Das letzte Regiment: Giorgio Napolitanos Weisenrat

letzte Regiment Giorgio Napolitanos
letzte Regiment Giorgio Napolitanos(c) EPA (GUIDO MONTANI)
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Der Präsident setzte eine zehnköpfige Reformkommission ein. Auf der Agenda: Ein neues Wahlrecht. Eine "Regierung des Präsidenten" soll das Land in Neuwahlen führen. Derweil zanken Parteien um die Nachfolge Napolitanos.

Rom. Am Ostersamstag hisste Giorgio Napolitano die weiße Fahne: Er trat zwar nicht zurück, wie in Rom spekuliert worden war, aber er kapitulierte vor der Unfähigkeit der Parteien, sich auf einen noch so kleinen gemeinsamen Nenner zu einigen und den Weg für eine stabile Regierungskoalition freizumachen. Diesen kleinsten gemeinsamen Nenner sollen nun zehn „Weise“ suchen: Napolitano beauftragte zwei je fünfköpfige Expertengruppen, die in den kommenden Wochen Reformvorschläge machen sollen, die als Basis für ein künftiges Regierungsprogramm dienen könnten.

Mit seinem Schachzug schlägt der 87-jährige Staatspräsident zwei Fliegen mit einer Klappe. Erstens gewinnt er Zeit und verhindert damit schnelle Neuwahlen bereits im Juni. Neuwahlen noch vor den Sommerferien hätten zwangsläufig nochmals mit dem bisherigen Wahlgesetz durchgeführt werden müssen – und hätten deshalb im Senat mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erneut ein Patt ergeben.

Eine derartige Übung sah Napolitano als völlig unnütz an. Die wichtigste Reform, die die zehn „Weisen“ anpacken müssen, wird somit ein neues Wahlgesetz sein, das bei den nächsten Wahlen zu stabilen Verhältnissen führt.

Napolitanos Plan B

Zweitens erhöht Napolitano mit der Einsetzung der Expertengruppen die Wahrscheinlichkeit, dass beim nächsten Versuch tatsächlich eine Regierung gebildet werden kann. In den Gruppen sind alle größeren Parteien vertreten – und sei es durch Persönlichkeiten, die ihnen nahestehen.

Die Einsetzung der zehn „Weisen“ ist der erste Schritt für Napolitanos Plan B, der in der Bildung einer überparteilichen „Regierung des Präsidenten“ besteht. Diese soll nach der Realisierung der Reformen das Land voraussichtlich im kommenden Frühling zu Neuwahlen führen. Bis eine derartige Regierung vereidigt werden kann, sei ja noch Mario Monti im Amt, dem im Parlament formell nie das Vertrauen entzogen worden sei.

So weit die Theorie. In der Praxis schimpft Expremier Silvio Berlusconi bereits lauthals über die zehn „Weisen“: Das Land könne sich keine weitere Zeitverschwendung leisten. Dem von mehreren Prozessen und einem Haftbefehl bedrohten Berlusconi graut vor einer „Regierung des Präsidenten“. Er braucht dringend einen neuen juristischen Schutzschild. Der Expremier ist im Grunde nur an Neuwahlen interessiert – in der Hoffnung, in einem neuen Parlament wieder stark genug zu sein, um sich dem Zugriff der Justiz zu entziehen. Das Urteil im „Ruby“-Prozess rückt unaufhaltsam näher.

Unaufhaltsam näher rückt auch das Ende von Napolitanos Amtszeit: Das Mandat des Präsidenten läuft am 15.Mai ab. Auch über dessen Nachfolger herrscht im Parlament maximale Uneinigkeit. Berlusconi würde am liebsten gleich selbst Staatspräsident werden, womit er seine Justizsorgen wohl für immer los wäre.

Kronfavorit des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) ist der frühere EU-Kommissionspräsident und zweifache Ex-Regierungschef Romano Prodi, ein eingefleischter Berlusconi-Feind. Als mögliche Kompromisskandidaten gelten Expremier Giuliano Amato sowie die frühere EU-Kommissarin Emma Bonino.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2013)

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