Türkei soll 600 Syrer abgeschoben haben

Syrian refugees wait to register their names after their arrival at Al Zaatri refugee camp in Mafraq
Syrian refugees wait to register their names after their arrival at Al Zaatri refugee camp in MafraqREUTERS
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UNHCR-Sprecherin zeigt sich über Berichte besorgt, die Türkei habe vertriebene Syrer zurückgeschickt. Laut Ankara sind die Flüchtlinge „freiwillig“ gegangen.

Wien/Ankara/Damaskus/Ag/Dab. Bisher fand die Türkei für ihren Einsatz für syrische Flüchtlinge international Anerkennung. Am Donnerstag wurde jedoch der Vorwurf laut, dass die Türkei rund 600 Syrer aus einem Flüchtlingslager an der syrischen Grenze abgeschoben haben soll. Ein Campmitarbeiter behauptete, die Betroffenen seien an Gewalttaten beteiligt gewesen. Am Mittwoch hatten Flüchtlinge gegen ihre Lebensbedingungen protestiert. Es gab Zusammenstöße mit der Polizei, bei denen zahlreiche Personen verletzt wurden.

Türkei weist Vorwürfe zurück

Das türkische Außenministerium dementierte den Bericht umgehend. Man habe niemanden abgeschoben: Vielmehr seien 50 bis 60 Personen „freiwillig“ nach Syrien zurückgekehrt. Ruth Schöffl, Sprecherin des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR, zeigt sich im Gespräch mit der „Presse“ äußerst besorgt: „Wir nehmen das sehr ernst. Wir hoffen, dass sich die Berichte als Missverständnis herausstellen.“ Mehr als 260.000 Syrer sollen laut UNHCR in der Türkei Zuflucht gefunden haben.

Die Hilfsorganisation Care machte am Donnerstag auf die schwierige Lage der syrischen Flüchtlinge in Jordanien aufmerksam. 450.000 seien bereits in das Nachbarland geflohen. Mehrere tausend Syrer würden täglich über die Grenze nach Jordanien kommen. Doch sei Zaatari, das einzige Flüchtlingscamp im Land, seit Monaten hoffnungslos überfüllt.

Mit gerade einmal 6,5 Millionen Einwohnern könne Jordanien die Flüchtlingslast nicht mehr lange tragen: „Das Land erlebt gerade eine wirtschaftliche Krise. Der Tourismus bleibt aus, die Preise steigen enorm“, sagt Care-Österreich-Geschäftsführerin Andrea Wagner-Hager. Sie schätzt, dass die Zahl der Flüchtlinge in den Aufnahmeländern Türkei, Libanon und Jordanien auf etwa 3,5 Millionen steigen wird. Laut UN-Schätzungen erreichen täglich etwa 8000 Flüchtlinge die syrischen Nachbarstaaten. Auch Schöffl rechnet nicht mit einer baldigen Entspannung der Lage: „Wir sehen derzeit keine Besserung. Die Flüchtlingsströme nehmen vielmehr weiter zu.“

Ein Problem stellt laut Schöffl auch die chronische Unterfinanzierung der Organisation dar: „Wir haben 30 Prozent von dem Geld, dass wir benötigen würden.“ Dem UNHCR, das sich großteils durch freiwillige Zuwendungen von Staaten finanziert, fehlen 700 Millionen US-Dollar für die Syrien-Hilfe.

Angriff auf Universität

Unterdessen kam es laut Angaben des syrischen Staatsfernsehens zu einem Beschuss eines Universitätsgebäudes in Damaskus. Mehrere „Terroristen“ hätten die Fakultät für Architektur mit Granaten angegriffen. Mehrere Studenten seien getötet oder verletzt worden. Laut UN-Bericht sind bisher mehr als 70.000 Menschen im Syrien-Konflikt gestorben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2013)

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