Irak: Der Terror kehrt nach Bagdad zurück

Irak Terror kehrt nach
Irak Terror kehrt nach(c) REUTERS (SAAD SHALASH)
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Mit dem Angriff auf das Justizministerium setzte die al-Qaida ein Zeichen zum 10. Jahrestag des Irak-Kriegs. Trotz der neuen Anschlagswelle bemühen sich Bagdads Bürger um Normalität.

Es war gerade früher Nachmittag, als vier heftige Detonationen das Regierungsviertel der irakischen Hauptstadt Bagdad erschütterten. Dunkle Rauchsäulen stiegen auf. Kurz danach patrouillierten Helikopter über dem Justiz- und dem Außenministerium. Die Sicherheitskräfte sperrten die Zufahrtswege ab. Danach waren Feuergefechte zu hören. Mehr als ein Dutzend Menschen fanden bei dem Angriff am Donnerstag den Tod.

„Bewaffnete sind in das Gebäude des Justizministeriums eingedrungen“, erklärte General Saad Maan, Sprecher des Innenministeriums, auf Anfrage der „Presse“. „Sie legten Feuer im zweiten Stock und versuchten, Geiseln zu nehmen.“ 40 Personen hätten sich an der Attacke beteiligt. Bei ihrem Abzug hätten sie wichtige Dokumente mitgenommen, sagt der General. Seiner Meinung nach stecken hinter der Attacke die Terrororganisation al-Qaida und Anhänger des ehemaligen Saddam-Regimes.

Mit dem Überfall wurde wahr, was viele Iraker schon seit Längerem befürchtet hatten: Gewalt und Terror sind in das Herz der Hauptstadt zurückgekehrt. Die Spannungen im Land waren zuletzt kontinuierlich gewachsen. In der Provinz Anbar westlich von Bagdad protestieren die Menschen seit Wochen gegen Arbeitslosigkeit, schlechte Versorgung und gegen den, der ihrer Meinung nach dafür verantwortlich ist: Premier Nouri al-Maliki. Seine schiitisch dominierte Regierung wirft den sunnitischen Demonstranten in Anbar vor, von Anhängern des gestürzten Diktators Saddam Hussein und al-Qaida unterwandert zu sein.

Bereits vor dem Angriff am Donnerstag hatte die Zahl der Attentate wieder zugenommen. Und sie könnte weiter steigen, denn die kommende Woche hält ein Datum mit besonderer Symbolkraft bereit: Vor zehn Jahren, am 19. März 2003, starteten die USA ihren Feldzug gegen Saddam Hussein. Der Tyrann wurde gestürzt, und erstmals durfte eine bunte Palette von Parteien in einen politischen Wettbewerb eintreten. Doch das bedeutete nicht das Ende des Blutvergießens. Es folgten ein Aufstand gegen die US-Truppen, eine Terrorwelle al-Qaidas und ein Bürgerkrieg zwischen schiitischer Mehrheit und sunnitischer Minderheit.

Die dunklen Zeiten massivster Gewalt sind zwar vorüber. Doch wirkliche Sicherheit ist auch zehn Jahre nach Kriegsbeginn nicht eingekehrt. In einigen Gegenden Bagdads treiben nach wie vor Kämpfer der al-Qaida ihr Unwesen. Internationale Organisationen und die Führung des Landes verbarrikadieren sich in der „Grünen Zone“, einem zur Festung ausgebauten Viertel der Stadt. In den Straßen halten schwer bewaffnete Soldaten und Polizisten Wache, verschanzen sich an neuralgischen Punkten in Humvee-Militärfahrzeugen hinter Mauern und Sandsäcken.

Zwischen Kontrollposten und langen Betonwällen kämpfen die Menschen um Normalität. Bagdad pulsiert. Massen gelber und weißer Autos wälzen sich langsam durch die Straßen – vorbei an Elektrogeschäften, vollen Cafés und Restaurants. Es wird sogar wieder Bier verkauft. „Früher wären die Händler dafür von al-Qaida umgebracht worden“, sagt Journalist Mahmood.

Aus Hinterhöfen dringt der Geruch von Diesel. Private Generatoren arbeiten auf Hochtouren. Bis heute hat es die Regierung nicht geschafft, Bagdad mit Strom zu versorgen. Hunderte Dollar kostet ein Generator, berichtet Mahmood. „Dazu kommen ständige Reparaturen und der Diesel.“ Für viele irakische Familien eine gewaltige Investition. Solche Probleme fachen die Wut auf die Regierung an.

Angst vor neuen Unruhen

„Die Regierung muss mutige Schritte setzen, um diese Probleme zu lösen. Sie muss die Löhne erhöhen und für Jobs sorgen“, meint Adnan Faraj al-Saadi, Chef der Zeitung „Alestiqama“, die dem schiitischen Block „Hoher Islamischer Rat im Irak“ nahesteht. Der unterstützt die Regierung Maliki, ist im Kabinett aber nicht vertreten. Aus al-Saadis Sicht geht es bei den Demonstrationen in Anbar nicht nur um berechtigte Forderungen nach einem besseren Leben: „Sie haben auch verlangt, dass Saddams Baath-Partei wieder erlaubt wird.“ Das sei inakzeptabel. Trotz aller Spannungen hofft er, dass die Proteste im sunnitischen Anbar nicht der Auftakt zu einer neuen großen Auseinandersetzung zwischen Sunniten und Schiiten sind. „Die meisten Iraker erinnern sich mit Grauen an den Bürgerkrieg. Niemand wünscht sich, dass diese Zeit wiederkehrt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2013)

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