Fall Beresowski: Angst im Paradies der Oligarchen

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Die britische Polizei spricht von Selbstmord des Kreml-Kritikers. Doch nach einer Reihe mysteriöser Todesfälle wird man in der Diaspora nervös.

London. Erhängt also. Und auch durch die Autopsie „keine Hinweise auf einen gewaltsamen Kampf“. Das sind die vorläufigen Angaben der britischen Polizei zum Tod des russischen Oligarchen Boris Beresowski in seinem Haus in Ascot. Obwohl „weitere Untersuchungen“ in den kommenden Wochen folgen, scheint derzeit alles auf einen Selbstmord des 67-Jährigen hinzudeuten, der einst als „Pate des Kreml“ in Macht und Reichtum schwelgte und nun ein einsames Ende südwestlich von London fand. Neben seiner Familie hinterließ er einen Schuldenberg.

Beresowski war Samstagnachmittag von seinem Leibwächter, einem ehemaligen Mossad-Agenten und letzten verbliebenen Angestellten, tot im Badezimmer aufgefunden worden. Der Raum war von innen versperrt. Beresowski war bekleidet. Er hinterließ keinen Abschiedsbrief. Nikolaj Gluschkow, einer seiner Freunde, sagte danach dem „Guardian“: „Boris wurde erwürgt. Ich glaube nicht, dass es Selbstmord war. Das war kein normaler Tod.“ Die britische Polizei sieht jedoch „kein Anzeichen für die Involvierung einer dritten Seite“.

Bei allen Beschwichtigungsversuchen der Behörden bedeutet der plötzliche Tod des gefallenen Oligarchen einen tiefen Schock für die Exilgemeinde aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion in London. Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, großzügige Steuerregeln für reiche Ausländer und gesellschaftliche Anerkennung hatten die Profiteure des Zerfalls des Roten Imperiums angelockt.

Geld spielt keine Rolle

Bei der rasenden Jagd nach Prestige spielt(e) Geld keine Rolle: Roman Abramowitsch erwarb 2003 den Fußballverein Chelsea FC und hat bis heute beinahe eine Milliarde Pfund in den Klub gesteckt. Der Stahlmilliardär Alischer Usmanow ist zweitgrößter Aktionär des Lokalrivalen Arsenal. Wenn eine absurd überteuerte Immobilie auf den Markt kommt, findet sie mit Sicherheit einen Oligarchen als Käufer: Der reichste Mann der Ukraine, der Metallmagnat Rinat Achmetow, erwarb vor zwei Jahren ein Penthouse mit Blick über den Hyde Park um den Rekordpreis von umgerechnet 160 Millionen Euro. Und der Kreml-Kritiker Alexander Lebedew besitzt heute mit dem „Independent“ und Londons „Evening Standard“ zwei der einflussreichsten Zeitungen des Landes. Aus der Betreuung der Russen – von der Hausvermittlung über die Sicherheitsüberwachung bis zur Einschulung des Nachwuchses in britischen Eliteinternaten – ist ein kompletter und lukrativer Wirtschaftszweig entstanden.

„Die Hälfte unserer Verkäufe allein dieses Jahr haben wir mit Russen gemacht“, berichtet Simon Ashwell von der Immobilienagentur Savills. Und die lassen sich weiter nicht lumpen: „Der Durchschnittskaufpreis liegt bei sieben Millionen Pfund.“ Ebenso buttert Abramowitsch weiter Millionen in seinen müden Fußballverein („Die teuerste Lebensversicherung der Welt“), während Alexander Lebedew den „Evening Standard“ auf den Straßen Londons sogar gratis verteilen lässt.

Geld kann aber, wie schon die Beatles wussten, keine Liebe kaufen. Morde und ungelöste Todesfälle haben zu einer tiefen Verunsicherung in der Exilgemeinde geführt. Der Ex-Agent Alexander Litwinenko wurde 2006 mit Polonium vergiftet, der georgische Geschäftsmann Badri Patarkatsischwili starb 2008 an einem dubiosen Herzinfarkt, der Informant Alexander Perepilitschni, der mit der Schweiz in Steuerermittlungen kooperierte, wurde im November tot aufgefunden. Das sind nur die aufsehenerregendsten Fälle.

Der Kreml triumphiert

„Am liebsten bleibt man heute unter sich“, sagt der Autor Edward Gurwitsch der „Presse“. Statt Reichtum demonstrativ zur Schau zu stellen, verbirgt man ihn heute hinter hohen Mauern. „Viele Russen wollen nicht einmal mehr voneinander wissen.“ Der Kreml erlaubt sich siegessichere Gelassenheit und höhnische Kommentare. Statt KGB-Kommandos sendet man eine klare Botschaft: Wer gegen die Mächtigen in Moskau in der Fremde sein Heil sucht, wird einsam sterben wie Beresowski.

Boris Beresowski war ein Intimus des ersten russischen Präsidenten Jelzin und unterstützte später dessen „Erben“ Putin. Mit ihm überwarf er sich jedoch bald und ging 2000 ins Londoner Exil, wo er bis zu seinem Tod lebte. [Reuters]

Roman Abramowitsch (*1966) ist einer der bekanntesten russischen Oligarchen. Er machte sein Geld unter anderem mit Öl und Aluminium. In London, wo er seinen Wohnsitz hat, gehört ihm der Traditions-Fußballklub Chelsea. [AP]

Alexander Lebedew (1959) kommt aus dem Geheimdienst KGB. Seine Karriere als Geschäftsmann begann er im Bankensektor. In Großbritannien gehören ihm die Zeitungen „Evening Standard“ und „Independent“. [AP]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2013)

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