Nordkorea: Warum Kim den Atomkrieg beschwört

North Korean leader Kim Jong-Un  waves from a boat in the southwest of Pyongyang
North Korean leader Kim Jong-Un waves from a boat in the southwest of PyongyangREUTERS
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Der Diktator kündigt den Nichtangriffspakt auf, droht mit Nuklearschlag und Krieg zur "Wiedervereinigung". Aus dem Bluff könnte tödlicher Ernst werden.

Tokio/Seoul. Diesmal meldete sich der Genosse Führer selbst zu Wort. „Alle Streitkräfte am Boden, der Marine, der Luftwaffe und Luftabwehr sowie der strategischen Raketenverbände stehen für einen totalen Krieg in voller Bereitschaft.“ Mit dieser Drohung zitierte die amtliche Pjöngjanger Nachrichtenagentur KCNA den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong. Kim soll bei einer „Frontinspektion“ auf zwei nordkoreanischen Inseln im Chinesischen Meer zudem angekündigt haben, den „Befehl zum Beginn des gerechten großartigen Vorrückens für die nationale Wiedervereinigung“ erteilen zu wollen. Zuvor hat die KCNA verbreitet, dass Pjöngjang „sämtliche Punkte des Nichtangriffspaktes zwischen dem Norden und dem Süden außer Kraft setzt“.

Zwar haben Nordkoreas Diktatoren schon häufig martialisch gedroht, aber noch nie so direkt und vor allem nicht persönlich, sondern meist durch indirekte Verlautbarungen. Einiges spricht dafür, dass die Zeichen diesmal wirklich auf eine – vielleicht noch lokal begrenzte – militärische Konfrontation auf dem 38. Breitengrad stehen. Zwar gilt es nach wie vor als unwahrscheinlich, dass der 29-jährige Oberste Befehlshaber von rund sieben Millionen aktiven Soldaten, Reservisten und Frauenbataillonen schon am Donnerstag den angedrohten atomaren Präventivschlag gegen die USA wagt. Aber Kim Jong-un betont damit sein Denkmodell „Alle Welt muss vor Nordkorea Angst haben“.

Isoliertes Regime

Experten bezweifeln schon länger, dass Pjöngjang, das unlängst erfolgreich eine Langstreckenrakete abgefeuert und einen Atomtest durchgeführt hat, je zu ernsthaften Gesprächen über Frieden und Abrüstung oder gar sein Nuklearwaffenprogramm bereit war.

Die jüngsten UN-Sanktionen, die in ungewohnter Einheit auch von China und Russland mitgetragen werden, müssen der Kim-Clique klargemacht haben, dass sie sich auch von ihren letzten verbliebenen Verbündeten immer weiter entfremdet und international völlig isoliert dasteht. Schon seit Jänner gilt ein Einreiseverbot für ranghohe Mitarbeiter am Atomprogramm. Jetzt soll es auf Angehörige des diplomatischen Dienstes Nordkoreas erweitert werden. Auch die Staatskonten Nordkoreas werden verstärkt eingefroren. Schon seit Jahren gilt ein Waffenembargo, das auch die Auslandslieferungen von Raketenteilen, etwa in den Iran einschließt. Zudem wird Pjöngjang wirtschaftlich von seinen illegalen Devisenressourcen wie dem Handel mit Drogen und falschen Dollarscheinen abgeschnitten. Auch wenn Peking sehr wahrscheinlich die Auswirkung dieser Sanktionen abmildern wird, muss sich die nordkoreanische Führung extrem bedrängt fühlen. Offensichtlich sieht zumindest die militärische Führung des altstalinistischen Machtapparats keinen anderen Weg als den Marschbefehl nach vorn.

Gewaltige Militärmanöver

Politisch besteht jetzt die Gefahr, dass sich Kim und Genossen international in eine Ecke manövrieren, die sie ohne Gesichtsverlust, vielleicht sogar ohne Machtverlust nicht verlassen können. Offiziell wird nun davon gesprochen, dass die Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea nicht mehr zu kitten seien. Auf der koreanischen Halbinsel sei die Lage „extrem gefährlich“, ein Atomkonflikt könnte „jetzt und jeder Zeit ausbrechen“. Auf jede Grenzverletzung – selbst wenn es sich „nur um einen Zentimeter“ handle – werde Pjöngjang „gnadenlos“ reagieren.

Das besonders Bedrohliche an dieser Situation ist, dass beide Seiten – Nordkorea sowie Südkorea mit den USA – kurz vor gigantischen Militärmanövern stehen. Am 11. März werden Seoul und Washington, wie in jahrzehntelanger Routine erprobt, über 210.000 Soldaten in die Kriegsübung „Foal Eagle“ schicken. Im Gegenzug will Pjöngjang das zwar brüchige, aber immerhin sechs Jahrzehnte funktionierende Internationale Waffenstillstandsabkommen einseitig kippen, was eine neue Eskalationsstufe bedeuten würde. Zudem will Kim eine bisher unbekannte, aber bestimmt nicht geringe Zahl von Waffenträgern für eine Übung zusammentrommeln, die bezeichnenderweise „Invasion“ heißt.

Unter dem Atomschirm der USA

Die Kriegsrhetorik provoziert auf der anderen Seite der Grenze ebenso irrationale Gegenreaktionen. Das Militär in Seoul reagierte in scharfem Ton. Sollte der Norden gar mit Atombomben angreifen, würde das Regime von Kim Jong-un daran zugrunde gehen, erklärte ein Sprecher des südkoreanischen Verteidigungsministeriums am Freitag.

Als Verbündeter steht Südkorea unter dem US-Atomschirm. Weißes Haus sowie State Departement versichern unisono, dass die „USA voll und ganz in der Lage sind, sich gegen nordkoreanische Raketendrohungen zu verteidigen“. Aber bisher glaubt kaum einer in Nordostasien, dass es zu diesem Äußersten kommt, weil Pjöngjang schon einmal 2009 ohne Folgen den Waffenstillstand mit Seoul ausgesetzt hatte – aber viel Hoffnungen auf eine baldige Deeskalation gibt es auch nicht.

Auf einen Blick

Das Regime in Pjöngjang hat den Nichtangriffspakt zwischen Nord- und Südkorea aufgekündigt. Zudem drohte Diktator Kim Jong-un bei einem Truppenbesuch mit einem Krieg zur „nationalen Wiedervereinigung“ – also mit einer Invasion im Süden. Sowohl Südkorea und sein Verbündeter USA als auch Nordkorea planen gewaltige Militärmanöver.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2013)

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