Schwere Unruhen im Westjordanland nach dem Tod eines Häftlings

(c) EPA (ATEF SAFADI)
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Nach der Trauerfeier für den 39-jährigen Mann schieben sich Israelis und Palästinenser gegenseitig die Schuld für die jüngste Eskalation zu.

Jerusalem. Die Eskalation nach dem Tod des Häftlings Arafat Jaradat im Westjordanland dauert an. Mehr als 20.000 Palästinenser begleiteten gestern, Montag, den Beerdigungszug für den 39-Jährigen, der am Samstag nach israelischen Informationen einem Herzschlag erlag. Nach der Trauerfeier zogen hunderte Palästinenser erneut auf die Straße, steckten Autoreifen in Brand und warfen Steine. Die Soldaten reagierten mit Tränengas und Gummigeschossen. Etwa ein Drittel der insgesamt 4500 palästinensischen Häftlinge, die alle am Vortag aus Solidarität mit Jaradat die Nahrungsmittelaufnahme verweigert hatten, setzte auch gestern seinen Hungerstreik fort.

Die palästinensische Version für den Tod des Mannes lautet Folter. Eine am Sonntag vorgenommene Autopsie brachte keine einstimmige Aufklärung der Todesursache.

Solidarität mit Häftlingen

Schon vor dem Tod des Häftlings gab es Demonstrationen im Westjordanland gegen die israelische Praxis der Administrativhaft und für bessere Bedingungen in den Gefängnissen. Solidarität mit den Häftlingen ist Konsens unter den Palästinensern. Hinter israelischen Gittern sitzen die Helden im Widerstandskampf gegen die Besatzung. Mehrere inhaftierte Langzeit-Hungerstreikende befinden sich in unmittelbarer Lebensgefahr. Samer al-Issawi verweigert seit 219 Tagen die Aufnahme normaler Nahrung. „Sollte al-Issawi im Gefängnis sterben, wird die Region in Brand geraten“, warnte der arabisch-israelische Knesset-Abgeordnete Mohammad Barake. Israel macht die palästinensische Führung für die neuen Unruhen verantwortlich und forderte dazu auf, die Situation zu beruhigen. „Es gibt viele Anzeichen, dass die palästinensische Autonomiebehörde versucht, die Anspannung im Westjordanland im Vorfeld des Besuches von US-Präsident Barack Obama in der Region anzuheizen“, schrieb die konservative „Jerusalem Post“. Obama wird am 20.März in der Region erwartet. Eine Mini-Intifada könnte den Palästinensern hilfreich sein, so angeblich die Hoffnung in Ramallah, wo man auf eine erneute Initiative für den Friedensprozess wartet.

Die Autonomiebehörde wies den Vorwurf einer gezielten Volksaufwiegelung zurück und macht umgekehrt Israel für die neuen Unruhen verantwortlich. Hannan Aschrawi, Mitglied im Exekutivkomitee der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) fordert eine UN-Untersuchung von Jaradats Tod.

Der Vater des verstorbenen Häftlings, Abu Mohammed Jaradat, der die Leiche seines Sohnes gesehen hat, glaubt, dass er zu Tode geprügelt wurde. Sein Körper habe Blutspuren aufgewiesen und Anzeichen von Gewalteinwirkung „von Kopf bis Fuß“. Die israelischen Pathologen, die die Autopsie in Gegenwart eines palästinensischen Kollegen vornahmen, gehen davon aus, dass mehrere Druckstellen und möglicherweise auch zwei gebrochene Rippen auf Wiederbelebungsversuche der Sanitäter zurückzuführen sind. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung am Montag letzter Woche sei Arafat Jaradat, der offenbar zu den Fatah-nahen Al-Aqsa-Brigaden gehörte und bei einer Demonstration Steine auf Soldaten geworfen haben soll, gesund gewesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2013)

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