Parlamentswahl: Krisenland Italien droht Polit-Blockade

Parlamentswahl: Krisenland Italien droht Polit-Blockade
Parlamentswahl: Krisenland Italien droht Polit-BlockadeREUTERS
  • Drucken

Bersanis Linke holt das Unterhaus, im Senat hat jedoch kein Lager eine Mehrheit. Berlusconi schneidet überraschend stark ab.

Wien/ROM/Ag./HD/Basta. Stabilität. Das war es, was sich nicht nur viele Italiener, sondern vor allem auch das europäische Ausland primär von der Parlamentswahl am Sonntag und Montag erhofft hatten. Doch nun wurden die größten Befürchtungen der EU Realität: Dem hochverschuldeten Euroland droht de facto die Unregierbarkeit.

Denn im Parlament ist es zu einem Patt gekommen. Die Sozialdemokraten unter Pier Luigi Bersani konnten die Abgeordnetenkammer mit 29,5 Prozent der Stimmen für sich entscheiden. Laut Wahlrecht erhält der Sieger automatisch 55 Prozent der Sitze im Unterhaus.

Im Senat hat jedoch kein Lager eine Mehrheit. Bersani kam hier laut offiziellen Ergebnissen auf 31,6 Prozent, die Mitte-Rechts-Allianz um seinen Rivalen Silvio Berlusconi erreichte überraschend 30,7 Prozent. Da die Mandate im Senat entsprechend der Einwohnerzahl verteilt werden, ergaben sich laut Hochrechnungen für Berlusconis Lager 115 Sitze, auf Bersanis Bündnis entfallen 120 Senatoren.

Der frühere Premier und Medienzar dürfte somit sein Ziel erreicht haben. Im Wahlkampf hatte Silvio Berlusconi mehrmals gedroht, er werde sämtliche Vorhaben des linken Regierungsbündnisses blockieren.

Dramatische Folgen für Euro

Angesichts dieses Horror-Szenarios sprachen einige Politiker des Mitte-Links-Bündnis gestern Abend bereits offen von baldigen Neuwahlen. Das würde aber weitere Monate des politischen Stillstandes bedeuten. Und genau das kann das dringend reformbedürftige Italien sich jetzt am wenigsten leisten: Ein blockiertes, unregierbares Italien könnte erneut den Zinssatz italienischer Staatsanleihen in die Höhe treiben. Die Folge: Der bereits enormen Schuldenberg der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone würde dann weiter wachsen - und das könnte dramatische Konsequenzen für die gesamte Einheitswährung haben.

Monti, der klare Verlierer

Über dieses verunsichernde Wahlergebnis strahlten indes, wenn man so will, die „Fünf Sterne" Beppe Grillos: Die Bewegung des populistischen Ex-Komikers, der den Wahlkampf mit Anti-EU-Parolen und beherztem Griff in die Fäkalsprache bestritt, erreichte im Abgeordnetenhaus 25,55 Prozent der Stimmen und ist damit stärkste Einzelpartei.

Damit ist der Demagoge zur drittstärksten politischen Kraft im Land geworden. Beppe Grillo, der sich als Alternative zum Politbetrieb inszenierte und zum ersten Mal bei einer Wahl antrat, dürfte vor allem im Lager ehemaliger Berlusconi-Wähler gewildert haben. Zudem konnte er viele von jahrelangen Skandalen und Misswirtschaft frustrierte und angewiderte Wähler für sich gewinnen.

Grillo schloss am Wahlabend aus, dass seine Protestbewegung angesichts der unklaren Machtverhältnissen eine Allianz mit den Traditionsparteien im Parlament eingehen könne.

Weit hinter sich ließ Grillo den noch amtierenden Technokraten-Premier Mario Monti: 10,56 Prozent (Abgeordnetenkammer) sprachen sich für den Reformkurs des seriösen Ökonomen aus Mailand aus. Damit ist der Hoffnungsträger der Europäischen Union der klare Verlierer dieser Wahl.

Börse auf Talfahrt

Die Mailänder Börse reagierte am Dienstag mit starken Verlusten auf das Wahlergebnis. Der FTSE-Mib-Index verbuchte einen Rückgang von 3,9 Prozent. Auch die Lage an den Anleihemärkten für Italien sowie Portugal und Spanien trübte sich ein (--> mehr dazu).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26. Februar 2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Grillo: Italien wird zusammenbrechen
Außenpolitik

Beppe Grillo: Italien wird zusammenbrechen

"Ich gebe den alten Parteien noch sechs Monate - und dann ist hier Schluss", lautet Grillos Prognose. Der Gründer der Partei Fünf Sterne fordert, Italiens Staatsschulden neu auszuhandeln.
Italien Neuwahlen Bersani schliesst
Außenpolitik

Bersani lehnt Große Koalition ab: Italien vor Neuwahlen?

Der Chef der Mitte-Links-Allianz schließt ein Regierungsbündnis mit Berlusconi aus. Das Krisenland Italien steuert damit in die Unregierbarkeit.
Lira
Economist

CDU-Budgetexperte empfiehlt Italien Rückkehr zur Lira

Der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch spricht sich für einen Austritt Italiens aus dem Euro aus.
Italien Neue Ermittlungen gegen
Außenpolitik

Italien: Neue Ermittlungen gegen Berlusconi

Nur Tage nach dem Comeback des Medienzaren beschäftigt sich die Justiz gleich zweifach mit ihm: Im Fall eines umstrittenen Wahlkampfbriefs geht es um "Stimmenkauf".
Italiens Präsident Giorgio Napolitano
Außenpolitik

Napolitano: Steinbrücks Clown-Sager "nicht in Ordnung"

Italiens Präsident Napolitano bedauert die Wortwahl des SPD-Kanzlerkandidaten. Die FDP wirft Steinbrück vor, "zu einem deutschen Peerlusconi" zu mutieren.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.