Korea: "Ein kurzer, dreitägiger Krieg"

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Nordkorea zeigt in einem wüsten Drohvideo, wie es sich einen geplanten Einmarsch in Seoul vorstellt - militärische Wiedervereinigung mit dem Süden inklusive.

Ein Trommelfeuer aus tausenden Geschützen und Raketenwerfern setzt an der Grenze ein. Infanterie- und Panzermassen durchbrechen aus dem Norden die zwei Kilometer breite Grenzsperre am 38. Breitengrad, überrollen die neutrale Zone vorbei an südkoreanischen und US-Truppen. Aus heiterem Himmel fallen tausende Fallschirmjäger auf Seoul. Stunden später ist die nur 40 Kilometer entfernte Hauptstadt des Südens in der Hand von Kims Elitetruppen. Im Kasernenton verkündet ein Sprecher, man habe beim Einmarsch 150.000 US-Bürger als Geiseln genommen.

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Gott sei Dank handelt es sich bei diesem Szenario nur um das Video „Ein kurzer, dreitägiger Krieg“, ein filmischer Böller aus dem Arsenal der KP-Propagandaabteilung in Pjöngjang (s. Internethinweis). Das Machwerk zeigt im weiteren Verlauf aber auch, wie sich der rund 30-jährige Diktator Kim Jong-un und seine eher greisen Genossen der Partei- und Militärspitze die koreanische Wiedervereinigung vorstellen: Drei Tage nach der Invasion bricht in der Zehn-Millionen-Metropole Seoul und den übrigen Ballungszentren Südkoreas endgültig das Chaos aus. Wasser und Nahrungsmittel sind am Ende, Mobilfunk, TV, Radio und Zeitungen existieren nicht mehr. Präsidentin Park Geun Hye, ihre Minister, Berater, Leibwächter und anderen „Verräter“ haben sich in den atombombensicheren Bunkern des Seouler Amtssitzes Blaues Haus verkrochen. Nun schickt der „Retter der Nation“, Kim Jong-un, den Rest seines 1,1-Millionen-Heers über die Grenze und sichert die längst überfällige Wiedervereinigung des Vaterlandes. So tönt jedenfalls der Filmsprecher.

„Schneidet ihre Luftröhren durch!“

Wer an einen stark verfrühten Aprilscherz glaubt, kennt offenbar die Tagträume der Kim-Diktatur nicht, nachzusehen auch auf der Website www.urimizokkiri.com, über die Nordkorea global Werbung macht. Doch auch wenn es vielleicht unseriös und realitätsfremd klingt, die politische Absicht Pjöngjangs ist nicht zu unterschätzen. Seit Wochen schon droht es Südkorea und den USA mit Krieg und atomarer Vernichtung. Zuerst wurde der Waffenstillstand von 1953 infrage gestellt, dann der Nichtangriffspakt mit Südkorea gekündigt. Vor wenigen Tagen kündigte Nordkorea gar einen Angriff auf die seegrenznahe Insel Baengnyong im Gelben Meer an, wo sich neben 10.000 Zivilisten eine Basis der Marine des Südens befindet.

Und stets verbindet Kim seine Drohungen mit martialischer Brachialgewalt: So soll Baengnyong nicht nur „in ein Meer von Flammen verwandelt“ werden: Der Herr eines Heeres von – samt Reservisten – schätzungsweise sieben Millionen Männern und Frauen ruft gar zu Gräueltaten auf. „Sobald der Befehl erteilt ist, sollt ihr das Genick der Feinde brechen, ihre Luftröhren durchschneiden und denen deutlich zeigen, was ein echter Krieg ist.“

Leider haben sich solche Sprüche nicht immer als großmäulig erwiesen: Im November 2010 beschoss nordkoreanische Küstenartillerie ohne Vorwarnung die südkoreanische Grenzinsel Yonpyong, wobei zahlreiche Zivilisten starben.

Großmanöver in Südkorea

Offiziell nimmt Nordkorea bloß an der jährlich stattfindenden US-südkoreanischen Stabsübung „Key Resolve“ Anstoß, die jedoch schon vorbei ist. Dennoch löste Pjöngjang am Donnerstag landesweit Luftalarm aus, weil ein B-52-Langstreckenbomber der USA nahe der Grenze vorbeigeflogen war. Als Vergeltung sollen nun auch die US-Pazifikinsel Guam und Basen in Japan vernichtet werden, ließ Kim am Freitag verkünden.

Kein Wunder, dass Washington und Seoul nun erst recht den Ernstfall proben. Das gemeinsame Feldmanöver „Foal Eagle“ wird verlängert und soll noch bis Ende April dauern, daran sind 250.000 südkoreanische und knapp 30.000 US-Soldaten beteiligt. Nicht auszuschließen aber, dass zu diesem Zeitpunkt die Lage weit über einen Propagandakrieg hinaus eskaliert.

Hintergrund

Nordkoreas stehendes Militär (1,1 Mio. Mann, 3500 Panzer, 600 Kampfjets) ist zahlenmäßig dem Süden überlegen (690.000 Mann, 2300 Panzer, 420 Jets, plus 20.000 US-Soldaten im Land), aber total veraltet und in fragwürdigem technischen Zustand. Ein Angriff auf den Süden würde sicher, auch mit US-Reserven, bald abgewehrt, doch könnten das grenznahe Seoul und andere Grenzräume fallen und als Faustpfand dienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2013)

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