Polit-Krise: Italiens "zehn Weisen" nehmen die Arbeit auf

Italiens Reformkommission trifft sich
Italiens Reformkommission trifft sich(c) REUTERS (REMO CASILLI)
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Die Experten trafen sich erstmals mit Staatschef Napolitano. Sie sollen das Wahlrecht reformieren und eventuell eine "Regierung des Präsidenten" bilden.

Der italienische Präsident Giorgio Napolitano hat am Dienstag die Mitglieder der beiden Arbeitsgruppen getroffen, die ein Programm wirtschaftlicher und politischer Reformen zur Überwindung der politischen Krise verfassen sollen. Die beiden Teams aus insgesamt zehn Experten kamen erstmals im Quirinalpalast zusammen und berieten mit dem scheidenden Staatspräsidenten über ihre Aufgaben. "Unsere wichtigste Aufgabe ist es, wieder ein Klima des Vertrauens herzustellen", sagte der Senator Mario Mauro, der den Zentrumsblock um den scheidenden Premier Mario Monti in dem politischen Expertengremium vertritt.

Eine der beiden Gruppen unter der Leitung des Verfassungsrechtlers Valerio Onida soll sich auf politisch-institutionelle Reformen konzentrieren und sich unter anderem mit einem neuen Wahlrecht befassen, das dem Land stärkere politische Stabilität sichert. Außerdem sollen Vorschläge für eine Reduktion der Zahl der Parlamentarier formuliert werden. Derzeit sitzen 945 Mandatare im Parlament. Das System aus zwei gleichberechtigten Parlamentskammern erschwere die Verabschiedung von Gesetzen, behaupten politische Beobachter in Rom. Auch mit Einsparungen bei den Kosten der Politik wird sich Onidas Arbeitsgruppe auseinandersetzen müssen.

Der "politischen" Arbeitsgruppe gehören neben Onida auch der Ex-Präsident der Abgeordnetenkammer und Linkspolitiker Luciano Violante, der ehemalige Mitte-rechts-Fraktionschef in der Abgeordnetenkammer und Vertrauter von Ex-Premier Silvio Berlusconi, Gaetano Quagliarella, sowie der Senator des Zentrumsblocks Mario Mauro, ein guter Freund des scheidenden Premiers Mario Monti, an. "Unsere Priorität ist die Reform des Wahlsystems. Sollten in Italien Neuwahlen ausgeschrieben werden, muss mit einem neuen Wahlgesetz gewählt werden, das Italien mehr politische Stabilität verleiht", meinte Onida.

Die zweite Gruppe soll wirtschaftliche und soziale Maßnahmenvorschläge ausarbeiten. An ihr nehmen der Präsident der Statistikbehörde Istat, Enrico Giovannini, ein Führungsmitglied der italienischen Notenbank, Salvatore Rossi, sowie Europaminister Enzo Moavero teil. Weitere Mitglieder sind der Präsident der Konkurrenzbehörde, Giovanni Pitruzzella, der Lega Nord-Politiker Giancarlo Giorgetti, sowie der Linksparlamentarier Filippo Bubbico. Diese Arbeitsgruppe muss sich unter anderem mit Initiativen gegen die Rezession, sowie mit sozialen Abfederungsmaßnahmen beschäftigen. Auch eine Reform des Wohlfahrtsstaates und Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sind Prioritäten für die Arbeitsgruppe.

Die Reformvorschläge der "Weisen" sollen als Basis für das Programm einer künftigen Regierung dienen. Die mehrheitsfähigen Vorschläge für Wirtschafts- und Verfassungsreformen werden die beiden Arbeitsgruppen entweder Napolitano oder seinem Nachfolger übergeben. Italienische Medien spekulieren, dass die Experten binnen acht bis zehn Tagen erste Ergebnisse liefern sollen. Die Amtszeit des 87-jährigen Staatschefs endet am 15. Mai. Möglicherweise erfolgt die Regierungsbildung nun nicht mehr vor der Wahl des neuen Präsidenten durch das Parlament.

Die Gruppen stoßen jedoch auf Skepsis bei den Parteien. "Solch eine Initiative löst das Problem nicht", sagte der frühere Minister für die öffentliche Verwaltung Renato Brunetta. Die Mitte-rechts-Allianz um Ex-Premier Silvio Berlusconi drängte Napolitano zur Wiederaufnahme der politischen Sondierungen in Hinblick auf eine Regierungsbildung.

Napolitano bemängelte im Gespräch mit der Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera", dass er am Ende seiner siebenjährigen Amtszeit von den Parteien im Stich gelassen worden sei. "Das ist die schlimmste Phase meines Mandats", wurde Napolitano von dem Blatt zitiert. Er wies den Vorwurf einiger Parteien zurück, mit dem Einsatz der "Weisen" würde de facto das Parlament seine Macht verlieren. Die Kritik gegen seinen Beschluss, die beiden Arbeitsgruppen einzusetzen, sei "ungerecht".

(APA/dpa/Red. )

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