Israel/Türkei: Netanjahu entschuldigt sich

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Israels Premier tat beim türkischen Premier Erdoğan Abbitte für die Kaperung der Gaza-Flotte. Bei der Erstürmung der Mavi Marmara starben neun Menschen.

Jerusalem/Wien. Barack Obamas Besuch im Nahen Osten dürfte zumindest ein handfestes Ergebnis für die Krisendiplomatie erbracht haben – wenngleich nicht im Nahost-Konflikt, sondern bei der Normalisierung zwischen Israel und Türkei. Der US-Präsident hatte zumindest seine Hände im Spiel bei der Wiederannäherung zwischen den einstigen engen Verbündeten Israel und Türkei.

Es war jedenfalls kein Zufall, dass sich Israels Ministerpräsident, Benjamin Netanjahu, am Freitagnachmittag – dem Ende des ersten offiziellen Besuchs Obamas in Israel – persönlich beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in einem Telefonat für einen Vorfall entschuldigte, der seit beinahe drei Jahren die Beziehungen zwischen Jerusalem und Ankara verdüsterte: die Erstürmung des türkischen Hilfsschiffs Mavi Marmara, die neun Todesopfer forderte.

Wie es hieß, arrangierte der US-Präsident hinter den Kulissen das Gespräch. Dies fällt umso schwerer ins Gewicht, als sich die geostrategische Position Israels im Laufe des Arabischen Frühlings deutlich verschlechtert hat: Jerusalem rückte immer stärker in die Isolation, Freunde und Partner in der Region wandten sich von Israel ab.

Als im Morgengrauen des 31. Mai 2010 die israelischen Seestreitkräfte eine aus sechs Schiffen bestehende Hilfsflotte für den Gazastreifen enterten, in der Folge nicht nur Warnschüsse mit Gummigeschossen abgaben, sondern auch mit scharfer Munition feuerten und dabei neun türkische Aktivisten töteten, stürzten die bilateralen Beziehungen ins Bodenlose.

Symbolträchtige Aktion

Die Türkei zog ihren Botschafter aus Tel Aviv ab, brach ihre Kontakte mit Israel weitgehend ab – und dies betraf vor allem die militärische Kooperation. Umringt von einer Vielzahl von Feinden, galt die Türkei lange als vitaler Verbündeter Israels in der Mittelmeer-Region. Die Israelis entdeckten wiederum die Türkei als Touristendestination.
Nach dem Vorfall tat sich Erdoğan, unter dem Jubel der arabischen Straße, als scharfer Israel-Kritiker hervor.
Netanjahu versuchte jetzt das Zerwürfnis zu beenden. In dem Telefonat bedauerte er erneut das Handeln Israels, ging mit seiner formellen Entschuldigung jedoch darüber hinaus. Denn darauf hatte Ankara stets gepocht, die Regierung in Jerusalem wollte die Kaperung der Mavi Marmara nicht als Fehler eingestehen. Der israelische Premier sprach nun von „tragischen Resultaten“ und „operativen Fehlern“, er drückte namens seines Landes offiziell die Reue für die Erstürmung des Schiffes aus. Nun hat Netanjahu bekräftigt, das Embargo an Zivilgütern aufzuheben – eine Konzession sowohl gegenüber den Palästinensern als auch gegenüber der UNO.

Ende Mai 2010 war die Flotte mit etwa 1000 Aktivisten an Bord des halben Dutzends Schiffe, darunter auch der schwedische Schriftsteller Henning Mankell, von Zypern aus ausgelaufen. In einer symbolträchtigen Aktion sollte sie Hilfsgüter in den von Israel abgeriegelten Gazastreifen liefern und so das Embargo umgehen, das Israel de facto verhängt hat – für Jerusalem ein Akt der Provokation, den es letztlich mit Waffengewalt beantwortete. Wegen der ständigen Angriffe der Hamas und des Raketenbeschusses auf Israel hatte die israelische Regierung 2007 eine harte Sanktion ergriffen: eine Blockade des schmalen palästinensischen Küstenstreifens.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2013)

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