"US-Verwalter im Irak hat unsere Ratschläge ignoriert"

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Interview. Sir Brian Burridge führte die britischen Truppen in der Irak-Invasion 2003 und war das „Gute Gewissen" der härter agierenden Amerikaner.

Er wirkt eher wie der nette Kerl von nebenan, der auch Uniprofessor ist, als ein harter Luftwaffenoffizier - und doch führte Sir Brian Burridge (*1949) an der Seite von US-General Tommy Franks das rund 46.000 Mann starke britische Kontingent im März 2003 in den Irak hinein ("Operation Telic") und eroberte den Südirak rund um die Stadt Basra. Damals war er Air Marshal der Royal Airforce (entspricht einem Generalleutnant) und gilt als „gutes Gewissen" und „Besänftiger" der eher rauen amerikanischen Führungsoffiziere. Heute ist er im Top Management eines Rüstungskonzerns. „Die Presse" traf ihn in seinem Büro in der City of London unweit von Parlament und Downing Street 10.


Die Presse: Wie wird man britischer Commander in der Invasionsphase?

(c) Die Presse Grafik

Burridge: Das damalige System im Vereinigten Königreich war, dass immer ein spezieller Dreisterneoffizier für Joint Task Forces (kombinierte, meist multinationale Streitkräftegruppen) auf Abruf bereitstand, und so einer war ich. Sie erinnern sich, das war damals die Periode unmittelbar im Gefolge von 9/11, als britische Truppen Seite an Seite mit amerikanischen in Afghanistan standen. Für die nötige nationale Command-and-Control-Kette hatten wir daher einen Dreisterne-Commander, der als Verbindungsoffizier zwischen dem (für Afghanistan zuständigen alliierten Hauptquartier, Anm.) CENTCOM in Tampa, Florida, und London pendelte. Ich hatte in dieser Funktion einen Army-Offizier abgelöst, wobei es im übrigen als erfahrener Joint Commander in solchen Funktionen egal ist, ob man von der Luftwaffe oder der Marine oder so ist: Wir hatten in Folge der Strategic Defence Review von 1998 bereits einen dramatischen Zug in Richtung gemeinsamer Kommandostrukturen gemacht, aber schon zuvor war unser Ansatz zu Joint Warfare (gemeinsamer Kriegsführung) vermutlich fortschrittlicher als bei den meisten anderen Ländern. Das Chiefs of Staff-Komittee (Gremium aus den Oberbefehlshabern der drei Teilstreitkräfte und dem Chief of Defence Staff, in etwa Chef des Vereinigten Verteidigungsstabes) hatten mich als Dreisterne-Bereitschaftsoffizier ausgewählt. Ob man dann tatsächlich zum Kampfeinsatz ausrückt wird auf der politischen Ebene entschieden.

Die Presse: Die britischen Angriffstruppen waren vergleichsweise klein, gerade eine Division zuzüglich einer Brigade US-Marines und einigen Polen. Andererseits waren im Großraum Basra etwa vier irakische Divisionen. Hat man keinen ernsthaften Widerstand erwartet oder das irakische Militär schlichtweg nicht einmal mehr gegenüber einer kleineren Invasionstruppe als echten Gegner gesehen?

Burridge: Dazu gibt es zwei Aspekte. Erstens wollten wir ja zunächst zwei Hauptstöße führen: Einen von Süden her und einen nördlichen aus der Türkei heraus, um die Kirkuk-Ölfelder zu sichern und die dortigen Divisionen der Republikanischen Garde entlang der „Grünen Linie" zu den kurdischen Autonomiegebieten zu binden. Doch dann bekam die Türkei im Jahr 2002 eine neue Regierung, ihre meisten Leute waren neu und sie war wohl eher islamistisch als sekular, was in der Türkei für viel Kritik sorgte. Diese Regierung brauchte, was verständlich ist, recht lange, um ihre außenpolitischen Interessen zu bestimmen. Und just Anfang März beschloss das Parlament, keinen alliierten Vorstoß über die Türkei zu gestatten. Also blieb uns plötzlich nur mehr der Zugang von Süden. Das hieß, dass wir, um unsere operationellen Ziele erreichen zu können, Saddam mit der Geschwindigkeit und Art unserer Aktionen überwältigen mussten - und mit Verständnisproblemen bezüglich dessen, was vor sich ging, damit das Regime seine Befehls- und Kontrollmöglichkeiten verliert und zerbricht. Wir wollten ihnen so viele Probleme in Raum und Zeit bereiten dass sie sie nicht mehr interpretieren und darauf reagieren konnten. Dazu braucht es hochmobile Kräfte, ganz nach der „Manövrierer-Methode", da sind wir sogar zurück bei Clausewitz.

Britische Truppen in Kuwait wenige Tage vor dem Einmarsch im Irak
Britische Truppen in Kuwait wenige Tage vor dem Einmarsch im Irak(c) EPA (Cpl Pauljarvis Rlc)



Die Presse: Oder Nordafrika 1941 bis 43...

Burridge: Genau. Sie brauchen also enorm hohe Niveaus an Beweglichkeit, was für die elegante Kombination von relativ kleinen Landverbänden mit starken Lufteinheiten spricht. Und weil Landtruppen so oder so relativ bald an Beweglichkeit einbüßen, war es wichtig, „Heavy Metal"-Kriegsführung zu meiden. Der zweite Aspekt: Großbritannien hat damals etwa 46.000 Mann aufgebracht und rund ein Viertel der Kampfpanzer gestellt, unser Beitrag war bedeutend. Im Zuge der Planungen wurden die britischen Truppen dann für die Rolle des Flankenschutzes für die zwei US-Korps vorgesehen, die nach Norden stießen. Nun, was die von Ihnen richtig erwähnte Disposition der irakischen Divisionen auf der rechten Flanke bei Basra betrifft: Diese waren großteils in üblem Zustand, vor allem die 51. Mechanisierte Division an der Grenze zu Kuwait. Nur die 10. Infanteriedivision weiter nördlich an der iranischen Grenze war aus Gründen, die ich nie durchblickt habe, von weit größerem Kampfwert als die anderen. Das sagte wahrscheinlich etwas über das Ausmaß der Loyalität (zur Zentralregierung in Bagdad, Anm.) aus, das in den südlicheren Einheiten geherrscht haben dürfte: Die 51te rekrutierte sich nämlich rein aus Burschen aus Basra. Gegen diese Verbände sollten wir also primär Flankenschutz sein. Im Zuge der Ereignisse hat sich ergeben, dass unsere Division eine britische Area of Responsibility um Basra legte, genannt „The Basra Box". Und sobald die Amerikaner nach Norden vorbeigeschleust waren, widmeten wir uns dieser Box, zuerst, um die Lage darin zu stabilisieren. Dabei gab es laut Plan gar keinen Grund, in die Stadt selbst zu gehen, weil Bagdad der Schwerpunkt war.

Wir wussten, dass das auch für Saddam so war, man sah das schon an der Verteilung seiner Kräfte. Wir wussten aber auch, dass er uns verdammt nochmal nicht so einfach hinauffahren lassen würde. Doch etwas wussten wir nicht: Wie würde er die Gardedivisionen im Nordirak umgruppieren, um Bagdad zu schützen - und würde er in die regulären Divisionen im Süden Gardeeinheiten als „Korsettstangen" einziehen, um diesen halbwegs Kampfkraft zu verleihen?

Es war wiederum klar, dass er annahm, US- und britische Truppen würden urban warfare scheuen, und daher versuchen, uns dort hineinzuziehen. In seiner eigenen verzerrten Analyse fand er die Aussicht, dass die Weltmedien Häuserkämpfe, schwere Verluste unter Zivilisten und alliierten Soldaten zeigen würden, als wertvolle strategische Spielkarte gegenüber der internationalen Gemeinschaft um zu zeigen, wie schrecklich alles sei. Er selbst sagte einmal, dass er Stalingrad genau studiert habe. Umgekehrt war für ihn wohl die größte Erniedrigung, als US-General Norman Schwarzkopf anno 1991 sagte, Saddam sei nicht geschult in der Kunst der operativen Kriegsführung und könne sich nicht militärischer Befehlshaber nennen - und das war völlig richtig.

Die Presse: Ich finde es trotzdem bemerkenswert dass man annahm, mit einer einzigen Division den Job machen zu können.

Burridge: Nein, nein, das stimmt hinsichtlich des Kampfwertvergleichs ja nicht. Wir hatten ja haufenweise Luftunterstützung, während sicher war, dass seine Luftwaffe nicht kämpfen würde. Ihre Luftabwehr war freilich immer noch recht tödlich. Aber die Natur der militärischen Ausgangslage war ja so, dass die Iraker bereits Bagdad und Umgebung als Schwerpunkt fixiert hatten und der richtig bedeutsame Faktor daher nicht war, was ganz im Süden, sondern was dort oben passieren würde, speziell im „Kerbala Gap" (einem Landstreifen zwischen Kerbala und dem Razzaza-See südwestlich Bagdad, Anm.) und von dort entlang der strategischen Schlüssellinie bis al-Kut im Osten. Außerdem haben wir bestimmt, dass wir Basra im informationsstrategischen Sinne für alle Iraker ersichtlich quasi als Vorort von Bagdad behandeln wollten: In Basra konnten wir sozusagen demonstrieren, wie diese Koalition agieren würde und um was es ihr geht, das würde einen kraftvollen Effekt auf alle Iraker haben.

Air Marshall Sir Brian Burridge auf Frontbesuch in Basra 2003.
Air Marshall Sir Brian Burridge auf Frontbesuch in Basra 2003.


Die Presse: Was war Ihrer Ansicht nach der kritischste Zeitpunkt im britischen Operationsgebiet und was waren die schwersten Kämpfe?

Burridge: Die kritischste Phase war gleich ganz am Anfang, als es darum ging, das taktische Überraschungsmoment zu wahren. Wissen Sie, wir haben den Bodenfeldzug ja in Wahrheit schon vor den ersten Luftangriffen begonnen. Dazu kam am 19. März der Präzisionsluftangriff auf die „Dora Farms" südlich von Bagdad, weil sich unseren Informationen zufolge Saddam und seine Söhne dort aufhielten (was sich als Irrtum erwies, Anm.), und dann griffen auch schon die Bodentruppen an, ohne lange Vorbereitung aus der Luft. Da brannten gleich die ersten Ölquellen im Süden, und da konnten wir sowieso nicht weiter zuwarten.
Die schwersten Kämpfe aus britischer Sicht ergaben sich aus dem Vordringen in Basra, speziell bei der Islamischen Universität im Westen der Stadt, wo sich irreguläre Truppen und kleinere Verbände der Republikanischen Garde zum Kampf entschlossen hatten und sehr verbissen fochten.

Britische
Britische "Challenger"-Panzer in BasraMoD



Die Presse: War das der Grund wieso die Briten sich taktisch entschlossen hatten, Basra vorerst nicht zu stürmen sondern zu belagern?

Burridge: Oh nein, wir haben nie von Belagerung gesprochen und das auch nicht getan! Wir haben Beobachtungsposten und Anlaufstellen für humanitäre Hilfe an jeder Zufahrtsstraße gebaut, Hilfsgüter verteilt und den Leuten klargemacht, dass wir ihnen nichts antun wollten. Wir versuchten, die Gegend sicher zu machen, die Infrastruktur zu reparieren und NGOs den Zutritt zu ermöglichen, alles wie kurz zuvor in Umm Qasr, wo es auch darum ging, einen Hafen klarzumachen. Und denken Sie dran, das ist eine schiitische Bevölkerung dort, die spätestens seit 1991 eine harte Zeit hatte, und so ging es darum, die Textur der Stadt zu erforschen, zu ermitteln, wer was tut und wer was zu sagen hat. Dann haben die Leute angefangen, zu plaudern. Und irgendwann konnten wir anfangen, zu sondieren: Wir drangen mit kleinen gepanzerten Einheiten in die Stadt ein und fanden heraus, wo man uns beschoss, oder fanden Leute, die uns erzählten, dass Saddam-Milizen auf sie schießen würden. Beim nächsten gepanzerten Vorstoß dorthin setzten wir dann heimlich Scharfschützen ab - die warteten auf die Burschen, die schossen, und kümmerten sich um sie. Alles hatte zum Ziel, den Leuten in Basra Vertrauen zu geben, denn es war klar, dass ihr Schicksal langfristig in ihren eigenen Händen liegen würde. Wir mussten geduldig und vorsichtig sein. General Robin Brims, der Divisionskommandeur, war sehr, sehr gut darin, die Zeichen richtig zu lesen.

Irgendwann bekamen wir Hinweise auf den Aufenthaltsort von „Chemical Ali", er war Befehlshaber im südlichen Sektor und wohl die meistgehasste Person im Irak, auf sein Konto gingen die Chemieangriffe auf Halabja 1988. Wir zerbombten das Haus, doch trafen ihn nicht, die Informationen waren falsch gewesen. Nur: Allein wegen des Angriffs glaubten viele in Basra, Ali sei tot, und das gab ihnen enormen Auftrieb. Das war der Zeitpunkt, an dem wir (am 6. April, Anm.) zuerst mehrere Panzervorstöße mitten in die Stadt unternahmen und dann das dritte Fallschirmjägerbataillon zu Fuß in die Altstadt schickten, um diese mit Standard-Infanterietaktiken zu säubern, wie man es noch aus dem Aden-Konflikt in den 1960ern her kannte. Also wie gesagt: Basra wurde nicht belagert. Wir standen vor Ort, sammelten Informationen und schufen Bedingungen, unter denen man uns nicht als Feind betrachten würde.

Dier Presse: Gerüchteweise haben die USA irakische Offiziere bestochen, damit diese ihre Einheiten aus dem Spiel draußen halten. Gab es auch von ihrer Seite Bestechungsgelder?

Burridge: Nun, nicht von der britischen Armee. Aber es gab andere Methoden die wir benutzten, um Wohlverhalten zu erzielen. Die amerikanische CIA ist natürlich ein Meister darin und benützt auch Finanztransaktionen, aber das war im Süden nicht wirklich von Bedeutung: Hier ging es den Bewohnern weniger darum, Profit zu schlagen, als den brutalen Übergriffen der Milizen nicht zum Opfer zu fallen und gleichzeitig gegenüber der Koalition nicht negativ aufzufallen, sie wussten ja, dass eine Besetzung folgen würde.

Britische Soldaten (links ein Scharfschütze) sichern über den Dächern einer südirakischen Stadt
Britische Soldaten (links ein Scharfschütze) sichern über den Dächern einer südirakischen StadtAP



Die Presse: Man hatte aber im Vorfeld sehr wohl Kontakte zu irakischen Schlüsselpersonen?

Burridge: Ja. Das hatte vor allem im Nordirak Bedeutung, in der autonomen kurdischen Zone, wohin wir wenig Kampfkraft bringen konnten und daher andere Hebel in Bewegung setzen mussten. Im Süden kannten wir auch viele irakische Kommandeure und wussten, wie man an sie herankam. Der Punkt bezüglich der irakischen Armee, vor allem der regulären Truppen, war aber der, dass sie sich schnell verflüchtigt hat - wohl aus offensichtlichen Gründen (lacht).


Die Presse: Für den Fall eines irakischen Chemieangriffs hatten sie damals mit einer „proportionalen Antwort" gedroht. Hätte das unter Umständen Vergeltung mit Chemiewaffen bedeutet?

Burridge: Nein, ganz bestimmt nicht.

Die Presse: Kurz nach dem Krieg sagten Sie, dass Sie das „Gewissen der Amerikaner" bei der Kriegsführung gewesen seien. Was haben Sie denen denn ins Ohr geflüstert?

Burridge: Well, wenn man einen Feldzug dieser Größe vorhat und durchführt ist es nicht hilfreich, wenn die Rhetorik in Washington - und diese Ortsangabe sage ich ganz bewusst - zum Begriff „shock and awe" greift. Dieser Begriff wurde vor Ort am Golf im Hauptquartier von US-General Tommy Franks und in meinem niemals benutzt, weil er einfach ein falsches Bild von dem vermittelte, um was es der Koalition ging. Bei gemeinsamen Planungssitzungen für eine Operation habe ich gelegentlich schon eingeworfen: „Hey, das mag in Washington gut ausschauen, aber ich sag euch jetzt mal, wie das in London, Berlin oder Paris 'rüberkommt!" Auf diese Weise konnte ich die Operation unter Rücksichtnahme darauf „kalibrieren", wie wichtige Mitglieder der Nato, der UNO und die Weltgemeinschaft darauf reagieren würden - das ist etwas, was nicht unbedingt alle amerikanischen Kommandeure gut beherrschen.

Die Presse: Sie plädierten also für Feingefühl und einen „weichen" Zugang zu den Militäroperationen?

Burridge: Durchaus, aber es ging nicht unbedingt um Weichheit. Die forensische Anwendung militärischer Gewalt ist tief in der britischen Militärdoktrin verwurzelt. Wir sind sehr, sehr vorsichtig darin, wie wir Luftangriffe, Präzisionswaffen und so weiter anwenden, gerade auch, weil der Irak ein besonderer Schauplatz war, nämlich des „klassischen Kampfs zwischen den Menschen untereinander", wie es General Rupert Smith ausdrückte. Und egal, ob sie es wollten oder nicht, wurde dort jedermann irgendwie hineingezogen. Die Leute nehmen in solchen Situationen mehrere mögliche Rollen ein: Sie können persönlich unberührt bleiben, obwohl sie die Gewalt vor ihren Augen sehen; sie können bedauerlicherweise zu ungewollten Opfern werden, etwa durch Kollateralschäden. Und manche können sich zum Regime hingezogen fühlen, was sie natürlich zu potenziellen Zielen macht; noch häufiger ist das aber umgekehrt, sie sind gegen das Regime und müssen fürchten, dass eines Nachts die Milizen kommen und sie holen. Also: Es war uns klar, dass das Verhalten unserer Truppen während der Kampfphase den Ton für alles Folgende angibt. Man gewinnt nicht die Herzen und Köpfe der Menschen, wenn sie glauben, man sei von Natur aus ein fürchterliches Pack.

Die Presse: Also muss man den Amerikanern vorwerfen, dass ihre Truppen bei der Invasion zu massiv vorgingen? Sie führten die heftigsten Kämpfe, und später brach der folgende Bürgerkrieg großteils in deren Operationsgebiet im Irak aus.

Burridge: Die beiden Dinge muss man trennen. Es war zum einen sicher grundsätzlich so, dass der Plan für die Invasion ganz richtig war, wir haben ihn zuvor im Computer simuliert und kamen in der Realität innerhalb von zwölf Stunden um den Zeitpunkt herum in Bagdad an, den der Computer prognostiziert hatte. Aber wissen Sie, das war kein Regime, das einfach die Waffen niedergelegt und uns willkommen geheißen hat. Die Kämpfe um die Übergänge über Euphrat und Tigris etwa waren absolut teuflisch, dazu hat sich die andere Seite nicht ans Kriegsrecht gehalten: Sie benutzten Zivilisten als Schutzschilde, trugen oft keine Uniformen, benutzten geschützte Symbole wie den Roten Halbmond, fuhren in Rettungswagen herum. Also wenn Sie selbst auf taktischer Ebene in einer solchen Situationen stecken müssen Sie ja denken, dass Sie in einem totalen Krieg stecken. Und dennoch waren diese Situationen angesichts der Gesamtlage sporadisch. Die Taktik, so schnell wie möglich nach Bagdad zu fahren, führt zurück zu dem Punkt wo ich sagte, dass es uns darum ging, Saddam mit einer Vielzahl von Problemen zu verwirren, auf die er nicht reagieren konnte. Und dahinter stand die Grundidee, nur das Regime zu stürzen, nicht den Irak zu verwüsten. Im Gegenteil, wir operierten sehr sorgfältig, weil wir ja die Infrastruktur für die Nachkriegsphase schonen wollten, um die Wirtschaft ankurbeln zu können.
Nun zu ihrem Punkt bezüglich des nachfolgenden Bürgerkriegs: Der war, wenn Sie so wollen, Folge eines unterschiedlichen Gedankenganges auf Seiten der Amerikaner. Schon kurz nach Kriegsende im Mai 2003 gab es erste Ansätze einer erwachenden irakischen Selbstverwaltung: Freiwillige traten vor, Technokraten, lokale Politiker, Beamte, die sagten, sie wollten mithelfen, dass die Karre wieder läuft. Das waren Leute, die sich auskannten - und wenn man in so ein Land hineingeht und dessen Schicksal plötzlich in Händen hält, sind die ein sehr wertvolles Gut. Dazu kamen etwa Hunderttausend Mitglieder der Streitkräfte, die bereit waren, vorerst auf die Sicherheit im Land zu schauen. Das war sehr wichtig, denn wir hatten im Vorfeld darauf gehofft, Iraks Militär nach dem Sturz des Regimes zur Aufrechterhaltung der Sicherheit benutzen zu können.

Doch dann betrat Bremer (Paul Bremer, Chef der US-Zivilverwaltung im Irak bis Juni 2004, Anm.) die Bühne, und er tat vier Dinge, vor denen wir ihn ausdrücklich gewarnt hatten. Erstens: Du sollst nicht entbaathifizieren! Die Baath-Partei hatte das gesamte Staatssystem einschließlich der Wirtschaft im Griff, man wäre im Irak nichts geworden, nicht mal ein Lehrer, ohne in der Partei zu sein. Aber wir brauchten die Maschinerie dieses Landes, daher sagten wir, also alle britischen Militärs und die meisten US-Offiziere, zu Bremer, er solle ja nicht jedes Baath-Mitglied automatisch aus seinem Job entfernen und von der Zukunftsgestaltung ausschließen - außer die dünne Schicht wirklich böser Burschen an der Spitze. Dem großen Rest müsse man vertrauen, irgendwann hätte man immer noch eine Art Versöhnungskommission gründen können.

Zweitens ignorierte er völlig jene Iraker, die sich im Rahmen einer Selbstverwaltung engagieren wollten, er hat das völlig zurückgewiesen. Drittens hat er die Armee aufgelöst, obwohl wir diese Leute wirklich brauchten, und viertens geschah dasselbe mit der verstaatlichten Industrie. Dabei tickte diese ähnlich wie die Armee, war ein Brennpunkt von Arbeitsplätzen - und wir wollten garantiert nicht plötzlich Massen von arbeitslosen jungen Männnern auf den Straßen haben. Nun, alle diese Ratschläge hat Bremer ignoriert und die Geschichte erzählt uns von den Folgen. Das soll nicht heißen, dass alles ohne diese Entscheidungen anders gekommen wäre - aber ich hätte lieber meine Ansichten statt denen Bremers in die Tat umgesetzt gesehen. Und ja, dazu kommt natürlich noch ein Punkt: Das Ausmaß an Plünderungen, vor allem in Bagdad, hat natürlich die Verwaltungsmaschinerie, etwa die Miniusterien, weitgehend zum Erliegen gebracht. Die Leute haben von dort alles weggetragen, was nicht niet- und nagelfest war. Also: hätten wir auf andere Weise und mit den richtigen Leuten ganz anders und erfolgreicher anfangen können? Ich glaube ja.


Die Presse: Also glauben Sie, man hätte den folgenden Bürgerkrieg in dieser Form verhindern können?

Burridge: Darüber kann man im Nachhinein nur spekulieren. Aber was wir zuvor auf dem Balkan gelernt hatten, ist, dass wenn man das Entstehen von Vakuums (im Sinne unkontrollierter Räume, Anm.) zulässt, sie etwas Unangenehmes ausfüllen wird. Das kann organisiertes Verbrechen sein, kontraproduktive Lokalregimes und so fort. Wenn ihnen ein Vakuum erwächst, haben sie ein Problem.

Die Presse: Als die Briten im August 2007 Basra räumten, den irakischen Kräften übergaben und sich auf Basen außerhalb zurückzogen brach umgehend in der Stadt die schiitische „Mahdi-Revolte" aus. Sie wurde erst im Frühjahr 2008 von den Irakis mit alliierter Hilfe und unter Vermittlung des Iran beendet. Also hatte die britische Präsenz die Lage in Basra doch nicht langfristig normalisiert und die bösen Buben bloß zeitweilig unter den Teppich gekehrt?

Burridge: Nun, ich war ja damals schon lange nicht mehr in der Befehlskette und kann das daher nur aus der Sicht eines informierten Beobachters kommentieren. Ich denke, es hatte mit den erwähnten Vakuums zu tun. In Basra hatte sich nämlich trotz allem kein richtiger lokaler politischer Prozess entwickelt. Wäre das passiert, hätte sich in den Menschen wahrscheinlich stärker ein Bewusstsein entwickelt, wonach es lohnender ist, sich gut statt schlecht zu verhalten. Darunter lag das fundamentale Problem der Infrastruktur. Die war seit sehr langer Zeit vernachlässigt worden, wir waren sehr überrascht über das Ausmaß. Das begann Mitte der 1980er als Saddam befand, die Schiiten im Süden hätten sich im Krieg gegen den Iran als zu wenig hilfreich erwiesen, und nach dem Schiitenaufstand 1991 ließ er gar keine Investitionen in Basra mehr zu. Überhaupt war für die Mehrheit der Iraker ihr Land gleichbedeutend mit Bagdad - es gab überhaupt kein Gefühl dafür, dass die Städte des Südens wichtig seien. Wenn man also ein Vakuum hat, keinen politischen Prozess und eine desolate Infrastruktur, werden die Menschen unsicher, ziehen die Köpfe ein, das Vakuum wird größer, die Mahdi-Armee fällt ein und hat leichtes Spiel. Hätten sich die Bewohner von Basra in einem anständigen politischen Prozess zusammengesetzt wäre mehr zu machen gewesen, gerade beim Wiederaufbau und der nützlichen Verwendung von Hilfsgeldern.


Die Presse: Nach dem Abzug der Masse der Briten im April 2009 sprach der damalige Premier Gordon Brown von „Erfolgsstory Irak". Bis heute hält die Gewalt, wenn auch kleinerem Umfang, an. Stimmen Sie Brown zu?

Burridge: Da war er wohl drei Jahre zu früh dran, jetzt klingen die Analysen freundlicher, speziell was Basra betrifft, aber auch die wirtschaftliche Entwicklung im Norden. Das Öl fließt reichlich und die Iraker streiten sich halt um die Öleinnahmen. Wenn Sie mit den Menschen dort sprechen werden die Ihnen sagen, dass das Leben heute positiv erscheine. In Städten wie Falludscha ist die Lage leider sehr verschieden, und in großen Teilen des Irak wird man hören, dass der Staat sehr repressiv sei. Das ist besorgniserregend.

Die Presse: Generalmajor Andy Salmon, der letzte britische Divisionskommandeur in Basra, prophezeite Basra gar eine „glänzende Zukunft" und meinte, die Stadt könne ein „zweites Dubai" werden. Finden Sie das übertrieben?

Burridge: Oh nein, das könnte so kommen. Wissen Sie, das irakische Bildungssystem hat immer sehr gut ausgebildete Leute produziert, speziell in technischen Feldern. Es gibt reichlich Bodenschätze und mehr Wasser, als sie verbrauchen könnten, wenn man es anständig bewirtschaften würde. Vom Süden her stünde ein enormes Investitionspotential an, ich sage nur Kuwait oder die Emirate. Wäre sie stabil, gerade in den Augen von Investoren, könnte die Stadt eine glänzende Zukunft haben. Es ist ja auf den ersten Blick ein sehr hübscher Ort. Man hat ihn nur ziemlich kaputt gemacht. Man müsste es sich in 50 Jahren nochmal anschauen...

Burridge als Air Chief Marshall in Galauniform, September 2004.
Burridge als Air Chief Marshall in Galauniform, September 2004.(c) EPA (Stefan Rousseau)



Die Presse: Haben Sie eigentlich die offiziellen Begründungen für den Krieg wirklich geglaubt, ich sage nur Massenvernichtungswaffen, Terrorunterstützung, das hat sich doch als konstruiert erwiesen...

Burridge: Ich muss zurückzukommen auf die Bedeutung des „Stolperdrahtes", der Linie zwischen al-Kut und Kerbala. Die Informationen, die wir hatten, wiesen nun einmal darauf hin, dass es mit Sicherheit taktische chemische Waffensysteme bei al-Kut gab, und wir mussten annehmen, dass sie binnen 45 Minuten mittels Artillerie einsatzbereit waren. Das war freilich eine der Aussagen des sogenannten „Dodgy Dossiers" gewesen (in etwa: „zweifelhaftes Dossier" - das waren im Grunde zwei Berichte, die Herbst 2002/Anfang 2003 im Umfeld der britischen Regierung verfasst wurden und die Bedrohung durch den Irak so darstellten, dass ein Einmarsch legitim erscheine; heute gelten beide Dossiers als absichtlich überzogen, „frisiert" und auf oft fragwürdigen Quellen basierend, was sogar einer der Autoren, damals ein Beamter des Foreign Office, später zugab, Anm.).
Nun, wir als Militärplaner schauen uns dann die Handlungsmöglichkeiten des Gegners an und versuchen, die Wahrscheinlichsten und die Gefährlichsten zu ermitteln. Wie also könnte Saddam unserem Stoß nach Norden auf Bagdad begegnen: Er könnte versuchen, uns zu bremsen, indem er uns in urban warfare verwickelt. Er könnte Chemiewaffen einsetzen - etwa schon ganz zu Beginn gegen unsere Aufstellungsräume in Kuwait, oder an Engstellen wie bei Nasirijah, oder gegen die schiitische Bevölkerung in Basra, was uns vorerst gestoppt hätte, weil wir dann eine humanitäre Krise am Hals gehabt hätten. Und gegen diese Eventualitätten mussten wir eben planen, darum nahmen wir ja auch die Komlettausrüstung für ABC-Schutz mit. Nur: Ich persönlich habe zu keinem Zeitpunkt daran geglaubt, dass unser ganzer Einsatz wegen ballistischer Raketen sei, die andere Länder treffen könnten. Ich glaubte es ginge um chemische Granaten, die bei al-Kut herunterregnen könnten.

Die Presse: Als US-Außenminister Colin Powell den UN-Sicherheitsrat in seinem berühmt-berüchtigten Auftritt dort am 5. Februar 2003 auf Kriegskurs bringen wollte, sprach er aber von einem mächtigen irakischen Arsenal von Chemie- und Biowaffen und ballistischen Raketen, deutete gar Atombombenforschung ein. Später wurde das alles widerlegt, es gab auch keine Terrorverbindungen....

Burridge: Nein...

Die Presse: Also die Beweislage war fabriziert, und zwar auf umfangreicherem Niveau als nur ein paar Artilleriegranaten...

Burridge: Lassen Sie mich klarstellen. Die Absicht des Vereinigten Königreiches, den USA im Irak zu helfen, war die Beseitung von Massenvernichtungswaffen, während das Ziel der USA ein Regimewechsel war. Was diese Waffen betrifft: Saddams Verhalten - Sie erinnern sich sicher, wie er mit den UN-Waffeninspektoren umsprang und diese behindert hat - zeigte, dass er einfach nicht zur Kooperation gewillt war. Dabei hat er persönlich, davon bin ich überzeugt, gar nicht gewusst, wie denn seine Position bei diesen Waffenprogrammen in Wahrheit noch aussah: Seine Leute haben ihm gegenüber die Wahrheit verschleiert. Es lag aber in seinem Interesse, den Nachbarstaaten den Eindruck zu vermitteln, dass er Massenvernichtungswaffen habe.

Wir wiederum haben nicht gewusst, wie groß das Ausmaß der Zerstörung dieser Programme im Zuge der Operation „Desert Fox" im Dezember 1998 (eine Serie von US-britischen Luftangriffen gegen Ziele des irakischen ABC-Programms, Anm.) tatsächlich gewesen war: Mangels Informanten vor Ort war uns nicht bewusst, wie überwältigend die Aktion gewesen war. Aber Sie haben insgesamt Recht: Die Beweise haben nicht existiert. Nun ja, es gab um das Jahr 2000 herum ja viele irakische Auswanderer, speziell in den USA, und die vermittelten ihr ganz besonderes Bild vom Irak: Dass das Regime am Zerbröseln und die Armee großteils desertiert sei, die Bevölkerung das Ende des Regimes erflehe und man nur jemanden brauche, der Saddam beseitige, dann werde alles gut - übrigens habe er aber noch Massenvernichtungswaffen. Nun, manche mögen wirklich geglaubt haben, was sie erzählten, andere aber dürften damit einen persönlichen Zweck verfolgt haben.


Die Presse: Ist der Wunsch nach Regimewechsel ein legitimer Invasionsgrund?

Burridge: Ich kann Ihnen die britische Logik vermitteln. Uns ging es um Massenvernichtungswaffen. Saddam kooperierte nicht mit den UN-Inspektoren, also setzten wir, die USA und die Spanier ihm ein Ultimatum, er solle das Land binnen 48 Stunden verlassen, weil Saddam jetzt als persönliches Hindernis bei der Beseitigung der ABC-Waffen galt. Er hat das Ultimatum zurückgewiesen, der Rest ist Geschichte. Von dem Zeitpunkt an aber verlangte die Beseitigung der Waffen logischerweise als nächsten Schritt den Regimewechsel - und zwar auch in den Augen Großbritanniens.

Die Presse: Aber war dieser logische Schritt auch ein legaler Schritt? Viele Völkerrechtler, der damalige UN-Chef Kofi Annan, der britische Höchstrichter Lord Bingham und andere bestritten dies seither...

Burridge: Das Völkerrecht ist in solchen Fragen selten nur schwarz-weiß. Es ist nur dann schwarz-weiß, wenn es eine unbestreitbare Resolution des UN-Sicherheitsrates gibt, die von „mit allen nötigen Mitteln" spricht und es bezüglich dieser Formulierung auch eine universell gleichförmige Auffassung gibt. Die Intervention im Kosovo 1999 etwa erfolgte gänzlich ohne UN-Mandat. Es ist nicht zwingend so, dass eine Intervention als rechtswidrig gilt, nur weil man kein Mandat dafür hatte. Bei uns hat damals der Attorney General (oberster Rechtberater der Regierung und Generalstaatsanwalt, Anm.) ein Dokument vorlegt, wonach eine Invasion aus diesen und jenen Gründen rechtmäßig sei, und das auch unterschrieben.

Die Presse: Dieses Gutachten wurde aber später vielfach kritisiert.

Burridge: Oh ja, aber schaun Sie, die Leute kritisieren immer alles, und Völkerrechtler sind untereinander selten einer Meinung. Ich kann Sie zu hervorragenden Gelehrten nach St. Andrews (Universität, Anm.) bringen die Ihnen sagen werden, dass die Sache damals völlig legal war. Ich kenne aber auch andere, die das Gegenteil sagen. Der Corpus des Völkerrechts ist halt nicht so klar wie ein Strafgesetzbuch. Und dabei sind wir Briten bei der Interpretation des internationalen Rechts noch konservativer als etwa die Amerikaner.

Die Presse: Was ging Ihnen eigentlich durch den Kopf, als Sie die Bilder sahen wie man Saddam aus seinem Erdloch zog?

Burridge: Das war nicht wirklich so, wie ich es haben wollte. Ich hätte ihn lieber durch einen gerichtlichen Prozess mit mehr Würde gehen sehen. Ich war aber nicht so überrascht, denn es war fast unvermeidlich, dass er sich auf so eine Art verstecken musste. Milosevic und Karadzic hatten seinerzeit große loyale Kader an Verteidigern sowie Freunde im Staatsapparat, die seine Verhaftung über Jahre verhindern konnten. Saddam hatte das am Ende nicht mehr.

Die Presse: Hätten Sie ihn gern getroffen?

Burridge: Ach, nicht unbedingt.

Grenadiere der 7. Panzerbrigade mit einem Porträt Saddam Husseins in Basra
Grenadiere der 7. Panzerbrigade mit einem Porträt Saddam Husseins in BasraEPA



Die Presse: Zu Syrien: Die britische Regierung drängt stark auf militärische Hilfe an die Rebellen, man spricht gar von Intervention. Angesichts der Lehren aus dem Irak, wie stark befürworten Sie so eine Intervention in Syrien?

Burridge: Die zwei Fälle sind deutlich verschieden. Um mein Argument zu verstehen müssen wir über Libyen gehen. Beim Irak gab es das klare Ziel Beseitigung von Massenvernichtungswaffen, man war sich auch klar über die Natur des Regimes und hatte einen eindeutig definierten Gegner. Man konnte alles auf eine militärische Landkarte reduzieren und hatte ein militärisch lösbares Problem. Das war bei Libyen schon weit weniger einfach: Die Anti-Gaddafi-Kräfte waren viel weniger organisiert, es gab andere geografische Probleme, aber wenn man wusste, wer bzw. wo die guten und bösen Jungs jeweils waren, konnte man etwa Luftunterstützung fliegen. Man hätte sogar eine Brigade oder so reinschicken können, wenngleich es eine harte Aufgabe gewesen wäre, eine Brigade in einen so komplexen Gefechtsraum wie Libyen zu bringen, weil dort am Boden alles so im Fluß war, man die Befehlshaber der Rebellentruppen nicht genau kannte, und so weiter. Dennoch haben die Regierungen in Paris und London eine Intervention beschlossen, weil man die Opposionskräfte en gros im Recht sah und erwarten konnte, dass sie mit fremder Hilfe siegen würden. Syrien ist anders: Ja, man weiß, wo die Guten und die Schlechten sind und wo man in diesem sehr großen und schwierigen Gefechtsfeld Interventionstruppen positionieren könnte. Die Sache ist aber die: Sie können doch nicht abseits stehen, wenn die Opferzahlen über die 100.000er-Marke steigen und es eine Million Flüchtlinge gibt, oder? Ich glaube, dass die britische Regierung das als unerträglich empfindet, noch dazu, wo es in Europas Hinterhof geschieht und es trotz seiner humanitären Natur keine internationale Einigkeit gibt, auch nur irgendetwas zu tun.

Die Presse: Befürchten Sie für den Fall einer Intervention nicht einen zweiten Irak, einen neuen Bürger- und Religionskrieg?

Burridge: Aber es ist doch sowieso schon nach jeder Definition ein Bürgerkrieg. Die Frage ist nur noch, ob man da etwas stabilisieren kann. Aber solange man nicht in der Staatengemeinschaft, im Grunde ist das der Sicherheitsrat, keine klare Ansicht hat, was zu tun ist, werden Sie nie den nötigen Zug bekommen, etwas zu verändern. Im Endeffekt haben Sie zwei Parteien mit ihren jeweiligen Unterstützerstaaten, die alles blockieren. Zudem werden wir in solche Formen von Abnutzungskriegen einfach nicht mehr gern verwickelt. Es wird sehr kompliziert sein, da eine militärische Lösung zu finden.

Zur Person

Sir Brian Burridge (*1949 in Maidstone, Kent) war Pilot der Royal Airforce und führte als Air Marshal (entspricht Generalleutnant) die britischen Invasionstruppen im Irak-Krieg 2003. Danach wurde er Air Chief Marshal und somit Vizechef der RAF. 2006 trat er ab und wechselte ins Top-Management der britischen Niederlassung des großen italienischen Luftfahrt- und Rüstungskonzerns „Finmeccanica".

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Iraks großes Heer löste sich im Zuge der Invasion großteils auf.

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