Pier Luigi Bersani ist die Antithese zu Berlusconi: bieder und bescheiden.
Wien/Gau. „Ich würde gern Italien regieren, aber weiterhin zu Fuß durch Rom gehen“, wünschte sich Pier Luigi Bersani vor der Wahl. Wunsch erfüllt? Selbst wenn der Mitte-links-Kandidat der Partito Democratico (PD) eine schwache Regierung bilden kann: Sich gewohnt bescheiden unter das Volk zu mischen wird dem 61-Jährigen künftig schwerfallen. Der Mann, der ausgezogen ist, um Berlusconi endgültig in den Ruhestand zu verbannen, ist selbst der personifizierte Anti-Berlusconi: Halbglatze statt Haarimplantat, treue Ehe statt amouröser Eskapaden, Bier statt Champagner, holprige Auftritte statt glamouröser Show. In einem Land, in dem Politik so gern als große Oper mit voller Lautstärke in grellen Farben inszeniert wird, könnte ein ruhiger, pflichtbewusster Genosse des Volkes mit Zigarrenstummel im Mund die Hauptrolle übernehmen.
Der Sohn eines Tankstellenbetreibers kommt aus einem kleinen Dorf der Emilia am Fuße des Apennins. In der Heimat von Don Camillo und Peppino war „das rote Schaf“, wie man ihn bald nannte, erst Messdiener, dann Kommunist, ein recht revolutionärer noch dazu. Doch als Berufspolitiker konvertierte der gelernte Philosoph zum blassroten Pragmatiker.
In Prodis beiden Regierungen bewährte sich der Wirtschaftsfachmann als unermüdlicher Kämpfer gegen Monopole und Zunftprivilegien: Vom Stromkonzern bis zum Taxilenker, alle mussten sich seinem Liberalisierungseifer beugen.
Seit 2009 ist Bersani Vorsitzender des Linksbündnisses. In der schweren Schuldenkrise nach Berlusconis Rücktritt verzichtete er auf Neuwahlen, unterstützte lieber selbstlos die Technokratenregierung Montis. Dessen Kurs will er fortführen: sparen, reformieren, wieder wettbewerbsfähig werden – aber mit klar linkem Akzent. Denn wie Hollande in Frankreich scheut sich der vorsichtige Politprofi, die Gewerkschaften vor den Kopf zu stoßen. Was bei solchen Widersprüchen herauskommt, ist so offen wie die Folgen dieser Wahl.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2013)