat und Kernschichten der Union. Die persönliche Freundschaft „wirkt über diesen Tag hinaus“, versicherte Schavan.

Politisch freilich blieb Merkel kaum etwas anderes übrig, als sich von dem angeschlagenen Kabinettsmitglied zu trennen. Eine Forschungsministerin, die beim Dissertieren nach Einschätzung ihrer eigenen Universität „systematisch und vorsätzlich“ getäuscht hat, wäre sieben Monate vor der Bundestagswahl ein gefundenes Fressen für die linke Opposition gewesen – auch wenn Sigmar Gabriel am Freitag erklärte, die Situation täte ihm für die Betroffene „leid“, weil sie eine „ausgesprochen kluge und anständige Kollegin“ sei. Die noble Geste konnte sich der SPD-Chef leisten, Volkes Stimme hatte schon gesprochen: 59 Prozent der Deutschen forderten Schavans Rücktritt, nur 29 Prozent wollten sie weiter im Amt sehen. Spätestens damit war klar: Nur ein geordneter Rückzug konnte Merkels Wahlkampf retten.

Ein Profi übernimmt. Der Rechtsstreit wird sich zudem über viele Monate hinziehen, die Chancen der Klägerin schlecht stehen. Noch nie hat ein Gericht den Entzug eines Doktortitels rückgängig gemacht. Denn der Ermessensspielraum der Hochschulen ist in Plagiatsfällen so groß, dass nur Formfehler oder grobe Fehleinschätzungen ihr Verdikt infrage stellen können.

Nicht nur der Rücktritt, auch die Nachfolge wurde eilig entschieden: Die scheidende niedersächsische Wissenschaftsministerin Johanna Wanka übernimmt. Sie braucht eine neue Aufgabe, weil die schwarz-gelbe Landesregierung in Hannover am 20. Jänner abgewählt wurde. Die gebürtige Ostdeutsche ist vom Fach, eine erfahrene Bildungspolitikerin, aber in der Öffentlichkeit fast unbekannt. Die 61-jährige Professorin hat wenig zu verlieren – und wenig zu gewinnen: Der Job ist undankbar, weil sich ein Neueinsteiger in den letzten Monaten einer Legislaturperiode kaum profilieren kann.

Neue Ministerin

Johanna Wanka
(61) kommt aus Sachsen, studierte Mathematik und war Rektorin der Technischen Hochschule Merseburg. Seit 2000 amtierte sie als CDU-Wissenschaftsministerin, erst in Brandenburg, dann in Niedersachsen. Akzente setzte sie dabei wenige. Zuletzt wollte sie die Unis für bildungsferne Schichten öffnen. Mit ihrer Vorgängerin Schavan hat sie das Jahr der Dissertation (1980) gemein – hoffentlich kein schlechtes Omen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2013)

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