„EU-Mitgliedschaft ist keine humanitäre Hilfe“

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Der slowakische Außenminister und Balkan-Experte Miroslav Lajčák sieht die EU-Erweiterung vor allem in Südosteuropa als beidseitige Verpflichtung, Neumitglieder sollten aber auch keine Probleme in die Union „importieren“.

Miroslav Lajčák (*20. März 1963 in Poprad, Ostslowakei) ist seit April 2012 zum zweiten Mal nach 2009/2010 Außenminister der Slowakei und erstmals Vizepremier. Er ist mit der TV-Moderatorin Jarmila Hargašová verheiratet und hat zwei Töchter. Er erwarb sich Anerkennung, als er für die UN das Unabhängigkeitsreferendum von Montenegro 2006 überwachte. In Bosnien-Herzegowina biss er als Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft und EU-Sondergesandter (2007–09) mit seiner Vermittlung aber auf Granit und gab 2009 auf. Sein Nachfolger wurde der Österreicher Valentin Inzko.

Die Presse: Die Slowakei ist ein besonders vehementer Befürworter der EU-Erweiterung. Hat die EU nicht schon zu viele Probleme, um nach Kroatien noch mehr Mitglieder aufzunehmen?

Miroslav Lajčák: Was heißt EU-Erweiterung? Das ist nichts anderes als die Aufnahme von Mitgliedern, die vollkommen vorbereitet darauf sind. Wir müssen Ländern, die sich dafür interessieren, eine Perspektive geben. Auch die Transformation in der Slowakei wäre nicht so erfolgreich gewesen, hätten wir nicht die Perspektive einer EU-Mitgliedschaft gehabt. Es muss ein realistisch gestecktes Ziel präsentiert werden, das zu erreichen ist.

Also doch strenge Kriterien?

Die EU-Mitgliedschaft ist kein Geschenk und keine humanitäre Hilfe. Ich sage bei Balkan-Reisen immer: „Das Ziel eurer Mitgliedschaft ist nicht nur, dass ihr gestärkt werdet, sondern dass auch ihr die EU durch eure Mitgliedschaft stärkt.“ Dazu müssen klare Kriterien erfüllt werden. Aber wenn die Bedingungen erfüllt sind und das Land die Kompatibilität mit allen EU-Standards erreicht, dann ist es auch natürlich, dass uns das Land als Mitglied keine Probleme bringt. Es ist unnütz, darüber zu spekulieren, dass die EU angeblich erweiterungsmüde sei. Erweiterung ist eine beidseitige Verpflichtung.

Kroatien hat die Kriterien erfüllt?

Es gibt laut letztem Bericht der EU-Kommission noch Reste. Aber die Kommission zeigte Optimismus, dass diese bis 1. Juli erfüllt werden.

Sie waren in Bosnien-Herzegowina als Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft und EU-Sondergesandter. Zuletzt haben Sie kritisiert, dass es dort wenig Fortschritt gibt. Hat sich das seither gebessert?

Leider nein. Es tut mir wirklich leid, aber Bosnien-Herzegowina bildet immer mehr den „Schwanz“ der Region und gerät weiter in Rückstand. Während andere Länder sichtbare Fortschritte machen, sieht es in Bosnien-Herzegowina so aus, als ginge nichts weiter. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern zeigt sich in den Fortschrittsberichten der EU-Kommission.


Woran liegt das?

Der Staat als solcher ist schon kompliziert konzipiert. EU-Integration verlangt aber große Effizienz etwa in der Verwaltung. Wenn alle Seiten nur darauf schauen, ihre Vorteile aus dem Dayton-Friedensvertrag nicht zu verlieren und daher abwechselnd alle Änderungen im System blockieren, dann geht nicht viel weiter. Andererseits muss man auch sagen, dass der Europäische Gedanke im Land viel mehr Unterstützung genießt als jede andere Perspektive. Das gibt Hoffnung, dass es doch Einigungen gibt. Beispiel: Als die Nachbarn die Visafreiheit für Reisen in die EU bekamen, nur Bosnien-Herzegowina nicht, war plötzlich eine Einigung auf alles möglich, was im Weg stand.

Politischer Druck zeigt also Wirkung?

Ja, da haben alle Parteien gesehen, dass die Bürger keine weitere Verzögerung akzeptieren werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2013)

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