Napolitano nimmt Parteien ins Gebet

Giorgio Napolitano
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Am Karfreitag redete der Staatspräsident Silvio Berlusconi ins Gewissen. Demokratenchef Bersani war mit der Regierungsbildung gescheitert.

Rom. Während im Vatikan die Karwochenliturgie begann, nahm Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano die Führer der wichtigsten Parlamentsparteien ins Gebet: Denn die Bemühungen, in dem Eurokrisenland eine handlungsfähige Regierung zu bilden, schienen seit Donnerstagabend völlig verfahren: Sechs Tage lang hatte der Chef des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) mit den anderen Parteien und den Sozialpartnern Gespräche geführt, dann ist Pier Luigi Bersani auf den Quirinal zurückgekehrt, um Präsident Napolitano seine Niederlage einzugestehen.

Bersani war, wie er sagte, bei den anderen Parteien entweder auf eine rigide „Verweigerungshaltung“ gestoßen, oder er sei vor „inakzeptable Bedingungen“ gestellt worden. So sei es ihm unmöglich gewesen, die von Napolitano geforderte „sichere Mehrheit“ in beiden Parlamentskammern zu finden, die er gebraucht hätte, um sich den Vertrauensabstimmungen in Senat und Abgeordnetenkammer zu stellen.

Am Karfreitag war dann Ex-Premier Silvio Berlusconi an der Reihe: Der Medienzar schloss aus, dass seine Mitte-rechts-Allianz eine neuerliche Expertenregierung unterstützen würde. Er bekräftige allerdings seine Bereitschaft, eine große Koalition zu bilden, auch unter der Führung Bersanis.

Grillo und die „Hurenböcke“

Der Ex-Premier verlangt als Gegenleistung das Vorschlagsrecht bei der Wahl des Nachfolgers von Napolitano, die Mitte Mai ansteht – eine Bedingung, die Bersani als Provokation empfindet. Der PD-Chef hat von Anfang an klargestellt, dass für ihn eine Zusammenarbeit mit Berlusconi nicht infrage komme. Zumal es einen berechtigten Verdacht gibt, wen dieser als Staatspräsidenten vorschlagen würde: sich selbst.

Eine rasche Regierungsbildung wäre für das mit 2000 Mrd. Euro verschuldete und in einer tiefen Rezession steckende Italien wichtig. Die Parlamentswahl vor einem Monat hatte ein Patt ergeben: Zwar erzielte Bersanis PD dank einer „Prämie“ für den Sieger die absolute Mehrheit in der Abgeordnetenkammer, doch im Senat blieb die Linke weit hinter den erforderlichen 158 Sitzen zurück, die zum Regieren notwendig sind. Nicht einmal mit den 21 Stimmen, die die Mittepartei des scheidenden Premiers Mario Monti beisteuern kann, wäre in der kleinen Kammer die Mehrheit erreichbar gewesen.

Bersani hätte noch mindestens ein Dutzend Stimmen der Protestpartei Movimento Cinque Stelle des Exkomikers Beppe Grillo benötigt. Der PD-Chef hatte die „Grillini“ intensiv umgarnt, Grillo lehnte aber jede Zusammenarbeit mit den „Hurenböcken“, wie er Bersani und Berlusconi dieser Tage bezeichnete, kategorisch ab.

Kommt Technokraten-Premier?

Der Ball liegt also bei Napolitano. Offiziell ist das Mandat für Bersani lediglich „eingefroren“. Theoretisch könnte Napolitano nach den neuerlichen Blitz-Konsultationen auch den PD-Chef nochmals ins Rennen schicken. Als wahrscheinlicher gilt aber, dass er eine über den Parteien stehende Figur suchen wird, die – ähnlich wie Mario Monti – eine Übergangsregierung zusammenstellt, die die dringendsten finanz- und konjunkturpolitischen Entscheidungen trifft, um danach das Land im kommenden Herbst oder Frühling mit einem neuen Wahlgesetz in vorgezogene Wahlen zu führen.

Eine oft genannte Kandidatin ist Innenministerin Annamaria Cancellieri: Die 69-jährige frühere Polizeipräfektin könnte Mario Monti ablösen, der Anfang des Jahres seine Unabhängigkeit aufgegeben, eine eigene Partei gegründet und bei der Wahl grandios verloren hat. Einige weitere Kabinettsmitglieder, die sich Monti angeschlossen hatten, müssten ebenfalls ersetzt werden; die übrige Ministerriege könnte weiterarbeiten. Cancellieri wäre damit Chefin einer „Regierung Monti ohne Monti“, wie der „Corriere della Sera“ schrieb – und gleichzeitig die erste Frau an der Spitze einer italienischen Regierung.

In Rom zirkulieren noch andere Namen, unter anderem Fabrizio Saccomanno, der Direktor der Nationalbank, oder Franco Gallo, der Präsident des Verfassungsgerichts. Spätestens heute, Samstag, soll eine Entscheidung fallen.

Auf einen Blick

Die italienische Parlamentswahl Ende Februar erbrachte ein Patt: Während die Linke unter Pier Luigi Bersani in der Abgeordnetenkammer eine klare Mehrheit schaffte, verfehlte sie diese im Senat. In Italien sind jedoch beide Parlamentskammern gleichberechtigt, eine funktionsfähige Regierung braucht also eine Mehrheit in beiden Kammern. Theoretisch wäre die Bewegung des Ex-Komikers Beppe Grillo der Königsmacher, doch dieser weigert sich, mit den anderen Parteien zusammenzuarbeiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2013)

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