Republik Moldau: Regierungskrise gefährdet EU-Kurs

(c) EPA (DUMITRU DORU)
  • Drucken

Nach dem Sturz der prowestlichen Regierung ist unklar, ob das Land seine Westannäherung fortsetzen wird. Die Kommunisten fordern Neuwahlen.

Vladimir Voronin sieht derzeit die Morgenröte am wolkenlosen moldauischen Himmel leuchten. Der 71-jährige Chef der Kommunisten mit dem schlohweißen Haar, langjähriger Staatspräsident und seit 2009 in die Opposition gedrängt, meint, seine Chance sei gekommen, die Macht im Land zurückzuerobern. „Macht das Parlament frei! Wir fordern Wahlen!“ – mit Sprüchen wie diesen und unter roter Beflaggung zogen vergangene Woche hunderte Demonstranten vor den Amtssitz des Präsidenten Nicolae Timofti im Zentrum Chişinaus.

Seit ihrer Unabhängigkeit 1991 hat die Republik Moldau viele politische Krisen erlebt, Anfang März die letzte: Die prowestliche Koalitionsregierung stürzte über ein Misstrauensvotum der Kommunisten. Zu Fall gebracht wurde sie auch mit den Stimmen der Demokratischen Partei, eigentlich einer der drei Partner der „Allianz für Europäische Integration“. Sie hatte sich in den vergangenen Wochen mit der Liberaldemokraten von Premier Vlad Filat überworfen.

EU-Abkommen auf dem Spiel

Der Zeitpunkt könnte nicht schlechter gewählt sein: Noch nie war die EU-Annäherung der Republik Moldau so fortgeschritten wie jetzt. Das Land hat seit dem Antritt der Allianz entschlossene Reformschritte in Richtung Westen gemacht. Im gestern veröffentlichten Fortschrittsbericht lobt Brüssel das Land als Vorzugsschüler. Die meisten Empfehlungen aus dem Vorjahr seien umgesetzt worden; mit der Ukraine, einst Vorreiter, gebe es noch viele ungelöste Fragen.

Doch die Belohnung für die Mühen – die Paraphierung des Assoziierungsabkommens samt Freihandelsabkommen beim EU-Gipfel im November – steht nun auf dem Spiel. Ja, der Termin für den Abschluss des Abkommens sei „gefährdet“, gibt Vizepremier Mihai Moldovanu im Gespräch mit der „Presse“ ohne Umschweife zu. Gefährdet könnte damit auch die ersehnte EU-Reisefreiheit sein, für die 3,4 Millionen Bürger eine wichtige greifbare Verbesserung. Schuld an dem Debakel seien „alle drei Parteien“ der Koalition, gesteht Moldovanu ein. Nun müsse man Lösungen finden.

Staatschef Timofti hat bis Mitte April Zeit, einen Kompromiss zu vermitteln, sonst kommt es zu Neuwahlen. Die Chancen der Kommunisten auf einen Wahlsieg stünden nicht schlecht. Dieses Horrorszenario könnte die Streithähne des bürgerlichen Blocks womöglich doch noch zur Räson rufen.

Das Zerwürfnis hat seinen Ursprung im (missglückten) Vertuschen eines Jagdunfalls, bei dem ein Unternehmer erschossen wurde, durch die Generalstaatsanwaltschaft. Die Liberaldemokraten beschuldigten einen Koalitionspartner, die Demokratische Partei von Marian Lupu, die Institution unter ihre Kontrolle gebracht zu haben. Das führte zum Schlagabtausch mit den Mitteln der Justiz: Drei liberaldemokratische Minister gerieten in Bedrängnis, als die Staatsanwaltschaft gegen sie Ermittlungen einleitete. Mitte Februar kündigte Premier Filat das Koalitionsabkommen – ein Schritt, den Außenminister Leanca im Rückblick als überstürzt charakterisiert.

Brüssel fordert „echten Dialog“

Als „kritisch“ bezeichnete Staatssekretär Reinhold Lopatka die Lage in Moldau, wo er sich zu Wochenbeginn zu bilateralen Gesprächen aufhielt. Moldau ist ein Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, Österreich ist vor allem im Bereich Wasserversorgung tätig. Zwischen 2004 und 2009 wurden Projekte im Wert von 6,8 Millionen Euro finanziert. „Österreich hilft Moldau, doch seine Hausaufgaben in der Reform des Rechtssystems und im Kampf gegen Korruption muss es selbst machen“, so Lopatka.

Auch die EU hat die Parteien zu einem „echten Dialog ohne Verzögerung“ aufgefordert. Brüssel hat Moldau 2012 mit 122 Millionen Euro unterstützt, die höchste Finanzhilfe für einen Staat im Rahmen der Nachbarschaftspolitik. Nicht nur Brüssel, auch Auslandsinvestoren zeigen sich beunruhigt. „Um neue Investoren anzuziehen, benötigt man Stabilität“, sagt Thomas Moser, der im Ort Giurgiuleşti den einzigen Donauhafen Moldaus betreibt. „Wenn nun wieder unklar ist, wohin es geht, wäre das ein verheerendes Signal.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

"Gott bewahre uns vor den Kommunisten - sie sind die Kraft der Vergangenheit"

Außenminister Iurie Leanca ist zuversichtlich, dass die Regierungskrise doch noch gelöst werden kann.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.